Nur mit Wasser
Funktioniert Haare waschen ohne Shampoo wirklich?

Immer mehr Menschen verzichten auf Shampoos – und sagen, dass sie nie schönere Haare hatten.
Publiziert: 13.03.2021 um 16:39 Uhr
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Aktualisiert: 20.04.2021 um 16:24 Uhr
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Für viele Leute ist es unvorstellbar, auf die pflegenden Haarprodukte zu verzichten.
Foto: Getty Images
Käther Bänziger

Die Schauspielerin Jessica Alba (39) und die Sängerin Adele (32) waschen ihr Haar über Wochen hinweg nur mit Wasser. Auf Youtube und in Blogs mehren sich Erfahrungsberichte über «mein Leben ohne Shampoo» – englisch unter dem trendigen Buzzword «No Poo».

Eine Redaktorin des Frauenmagazins «Brigitte» machte den Selbstversuch. Resultat: Nach sechs Wochen (fast) ohne Shampoo fühlten sich ihre Haare «komplett anders an, viel voller, griffiger».

Der neue Pflegetrend ist gewöhnungsbedürftig, darin sind sich alle einig. «Heute ist es für viele unvorstellbar, auf Shampoo zu verzichten», sagt etwa die Thurgauer Naturcoiffeuse Nicole Högger. «Wir sind geprägt von der Werbung und der Idee, dass all die Produkte unser Haar pflegen.»

Kopfhaut wird stark entfettet

Oft ist das Gegenteil der Fall: Silikone etwa, die in vielen Shampoos enthalten sind, machen die Haare weich und seidig, versiegeln sie aber auch. Darunter trocknen sie aus und können keine pflegenden Stoffe mehr aufnehmen.

Verantwortlich für das Entfernen von Schmutz und Talg sind künstlich hergestellte Tenside. Davon gibt es unzählige, harmlose und weniger harmlose. «Sodium Laureth Sulfate ist in sehr vielen Produkten enthalten. Es entfettet die Haut aber so stark, dass oft Juckreiz oder Schuppen die Folge sind», sagt Coiffeuse Högger. Zugleich steht es im Verdacht, die Haut durchlässiger für Schadstoffe zu machen.

Allergien seien sehr selten, da das Shampoo stets ausgespült werde, sagt Dagmar Simon, Fachärztin an der Universitätsklinik für Dermatologie des Inselspitals Bern. Verhindern lassen sich Probleme, indem man Shampoos nach dem individuellen Haar- und Hauttyp wählt, nicht unverdünnt aufträgt und gründlich ausspült (siehe Tipps). «Am besten ist ein mildes Shampoo mit Zuckertensiden», empfiehlt Coiffeuse Högger.

Tipps für die Haarpflege – möglichst einfach und natürlich
  • Das Wasser sollte lauwarm sein.

  • Verwenden Sie Shampoo spärlich und verdünnt. Spülen Sie es gut aus, um Irritationen der Kopfhaut zu vermeiden.

  • Achten Sie auch bei Haarseifen gut auf allenfalls problematische Inhaltsstoffe.

  • Föhnen strapaziert die Haare, lassen Sie sie möglichst an der Luft trocknen.

  • Wenn Sie trotzdem föhnen, dann nie auf der heissesten Stufe.

  • Rubbeln Sie die Haare nicht trocken, sondern tupfen Sie sie mit einem Frottiertuch sanft ab.

  • Ein- bis zweimal wöchentlich waschen reicht normalerweise.

  • Das Wasser sollte lauwarm sein.

  • Verwenden Sie Shampoo spärlich und verdünnt. Spülen Sie es gut aus, um Irritationen der Kopfhaut zu vermeiden.

  • Achten Sie auch bei Haarseifen gut auf allenfalls problematische Inhaltsstoffe.

  • Föhnen strapaziert die Haare, lassen Sie sie möglichst an der Luft trocknen.

  • Wenn Sie trotzdem föhnen, dann nie auf der heissesten Stufe.

  • Rubbeln Sie die Haare nicht trocken, sondern tupfen Sie sie mit einem Frottiertuch sanft ab.

  • Ein- bis zweimal wöchentlich waschen reicht normalerweise.

Teufelskreis Talgproduktion

No-Poo-Fans sind überzeugt, dass konventionelle Shampoos Kopfhaut und Haaren mehr schaden als nützen – indem sie den natürlichen Talgfilm auswaschen und dadurch die Haare schneller nachfetten lassen. So würden die Abstände zwischen dem Haarewaschen immer kürzer, die Produktion von Talg werde weiter angekurbelt – ein Teufelskreis. Wissenschaftlich ist dieser Effekt umstritten: Einen medizinischen Anhaltspunkt dafür, dass das tägliche Waschen die Talgproduktion verstärkt, gibt es bis heute nicht.

Mehr als ein- bis höchstens zweimal wöchentlich Haare waschen halten die meisten Dermatologen für übertrieben, sehen aber auch keinen Grund für den Shampooverzicht. «Gegen ein geeignetes Shampoo in vernünftiger Dosierung ist nichts einzuwenden», sagt die Fachärztin Dagmar Simon. «Haarewaschen gehört zu unserem Hygieneverständnis. Es geht darum, Schmutz, Talg und Bakterien zu entfernen.»

Mit Haarbürste täglich reinigen

Als mögliche Folge des Verzichts nennt sie unter anderem, dass die Haare strähnig würden. Dem widerspricht Naturcoiffeuse Nicole Högger. «Die schönsten und gesündesten Haare haben Kundinnen, die sie mit der No-Poo-Methode pflegen.»

Eins ist klar: Die Umstellung klappt nie von heute auf morgen. Die erste Zeit ohne Shampoo und Spülung wird oft als eine Art Entgiftung oder Entschlackung bezeichnet. Bis die Haare aus eigener Kraft glänzen, gesund und kräftig aussehen, dauert es etwa sechs Wochen.

Und ganz ohne Pflege machen es auch die No-Poo-Fans nicht. Sie setzen auf mechanische Reinigung. «Es ist wichtig, die Kopfhaut täglich mit einer Bürste mit Wildschweinborsten vom Talg zu reinigen», sagt die Naturcoiffeuse. Sie empfiehlt 100 Striche.

Nachhaltig denken und Umwelt schonen

Vielen geht es bei der Pflegeumstellung gar nicht in erster Linie um die Haarpracht, sondern um die Umwelt. Denn Silikone, Parabene und Paraffinöle gelangen irgendwann ins Grundwasser. Naturcoiffeuse Nicole Högger hofft deshalb, dass das zunehmende Interesse an No Poo kein vorübergehender Hype ist, sondern der Beginn eines Umdenkens. «Anfänglich hat man No Poo eher in alternativen Kreisen gefunden. Heute sind es Leute aller Couleur und Altersgruppen, die einfach nachhaltiger leben wollen.» Auch das Thema Mikroplastik in Kosmetikprodukten habe viele aufgeschreckt.

Nur der ganz harte Kern, genannt OW, was für «Only Water» steht, wäscht die Haare übrigens ausschliesslich mit Wasser. Die anderen greifen hin und wieder zu natürlichen Mitteln wie Roggenmehl oder Lavaerde, um die Haare zu säubern. Bei der Pflege richten sie sich nach dem Grundsatz: «Alles, was aufgetragen wird, gelangt über die Haut in den Körper. Deshalb sollte es ohne Bedenken essbar sein.» Verwendet werden daher natürliche Öle wie Kokos- oder Olivenöl. Und als Spülung dient wie schon zu Grossmutters Zeiten: verdünnter Apfelessig.

Beobachter
Artikel aus dem «Beobachter»

Dieser Artikel wurde aus dem Magazin «Beobachter» übernommen. Weitere spannende Artikel finden Sie unter www.beobachter.ch

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Dieser Artikel wurde aus dem Magazin «Beobachter» übernommen. Weitere spannende Artikel finden Sie unter www.beobachter.ch

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