Nach dem Kinofilm auf der Bühne
Zwei Schweizer erzählen live über Entführung durch Taliban

Was als Traumreise anfing, endete als Albtraum: Daniela Widmer (42) und David Och (44) wurden über acht Monate als Geiseln der Taliban in Pakistan festgehalten. 14 Jahre später erzählt das ehemalige Paar seine Geschichte auf der Bühne – als Live-Reportage bei Explora.
Publiziert: 21.01.2025 um 18:28 Uhr
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Entlang der Seidenstrasse im eigenen VW-Bus: Im Mai 2011 befinden sich Daniela Widmer (42) und David Och (44) noch in der Türkei.
Foto: Zvg

Auf einen Blick

  • Daniela Widmer und David Och erzählen von ihrer Zeit als Taliban-Geiseln
  • Das Paar wurde 2011 in Pakistan entführt und flüchtete nach 259 Tagen
  • Premiere ihrer Vortragsreihe am 19. Januar in Zürich
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Katja RichardRedaktorin Gesellschaft

Ausnahmsweise stehen Daniela Widmer (42) und David Och (44) gemeinsam im Rampenlicht. «Für uns ist der Auftritt mit Explora eine Möglichkeit, das Erlebte aus unserer Perspektive zu erzählen», sagt Daniela Widmer. «Und natürlich ist es wichtig, die richtige Tonalität zu finden und respektvoll mit diesem Thema umzugehen.» Das ehemalige Paar erlangte als Geiseln ungewollte Berühmtheit, über acht Monate wurden sie von den Taliban festgehalten, bis ihnen die Flucht gelang.

Auch wenn viel Zeit vergangen ist – ein so einschneidendes Erlebnis wie eine Entführung begleitet ein Leben lang. «Es kommen immer wieder Gedanken daran hoch, aber nicht mehr so oft und nur kurz. Damit kann ich umgehen», sagt Daniela Widmer. Sie ist inzwischen Mutter und waltet seit acht Jahren in Bellikon AG als Gemeindeammann. Der ehemalige Kantonspolizist David Och hat Psychologie und Kriminologie studiert und arbeitet heute als Drohnentechniker im Kanton St. Gallen, wo er mit seiner Frau und zwei Kindern lebt.

Reise entlang der Seidenstrasse endet mit Überfall

500 Leute sitzen heute beim ersten Vortrag im Publikum, wenn Daniela Widmer und David Och von ihrer anfangs abenteuerlichen Traumreise erzählen: entlang der alten Seidenstrasse im eigenen Bus. Diese endete abrupt am 1. Juli 2011 in Pakistan. Das Paar wird nahe der Stadt Loralai von einer Gruppe Männer überfallen und zu den Taliban verschleppt. Aus Angst, noch lange in Geiselhaft zu bleiben oder gar zu sterben, planten sie ihre Flucht – nach 259 Tagen glückte ihnen diese.

Der Empfang in der Schweiz im März 2012 war kühl. Dem Paar wurde Leichtsinn vorgeworfen, die Entführung sei selbst verschuldet gewesen. Zudem wollte ihnen zunächst niemand glauben, dass ihnen die Flucht aus der Taliban-Hochburg eigenständig gelungen war. Das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) betonte, dass keine Lösegeldzahlung geleistet wurde. Es bestätigte lediglich die Zusammenarbeit mit den pakistanischen Behörden, ohne Details zu dessen Rolle bei der Befreiung zu nennen.

Seither ist das Verhältnis zur Öffentlichkeit der ehemaligen Geiseln gespalten, beide leben zurückgezogen und wählen ihre medialen Auftritte sorgfältig aus. Im Auftrag des EDA tourten sie im Rahmen von Präventionsmassnahmen mit Vorträgen durch die Schweiz – als Gegenleistung für die Kosten ihrer Heimführung. «Jetzt treten wir zum ersten Mal öffentlich in der Schweiz auf», sagt Widmer.

Nach Kinofilm: Live-Auftritte als Schritt der Verarbeitung

2013 veröffentlichten die beiden ihren Erlebnisbericht «Und morgen seid ihr tot: 259 Tage als Geiseln der Taliban», daraus entstand 2021 der gleichnamige Kinofilm von Regisseur Michael Steiner. Warum jetzt die Live-Reportage? «Explora hat uns schon vor zwei Jahren angefragt, wir haben uns mit der Zusage Zeit gelassen», sagt Daniela Widmer. «Jetzt bin ich überzeugt, dass das Thema noch immer interessiert und spannende Einblicke gibt.» Ums Geld geht es dabei nicht: «David und ich haben beide unsere Jobs, und wir investieren viel Zeit und Herzblut für den Auftritt. Für uns ist es auch eine Gelegenheit, uns nochmals intensiv auszutauschen – auch das ist wieder ein Stück Verarbeitung.»

Der Veranstalter bestätigt die anfängliche Skepsis der ehemaligen Geiseln. «Weil sie keine klassische Reise zu erzählen haben», sagt Gabriel Gersch, Mitinhaber des Veranstalters Explora. «Bei uns geht es nicht nur um die schöne und romantische Seite der Welt, wir legen Wert auf Tiefgang und Authentizität.» Für Gersch ist es die brisanteste Geschichte, die sie in den letzten 20 Jahren präsentiert haben. «Es geht um ein Roadtrip-Abenteuer, Einblicke in eine ultrakonservative patriarchale Gesellschaft, die Persönlichkeiten islamistischer Geiselnehmer, Lösegeldverhandlungen, Vorwürfe und Schuldzuweisungen. Und um ein junges Paar, dessen Leben nach Monaten in Todesangst nie wieder das gleiche war.» Daniela Widmer betont: «Trotz der schwierigen Geschichte gibt es in unserem Vortrag auch leichte Momente und Anekdoten – genau das hat uns diese Zeit überstehen lassen.»

Mit ihrer Vortragsreihe «259 Tage – Unsere Zeit als Geiseln der Taliban» treten Daniela Widmer und David Och erstmals öffentlich in der Schweiz auf. Premiere ist heute, 19. Januar, in Zürich, gefolgt von elf weiteren Terminen in Städten der Deutschschweiz. 

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