In der Blick-Serie «Grün und Günstig» zeigen Menschen aus der Schweiz, wie sie ihren Alltag in Bereichen wie Essen, Kleider, Reisen oder Einrichten nachhaltig konsumieren. Ganz ohne dafür viel Geld in die Hand zu nehmen.
230 Franken. So wenig Geld haben Emma Croci (22), Merlin Spreyermann (21) und Mara Vea (22) für die Einrichtung ihres WG-Wohnzimmers ausgegeben. Vom roten Knautschsofa, über den Teppich, bis zu den riesigen Kunstpostern an der Wand – die ganze Einrichtung in der Stube ist aus zweiter Hand. Gefunden auf Onlineverkaufsplattformen, in der Telegrammgruppe «Unkommerzieller Marktplatz», in Brockenhäusern oder am Strassenrand.
Einrichtungshaus-Möbel sind zu langweilig
Für die drei Freunde ist Secondhand ein Lebensgefühl, Teil ihrer Identität. Etwa 80 Prozent ihrer gesamten WG-Einrichtung kommt aus zweiter Hand. Geld zu sparen und die Umwelt zu schonen ist für sie eine wichtige Motivation bei der Einrichtung, aber nicht die einzige: «Ich liebe es, nach besonderen Einrichtungsgegenständen Ausschau zu halten und sie dann mit etwas Glück zu finden», erzählt Datenwissenschaft-Praktikantin Emma Croci. «Ich fände es langweilig, einmal ins Einrichtungshaus zu fahren und dann mit 0815-Möbel zu leben.»
Das Trio postet jeweils im WG-Chat Links oder Fotos von Möbeln, die sie aufgestöbert haben und entscheiden dann, ob sie zuschlagen. Um den zeitlichen Aufwand kleinzuhalten, haben sie auf den Online-Plattformen Suchabos für Möbel aus ihrer Nachbarschaft im Zürcher Kreis 10. Ein Möbelstück, das nur günstig und praktisch ist, wird es nicht in die WG schaffen, es soll zum Stil passen, den die drei auf einem Pinterestboard festhalten.
Auch Kleider aus zweiter Hand
Selbst die meisten Kleider der WG-Bewohner sind nicht neu. Wofür man sich in früheren Generationen schämte, ist heute angesagt – auch weil das Wissen über die verheerenden Arbeitsbedingungen und Klimaschädlichkeit der «Fast Fashion»-Industrie da ist. Selbst Jus-Student Merlin eckt entgegen dem Klischee mit seinen gebrauchten Sachen nicht auf dem Campus an: «Es ist heute normal, als Jus-Student Secondhand zu tragen. Es hat mich deswegen noch nie jemand schräg angeschaut», sagt er, während er in seinem minimalistisch eingerichteten Zimmer seine Kleiderstange zeigt.
Beim Sofatransport knallte es
Der Nachteil bei der Einrichtung mit gebrauchten Möbeln ist der zeitliche Aufwand. Die WG wird erst nach und nach eingerichtet und die Abholung der Stücke will gut geplant sein. Meistens nutzen sie für die Abholungen den öffentlichen Verkehr. Ihren Holzschreibtisch hat Emma Croci mit einer Freundin ausserhalb der Pendlerzeiten im Niederflurtram nach Hause transportiert. «Der Verkäufer hat etwas ungläubig geschaut», sagt sie lachend. Nicht immer läuft alles nach Plan und Budget: Beim Sofaabholen mit dem Mietauto knallte es auf dem Parkplatz: Minus 100 Franken in der WG-Kasse für einen kaputten Seitenspiegel. Immerhin hatte das Sofa nur einen Franken gekostet.
Tipp für Secondhand-Instrumente
Trotz Hindernissen – für Mara Vea zahlt sich Secondhand aus. In ihrem Zimmer hat sie kein einziges neues Möbelstück. Auch die meisten Pflanzen hat sie selber vermehrt. Ihre kleine Aloe vera ist der Spross einer Pflanze, die ihr Mitbewohner Merlin an der Langstrasse ausgesetzt gefunden hat. Secondhandkleider, die nicht ganz passen, schneidert sie mit ihrer Nähmaschine um. «Ich bin damit aufgewachsen, zuerst im Brocki zu schauen, bevor man sich etwas Neues anschafft», erzählt sie in ihrem Zimmer mit Blick auf die Tramschiene. Die Musikerin, die in der Band Nico and The Tera Band spielt, kauft auch Instrumente am liebsten gebraucht. Ihr Tipp dafür ist Yeahman's in Bern.
Schrank mit berührender Geschichte
Mara Vea mag es, wenn sie die Geschichte hinter den Secondhandstücken kennt. «Ich schätze die Stücke dann mehr», sagt sie. Eine Geschichte ist ihr besonders wichtig. Die 22-Jährige zeigt auf einen hölzernen Schrank, der fast eine ganze Zimmerwand abdeckt: «Jedes Mal, wenn ich ihn anschaue, denke ich an einen guten Freund. Der Schrank wurde von seinem verstorbenen Vater geschreinert. Ich passe auf den Schrank auf, bis mein Freund ihn wieder zurückhaben möchte.»
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