Ein Skigebiet ohne Schnee. Eine verschwundene Braut, ein Selbstfindungsseminar für Männer, ein Paar in der Krise, ein Karnevalsmonster, Murmeltierjäger und ein Gletscher kurz vor dem Absturz: In der neuen, sechsteiligen Serie «Die Letzten ihrer Art» aus dem Wallis befindet sich eine alpine Gemeinschaft in einem apokalyptischen Szenario.
Hinter der Idee steckt der belgisch-schweizerische Regisseur Bruno Deville (48). Inspiriert hat ihn ein Foto, das im Dezember vor ein paar Jahren aufgenommen wurde. Es zeigt einen stillstehenden Skilift und eine grüne Wiese mitten im Winter. «Weihnachten ohne Schnee, das ist doch absurd, insbesondere in den Bergen», erinnert sich Deville an seine Reaktion auf die Aufnahme. «Meine Freunde aus Belgien haben die geplante Reise ins Wallis abgesagt.»
Bräute und Murmeltiere
Er begann, ein Skript zu entwickeln. «Der Klimawandel wird spür- und sichtbar. In den tiefer gelegenen Skiregionen müssen viele ihre Lifte schliessen. Das wollte ich thematisieren.» Dabei war es ihm wichtig, nicht mit dem erhobenen Zeigefinger auf die aktuellen Probleme zu zeigen, sondern mit Humor. «Wenn man tief in der Misere steckt, ist Lachen eine Rettung», sagt er.
Inspiration für die Serie war für Deville auch der französische Kultfilm «Sonne, Sex und Schneegestöber» (Original: «Les bronzés font du ski») von 1979. Es war eine Zeit, in der man noch unverhohlen dem Überfluss und Luxus frönte.
Der Spass im Schneegestöber ist vorbei. Geblieben ist der Sex. In den ersten beiden Minuten der Serie gehts gleich zur Sache: «Diese Entblössung zeigt das Gerüst für die Beziehung von Tiffany und Victor. Sie sind die Katalysatoren der Erzählung», sagt Deville. Die Szene zeigt, dass nicht nur das Klima, sondern auch die Rollenbilder von Mann und Frau im Wandel sind. Während Tiffany (Émilie Charriot) mit den «Bräuten» feiert und eine Affäre mit einem Stripper beginnt, leitet Victor (Vincent Veillon) eine Männergruppe namens Murmeltiere – alle sind auf der Suche nach einer neuen Identität.
Der Humor kommt über den Röstigraben
Neben Vincent Veillon (38) spielt auch Vincent Kucholl (48) in der Serie mit. Kucholl wurde in der Deutschschweiz durch seine Hauptrolle an der Seite von Beat Schlatter (63) in der Erfolgskomödie «Bon Schuur Ticino» bekannt. In der Romandie sind Vincent et Vincent als Satiriker-Duo berühmt, mit den Formaten «120 secondes» und «52 minutes» auf RTS.
Das Duo tritt übrigens auch in der Walliser Serie «Tschugger» auf. Deville war es wichtig, die beiden nicht als Satiriker, sondern als Schauspieler einzusetzen. «Also ohne falsche Schnäuze und Perücken – ich möchte sie mehr in einem cineastischen Kontext zeigen. Sie bringen das Publikum zum Lachen, aber auch zum Weinen», sagt der Regisseur.
Für Vincent Veillon war die Begegnung mit Bruno Deville die beste Gelegenheit, um aus seinen gewohnten Mustern auszubrechen. «Mein Werdegang bestand aus Sketchen und Animation. Für die Dreharbeiten musste ich hart arbeiten; ich habe gelernt, etwas wegzulassen, zu vereinfachen, eine Sensibilität zu suchen, die mir näher ist, und nicht eine Maske aufzusetzen, um die Figur zu spielen», sagt er. Ein Stück weit erkennt er sich auch in der Rolle von Victor und dessen Wunsch nach Veränderung: «Ich werde bald 40, habe drei Kinder, bin beruflich sehr beschäftigt und habe Lust auf neue Projekte. Seit kurzem bin ich in Therapie und liebe es, meine inneren Abgründe zu erforschen.»
Veillons Traum ist es, Regie zu führen. «Die Idee ist, einen satirischen Western zu drehen, ähnlich wie ‹Fargo›, aber im Kanton Waadt. Ich möchte, dass es verrückt wird und begeistert.» Das verspricht weiterhin viel Humor, der über den Röstigraben zu uns kommt.
«Die Letzten ihrer Art» wurde am 10. August am Locarno Film Festival als Weltpremiere und erste Schweizer Serie in der offiziellen Auswahl von Locarno gezeigt. Die Serie ist vom 10. August bis 9. September auf der kostenlosen SRG-Streamingplattform Play Suisse verfügbar, auch synchronisiert auf Deutsch.