Im Oktober 2019 tritt Christine K.* (48) eine neue Stelle als Projektleiterin im Bildungsbereich an. Auf der Suche nach einer neuen Herausforderung freut sie sich auf den Neustart. Zwei Jahre später ist die zweifache Mutter psychisch am Ende. Über den Job sagt sie: «Er hat mir den Boden unter den Füssen weggezogen.»
Denn Christine K. wird von ihren Arbeitskollegen gemobbt. Ganz besonders aber von einer Mitarbeiterin. «Sie war nicht meine Vorgesetzte, aber sagte mir, was ich zu tun hatte», erzählt die Zürcherin. «In Sitzungen machte sie meine Ideen schlecht und gab sich als Leiterin meiner Projekte aus.» Dieses Verhalten färbt nach und nach auf die anderen Kollegen ab.
Toxisches Arbeitsklima
Christine K. wendet sich immer wieder an ihre Vorgesetzten, klärt sie über die Lage auf. Doch sie greifen nicht ein. Im Gegenteil: Der Umgangston der Chefetage sei aggressiv gewesen, die Zusammenarbeit schwierig. «Meine E-Mails wurden nicht beantwortet und in Besprechungen schnitt man mir das Wort ab», erinnert sich die erfahrene Projektleiterin. Einmal habe ihr der Geschäftsführer bei einer Präsentation vorgeworfen, sie spreche und schreibe kein richtiges Deutsch. Sie, die studierte Germanistin.
Die Schikanen zeigen Wirkung: Selbstzweifel kommen auf, Christine K. schämt sich für ihre Situation und hält sich für eine «unfähige Kreatur». Monatelang weint die Zürcherin nach der Arbeit. Es dauert lange, bis sie sich einer Freundin anvertraut. Diese empfiehlt ihr, die Vorfälle aufzuschreiben. Erst durch das Tagebuch, das Blick vorliegt, erkennt sie, dass ein Muster hinter den Schikanen steckt. In ihrer Not wendet sie sich schliesslich an die Fachstelle Mobbing und Belästigung. Deren Leiterin Claudia Stam sagt: «Nach meiner Einschätzung handelt es sich um einen typischen Fall von Führungsversagen, der dann eben Mobbing entstehen und gedeihen lässt.»
«Ich habe mich zu wenig gewehrt»
Und trotzdem: Es verstreichen weitere Monate, in denen Christine K. weiter arbeitet und weiter kämpft. «Ich wollte nicht scheitern. Und ich habe als Mutter eine finanzielle Verantwortung.» Erst im Frühsommer diesen Jahres zieht sie die Reissleine. In einer Videokonferenz, in der sie von mehreren Kolleginnen gleichzeitig kritisiert wird, realisiert sie: «Egal was ich tue, es wird nie richtig sein.»
Die Projektleiterin lässt sich krankschreiben und fällt in ein tiefes Loch. Mit der Unterstützung einer Psychotherapeutin arbeitet sie nun die Geschehnisse auf. Und sie begreift: «Ich bin kein Opfer.» Denn sie selbst hat zu viel Raum für die Schikanen gelassen, ist zu wenig für sich selbst eingestanden.
* Name geändert