Auf dem Zugsitz zurücklehnen, das Handy zücken und den am Fenster vorbei rasenden Regenwald filmen und beim nächsten Maya-Tempel aussteigen. Diesen Touristentraum für die Masse macht Mexikos Regierung gerade mit einem Milliardenprojekt wahr. Am 15. Dezember eröffnete Mexikos Präsident Andrés Manuel López Obrador (70) die erste Teilstrecke für den Maya-Hochgeschwindigkeitszug zwischen Cancún und Campeche.
Wirtschaftsaufschwung erwartet
Das Maya-Zug-Netz mit 34 Haltestellen in fünf Bundesstaaten soll die archäologischen Stätten im Süden des Landes verbinden. Insgesamt 1554 Kilometer Gleisstrecke sollen bis Ende Februar 2024 befahrbar sein. Mexiko hofft mit dem Massentourismusprojekt auf einen Wirtschaftsboom. Die Kosten dafür werden auf umgerechnet 25,5 Milliarden Schweizer Franken geschätzt. Beteiligt sind auch europäische Firmen wie Alstom und eine Tochterfirma der Deutschen Bahn.
Regenwald für Gleise zerstört
Zugfahren gilt als umweltfreundliche Reiseform. Für Umweltschützer und Menschenrechtler ist der «Tren Maya» dennoch ein Alptraum. Das Problem: Für den Bau der Bahnstrecke werden Naturschutzgebiete und indigene Gemeinden verkleinert und geografisch zerstückelt. Bagger reissen für den Gleisbau eine Schneise der Zerstörung durch den Regenwald Selva Maya.
Die mexikanische Regierung bestätigte im Februar, dass bisher rund 3,4 Millionen Bäume für das Projekt gefällt wurden. Die Nichtregierungsorganisation «Sélvame del Tren» geht aufgrund von Satellitenbildern von über 10 Millionen gefällten Bäumen aus.
Die Entwaldung ist eine schlechte Nachricht für das CO₂-Gleichgewicht der Erde. Regenwälder gelten als Kohlenstoffspeicher und haben eine wichtige Funktion im internationalen Kampf gegen den Klimawandel.
Laut der Nachrichtenagentur AFP warnten Naturschützer am Eröffnungstag zudem vor der Gefahr, dass der Boden unter dem hohen Gewicht des Hochgeschwindigkeitszuges einsacken könnte. Präsident López Obrador beschuldigt die Umweltgruppen dagegen, mit seinen politischen Gegnern zusammenzuarbeiten.
Landenteignung und Bedrohung für Jaguare
Vor Gericht hatten Umweltaktivisten einen vorläufigen Stopp des Megaprojekts erwirkt. Mexikos linksnationalistischer Staatschef erklärte den Maya-Zug daraufhin zur Angelegenheit der nationalen Sicherheit und brachte es unter Kontrolle des Militärs, damit es nicht mehr gestoppt werden kann. Menschenrechtler kritisieren die darauffolgende Militarisierung der Region.
Laut «Welt online» bauen die Streitkräfte nun entlang der Zugstrecke Hotels, eines davon im Biosphärenreservat von Calakmul. Dort leben einige der letzten Jaguare Mexikos. Auch gemeinschaftliche Landflächen wurden laut dem Medium enteignet oder aufgekauft und Indigene – darunter ironischerweise Nachkommen der Maya – wurden umgesiedelt.
Zu teuer für viele Einheimische
«Manche glauben, wir leben vom Tourismus. Wir leben aber von der Natur, die die Touristen anzieht. Missachten wir die Natur, werden wir weder Tourismus noch Natur und somit auch kein Einkommen haben», sagt der lokale Umweltaktivist Roberto Rojo gegenüber der Zeitung.
Für die eigene Mobilität werden Indigene und viele andere Mexikaner den Maya-Zug kaum nutzen können. Der monatliche Durchschnittslohn beläuft sich in Mexiko auf umgerechnet 760 Franken pro Monat. Eine kurze Fahrt auf der ersten Teilstrecke kostet umgerechnet 36 bis 60 Franken.