Weisse Sneakers
Einst provokativ, heute zeitlos – und schon fast bünzlig

Brad Pitt trägt weisse Sneakers auf dem roten Teppich, Zendaya hat sie in den Modeolymp gehievt – jetzt gehören sie zur Uniform der ZKB-Banker: Weisse Sneakers sind überall. Wie sie vom Trendschuh zum Alltags-Klassiker geworden sind.
Publiziert: 12.10.2024 um 12:09 Uhr
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Aktualisiert: 14.10.2024 um 08:43 Uhr
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Brad Pitt (r.) in weissen Sneakers am Filmfestvial Venedig mit Schauspielkollege George Clooney.
Foto: Getty Images

Auf einen Blick

  • Weisse Sneakers sind ein zeitloser Klassiker
  • Brad Pitt und Joschka Fischer prägten diesen Look
  • Seit 2019 steigt der Anteil weisser Sneakers bei Galaxus
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Katja RichardRedaktorin Gesellschaft

Im Anzug, mit weissen Sneakers: So präsentierte sich Brad Pitt (60) kürzlich auf dem Filmfestival in Venedig. Er ist der Inbegriff dieses Looks: ein Mann mittleren Alters, dynamisch und mit einem Hauch von Rebellion.

Eine Provokation ist ein solcher Auftritt allerdings längst nicht mehr. Was einst auf dem roten Teppich oder in den Vorstandsetagen als kontrovers galt, ist im Mainstream angekommen. Erst vor einigen Wochen wurde bekannt, dass die Zürcher Kantonalbank ihre Kleiderordnung für Mitarbeitende im Kundenkontakt gelockert hat. Statt dem klassischen dunkelblauen Anzug besteht der neue Unisex-Look aus beigefarbenen Chinohosen, einem hellen Hemd und – weissen Sneakers!

Der neue Dresscode bei der ZKB: Chinos mit blütenweissen Sneakers.
Foto: ZKB

Für den Stil-Experten Jeroen van Rooijen (54) ist das bedauerlich: «Damit ist der weisse Schleicher auf der Stufe Bürogummi angekommen.» Denn grundsätzlich seien die weissen Treter doch recht praktisch: «Sie gehen fast immer, zu fast allem. Das entspricht also der typisch männlichen Tendenz zu praktischen Lösungen.»

Vom Streetstyle zum Klassiker

Aber wie haben die Turnschuhe, die einst auf den Tennisplätzen zu Hause waren, den Wandel vom coolen Streetstyle zum etablierten Klassiker geschafft? Ein Blick zurück. 1985 sorgte Joschka Fischer, damals 37 Jahre alt und der erste grüne Minister im Deutschen Bundestag, für Aufsehen, als er seinen Amtseid im Anzug und weissen Nikes schwor. Der Auftritt löste heftige Reaktionen aus. Während die Konservativen den Look als respektlos kritisierten, wurde Fischer von anderen für seinen mutigen Stil gefeiert: Hier kam jemand, der mit althergebrachten Konventionen brach.

Der Turnschuhminister: So nannte man Joschka Fischer (r.) 1985 nach seinem Amtseid in weissen Sneakers.
Foto: Keystone

Prägend war auch der minimalistische Stil von Apple-Gründer Steve Jobs (1955–2011). Seine Visionen präsentierte der Tech-Milliardär Anfang der 2000er-Jahre stets im schwarzen Rollkragenpullover, meist von Issey Miyake, mit blauen Levi's-501-Jeans und weissen Sneakers, typischerweise von New Balance. Dieser minimalistische und funktionale Look wurde zur Uniform fürs Silicon Valley und fand bald seinen Weg in die Vorstandsetagen.

Ikonischer Look: Apple-Chef Steve Jobs in Jeans und Sneakers.
Foto: Getty Images

Neue Wirtschaftselite: So mächtig ist Weiss

Der ikonische Stil markierte den Beginn einer neuen Ära der Wirtschaftselite: Statt in handgenähten Lederschuhen Zigarren zu rauchen und bei Whisky zu debattieren, zeigte man sich dynamisch und agil. Die Zeiten der sogenannten Frühstücksdirektoren waren endgültig vorbei; moderne CEOs trifft man bis heute in aller Frühe beim Joggen oder beim Workout. Das ist auch Ausdruck eines neuen Gesundheitsbewusstseins. Die Anzüge sind zwar weiterhin massgeschneidert, aber enger geschnitten und oft mit T-Shirts kombiniert, um Agilität und Fitness zu betonen – dazu passen die blütenweissen Sneakers perfekt.

Die Wirtschaftselite kommt auf weissen Sohlen: Stadler-Chef Peter Spuhler.
Foto: Keystone

Laut Jeroen van Rooijen war der Urtyp des hellen Sportschuhs ein Vorbote des sogenannten «Quiet Luxury». Was versteht man unter stillem Luxus? «Es ist ein unaufdringliches und zeitloses Design in hoher Qualität, das ohne grosse Logos auskommt», erklärt er. Das ist zwar oft genauso hochpreisig, aber nicht protzig. Der Mode-Experte: «Zu den ersten Sneakers dieser Art gehört das reinweisse Ledermodell von Common Projects. Ohne Logo oder Branding. Der war so erfolgreich, dass auch die klassischen Hersteller ähnliche Modelle lancierten.»

Weiss ist die Farbe des Wohlstands

Weiss prägt diesen Trend nicht von ungefähr. Es ist die Farbe des Wohlstands. Vor nicht allzu langer Zeit konnten sich nur feine Leute weisse Hemden und Kleider leisten, die nur schwer sauber zu halten waren – meist kümmerten sich Bedienstete darum. Genauso war sportliche Betätigung zunächst ein Privileg der wohlhabenden und adligen Schicht. Denn wer zehn Stunden in der Fabrik schuftete, brauchte keine weitere Leibesertüchtigung. Es war die Oberklasse, die sich beim Tennis, Cricket, Fechten und Reiten vergnügte – zumeist in Weiss. Bis heute trägt man beim Polo, Segeln, Golfen und im Tennis bevorzugt helle und weisse Töne – Symbol der Privilegierten und der High Society.

Von Prinz Albert geadelt: auf dem roten Teppich der Laureus Charity Night 2018 in Monaco.
Foto: DUKAS

Endgültig geadelt wurden die weissen Sneakers von Fürst Albert von Monaco (65). Bei der Laureus Charity Night betrat er 2018 den roten Teppich mit Smoking und blütenweissen Sportschuhen. Unter dem Motto «Sneakers for Good» wurde die Kombi auch bei der Ausgabe der Schweizer Laureus-Gala populär – Moderator Rainer Maria Salzgeber (55) präsentiert die hochklassige Gala jeweils in weissen Sportschuhen, und viele der illustren Gäste tun ihm die Kombi aus Smoking und Sneakers nach.

Tennis-König Roger Federer ist mit seiner eigenen Kollektion beim Schweizer Hersteller On eingestiegen.
Foto: DIANE DESCHENAUX

Boom dank King Roger

Nicht zu vergessen, unser King Roger Federer (43). Seit er bei der Schweizer Erfolgsmarke On eingestiegen ist, hat die Tennislegende mehrere «The Roger»-Kollektionen lanciert – mit Erfolg. Laut Pressestelle gehört sie zu den am schnellsten wachsenden Produktreihen. On-Kommunikationschefin Alexandra Bini: «Es ist ein zeitloser Klassiker bei Männern und Frauen.» Verstärkt habe sich die Nachfrage durch den sogenannten Tenniscore-Trend und den Film «Challengers – Rivalen». Darin spielt Zendaya (28) die Hauptrolle. Sie zählt zu den Hollywoodikonen der neuen Generation – und seit diesem Sommer ist sie auch Werbebotschafterin des Zürcher Turnschuh-Herstellers.

Hollywoodstar Zendaya hat den Tenniscore-Trend populär gemacht.
Foto: GC Images

Eine Nachfrage bei Galaxus bestätigt den Boom. Der Anteil der weissen Sneakers wächst beim Schweizer Onlinehändler seit 2019. Dieses Jahr machen die weissen Turnschuhe fast ein Drittel des Turnschuh-Sortiments aus. Bei der Auswertung wurden reinweisse Sportschuhe berücksichtigt – also ohne grüne Lasche oder rotes Logo. Nach Alter zeigt sich, dass insbesondere jüngere Kundinnen und Kunden gerne weisse Sneakers kaufen, jedoch sind die Schuhe über alle Altersgruppen hinweg beliebter geworden – mit Ausnahme der über 55-Jährigen.

Sneaker-Kenner: Toto Morand führt seit 30 Jahren das Fachgeschäft Pomp It Up.
Foto: Keystone
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Als Trend schon überholt

Einer, der sich mit den Trends im Sneaker-Bereich bestens auskennt, ist Toto Morand (60). Vor 30 Jahren hat er Pomp It Up gegründet – die Adresse für den sportlichen Streetstyle. Bis 2020 war er Händler für Nike, bis die Marke auf Direktvertrieb umstieg und den Einzelhändlern kündigte. Morand setzte darum auf Adidas und war in Europa einer der Ersten, der die Modelle Samba und Gazelle in seinen Geschäften im Angebot hatte – Letztere sind übrigens die Lieblingssneakers von Brad Pitt. «Weisse Sneakers sind inzwischen ein Klassiker», so Morand. Überholt werden sie von einem neuen Trend. «Seit einem Jahr verkaufen wir sehr viele Farben, so bunt wie Bonbons, von Violett, Grün, Gelb, Rot bis Pink. Ich laufe momentan in rosa Sneakers rum.»

Stil- und Modeexperte Jeroen van Rooijen.
Foto: Nightnurse Images

Ist es also vorbei mit den weissen Sneakers? Mode-Experte van Rooijen verneint: «Sie sind nicht mehr wegzudenken. Wo man hinschaut, sieht man mittelalterliche und nicht mehr ganz junge Männer in reinweissen Sneakers. Meist zu Chinos und Jeans. Die Kombi mit dem Anzug ist seltener geworden – das ist dann doch wie die Faust aufs Auge.» Ausziehen und archivieren muss man die weissen Sneakers also nicht: «Man darf sie ruhig zu Ende tragen, bis sie grau sind und ihren Zenit überschritten haben», so van Rooijen. Die Frage sei, was kommt danach? «Ich empfehle Caramel- und Cappuccino-Töne. Die Sneakers bleiben. Viele Männer haben keine Lust mehr, steife Lederschuhe zu tragen. Sie halten das nicht mehr aus.»

Modische Aneignung: Der britische Ex-Premier Rishi Sunak sorgte im Trend-Sneaker-Modell Samba von Adidas für Aufruhr.
Foto: Instagram

Provokation in der Politik

Ganz ohne Provokation sind Sneakers aber noch immer nicht. Als der britische Ex-Premier Rishi Sunak (44) im vergangenen Frühling in einem Paar Adidas Samba zum Interview erschien, erntete er Spott und Kritik. Schliesslich kennt man den konservativen Politiker sonst nur in Lackschuhen und Loafers zum Massanzug. Für viele eine Anbiederung und falsche Volksnähe und – noch schlimmer – womöglich der modische Todesstoss für den Trend-Sneaker.

Der Stil-Experte van Rooijen beruhigt: «Immerhin trägt Donald Trump noch keine weissen Sneakers zum Anzug. Wenn das passiert, muss man handeln und Ersatz beschaffen.»

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