Wiedersehen mit Bridget Jones
Hallo, alte Freundin

Die Zeiten haben sich seit den ersten «Bridget Jones»-Filmen vor 20 Jahren geändert: Die damalige Bridget taugt heute nicht mehr als Identifikationsfigur. Wie ist das Wiedersehen mit der beliebten Filmheldin in «Verrückt nach ihm»?
Publiziert: 16:29 Uhr
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Aktualisiert: 16:38 Uhr
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Neun Jahre nach dem letzten Film sind Bridget Jones (Renée Zellweger) und ihr Tagebuch zurück.
Foto: keystone-sda.ch

Auf einen Blick

  • Bridget Jones kehrt nach langer Pause in einem vierten Film zurück
  • Sexualisierung von Männerkörpern und Umgang mit unangemessenen Kommentaren im neuen Film
  • Vierter Teil der Filmreihe zeigt 51-jährige Bridget als Witwe mit zwei Kindern
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Karen SchärerTeamlead Gesellschaft

Meine Güte, was waren wir hart im Nehmen zur Jahrtausendwende. Wer sich heute den ersten «Bridget Jones»-Film aus dem Jahr 2001 anschaut, stellt fest: Dieser Film, diese Hauptfigur, das geht gar nicht. 

Der Zeitgeist hat sich doch sehr geändert im letzten Vierteljahrhundert. Sexueller Belästigung und Fat Shaming, wie es Bridget (Renée Zellweger) damals erlebt, setzen wir heute #MeToo und Body Positivity entgegen. 

Die Hand des Chefs auf dem Hintern

In den 2000ern war in der romantischen Komödie offenbar noch alles erlaubt. Hauptsache Happy End.

Die Anzüglichkeiten ihres Chefs und seine Hand auf ihrem Hintern führen zu einer heissen Affäre; die Zuschauerin feuert Bridget an und leidet mit ihr mit durch die Irrungen und Wirrungen ihres Liebeslebens, teilt ihre Zerrissenheit zwischen zwei Männern, begleitet sie von Zigi zu Zigi, von Hangover zu Hangover. Fühlt sich vielleicht getröstet, dass es einer anderen Frau noch schlechter geht als ihr selbst und dass sich am Ende doch alles zum Guten wendet. 

Der erste Liebhaber von Bridget (Renée Zellweger), den das Publikum in Film 1 kennenlernt: ihr Chef Daniel Cleaver (Hugh Grant).
Foto: imago/United Archives

Heute hinterlässt all das einen schalen Beigeschmack. Vor allem, wenn man weiss, dass es nicht nur romantisch veranlagte Zuschauerinnen waren, die in der vermeintlich zu dicken und zu einsamen, tollpatschigen Bridget eine neue Filmikone sahen. Auch die Filmbranche feierte den Film, wie zahlreiche Nominierungen und Auszeichnungen belegen.

Darum geht es im neuen «Bridget Jones»-Film

Bridget (51, Renée Zellweger) ist Mutter zweier Kinder und seit vier Jahren verwitwet. Als sie sich auf den viel jüngeren Roxster (29, Leo Woodall) einlässt, beginnt sie, ihr Leben wieder zu leben, statt nur zu überleben, wie ihr verstorbener Vater ihr geraten hat. Die Besetzung von «Mad About the Boy» (dt. «Verrückt nach ihm») vereint viele bekannte Gesichter, allen voran Hugh Grant als Daniel Cleaver oder Emma Thompson als Gynäkologin Dr. Rawlings. Doch es ist der neue Lehrer Mr. Wallaker (Chiwetel Ejiofor), der Bridgets Herz erobert, nachdem sie ihre Beziehung mit Roxster beendet hat.

keystone-sda.ch

Bridget (51, Renée Zellweger) ist Mutter zweier Kinder und seit vier Jahren verwitwet. Als sie sich auf den viel jüngeren Roxster (29, Leo Woodall) einlässt, beginnt sie, ihr Leben wieder zu leben, statt nur zu überleben, wie ihr verstorbener Vater ihr geraten hat. Die Besetzung von «Mad About the Boy» (dt. «Verrückt nach ihm») vereint viele bekannte Gesichter, allen voran Hugh Grant als Daniel Cleaver oder Emma Thompson als Gynäkologin Dr. Rawlings. Doch es ist der neue Lehrer Mr. Wallaker (Chiwetel Ejiofor), der Bridgets Herz erobert, nachdem sie ihre Beziehung mit Roxster beendet hat.

«Bridget Jones's Diary» (2001, dt. «Schokolade zum Frühstück») und «Bridget Jones: The Edge of Reason» (2004, dt. «Am Rande des Wahnsinns») erzählen von der Suche einer Single-Frau Anfang 30 nach der grossen Liebe. Als sie zu Beginn des zweiten Films endlich in einer festen Beziehung ist, sieht sie ihr Leben auf Kurs: «Life’s on track. Fiancé, wife, mother.» Die nächsten Schritte sieht sie klar vor sich. Bridget sucht Erfüllung in der traditionellsten aller Rollen. 

Der dritte Teil erschien 2016: «Bridget Jones's Baby». Mittlerweile 43, ist Bridget immer noch tollpatschig, immer noch kommentieren andere ihr Gewicht, und wieder buhlen zwei Männer um sie – diesmal nicht nur als Liebhaber, sondern auch als Vater ihres ungeborenen Kindes. Neu ist, dass sie ihr Tagebuch digital führt. 

Teil 3 geht gleich aus wie die beiden Vorgänger: Bridget und Mark Darcy (Colin Firth) finden (wieder) zueinander. Sie haben ein Kind und heiraten. Das ultimative Happy End im Filmgenre der RomComs. 

Doch Helen Fielding (66), Erfinderin der Figur Bridget Jones, deren Erlebnisse sie zunächst in einer Kolumne und später in Büchern beschrieb, beliess es nicht dabei: Bereits 2013 liess sie in der Fortsetzung «Mad About the Boy» Mark Darcy sterben, was bei Bridget-Fans für Empörung und Trauer sorgte. Seit dieser Woche läuft der Film (dt. «Verrückt nach ihm») zum Buch in den Kinos. 

Nervosität vor dem Wiedersehen mit Bridget

Vor dem Wiedersehen mit Bridget macht sich eine leichte Nervosität breit: Treffen wir in Teil 4 auf eine vertraute Freundin, mit der sich die Bridget-Jones-Zuschauerin der ersten Stunde verbunden fühlt? Oder haben wir uns entfremdet, weil Bridget und der Humor der Filmreihe in den Nullerjahren stecken geblieben sind? 

Vorneweg: Die fiktive Figur der mittlerweile 51-jährigen Bridget Jones hat das vergangene Vierteljahrhundert mitgemacht. Als ihr Vorgesetzter zu ihr sagt: «You look hot», weist sie ihn darauf hin, dass ein solcher Spruch nun wirklich fehl am Platz sei. (Weiss er: Er spielte auf allfällige Hitzewallungen an.) Und – hurra! – ihr Körpergewicht ist im neuen Film kein Thema (selbst wenn auch Teil 4 nicht ohne Szenen auskommt, in denen Bridgets Hintern die Hauptrolle spielt). Ganz zeitgeistig schreibt die Witwe ihr Tagebuch nun wieder von Hand. 

Die aktuelle Bridget ist eine Frau unserer Zeit.

Sie bleibt am liebsten im Pyjama

Doch die zweifache Mutter ist seit dem Tod ihres Mannes vor vier Jahren vom Leben überfordert. Ihre Kinder Billy und Mabel begleitet sie im Pyjama zum Schultor. Angesichts all der perfekten «Ich habe alles jederzeit im Griff»-Über-Mütter, denen sie dort begegnet, schlägt sich die Zuschauerin, die die vielen Anforderungen eines vollen Lebens nur zu gut kennt, sofort ins «Team Bridget». 

Ihr Familienglück mit Mark Darcy währte nicht lange: In Film 4 ist Bridget alleinerziehende Witwe.
Foto: keystone-sda.ch

Eine Konstante in Bridgets Leben sind die Ratschläge von Familie, Freundinnen und entfernteren Bekannten, die sie unerbeten erhält. Diesmal schallt es ihr unisono entgegen: «Get laid!», «Hab Sex!». Tatsächlich findet Bridget zurück ins Leben, als sie sich auf eine Affäre mit dem noch nicht einmal 30-jährigen Roxster einlässt. Sex katapultiert sie zurück ins Rampenlicht (buchstäblich, ein klassischer Bridget-Jones-Fettnapf), und ihr Sexleben bringt ihr Anerkennung und ein neues Image in ihrem Bekanntenkreis. 

Der sexualisierte Männerkörper

Gab es in den ersten Bridget-Filmen lüsterne Blicke auf ihr Décolleté, auf ihren kaum verhüllten Körper in ihren Zu-sexy-fürs-Büro-Kleidern, so sind es in Teil 4 Männerkörper, die sexualisiert sind. Payback Time? Urkomisch die Szene, als Roxster in Slow Motion und durchsichtigem Hemd triefend nass aus dem Pool steigt und alle Partygäste ihn anstarren. Und ebenso überzeichnet der Moment, als Bridget den Naturkundelehrer Mister Wallaker oben ohne sieht und wie vom Blitz getroffen mit offenem Mund stehen bleibt. 

Das Wiedersehen mit Bridget war emotional und schön, und es ist gut, dass Bridgets Geschichte weitererzählt wird – denn sie ist die Geschichte von vielen, mit ihrer Überforderung, ihrer Lebenslust, ihren langjährigen Freundschaften, der Trauer um Eltern, ihren gescheiterten Beziehungen und vielem mehr. 

Auch wenn Bridget Jones auf ihrer Reise mehr Sixpacks begegnet und sie in mehr skurrile Situationen gerät als die durchschnittliche Zuschauerin: In ihren Selbstzweifeln, Ängsten und Träumen erkennen wir uns wieder. Insofern: Danke, Bridget, dass du uns auf eine 20-jährige Reise mitgenommen hast. Nun wünschen wir dir ein – dauerhaftes – Happy End.

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