«Der Vorverkauf lief viel besser als im letzten Jahr», sagt Thierry Ueltschi (47), OK-Präsident des Volkstheater Festivals Meiringen im Berner Oberland. Nach dem zweijährigen coronabedingten Ausfall des Festivals seien die Theaterbegeisterten noch etwas zögerlich an grössere Anlässe und Theateraufführungen gegangen, weiss Kantonspolizist Ueltschi. Er wirkt in seiner Freizeit seit Jahren selber in Theatergruppen mit und ist Mitbegründer der Theatergruppe «Glinggige» im Haslital. Dieses Jahr rechnet das OK-Team mit einer wesentlich höheren Besucherzahl für die acht Theatervorstellungen der ausgewählten Theatergruppen.
Ritterschlag für kleine Volkstheatergruppen
Neben dem Wettbewerb um die «goldenen Merengue» für die ausgewählten Theatergruppen bietet das Festival auch Workshops, Kino, sowie ein kulinarisches Angebot im temporären Theaterdorf. «Das Volkstheater Festival ist neben den Aufführungen zu einem beliebten Treffpunkt für Austausch und Vernetzung für die vielen Theaterbegeisterten aus der ganzen Schweiz geworden. Meiringen als beliebte Ferienregion mit dem einzigartigen Theater in der Tramhalle ist dafür prädestiniert», so Ueltschi.
Dem stimmt auch Katrin Brunner (61), langjährige Theaterschauspielerin und seit 2018 Präsidentin der Bühne Wehntal, zu. Für 2021 wurde die Bühne Wehntal aus dem Zürcher Unterland mit dem Stück «Sterben für Anfänger» für das Theaterfestival in Meiringen auserwählt. «Der Frust war gross, als wegen Corona das Festival abgesagt werden musste. Eine Einladung für die Aufführung am Volkstheater Festival kommt für kleine Volkstheatergruppen einem Ritterschlag gleich», sagt die Präsidentin der Bühne Wehntal.
Ehrgeizige Amateure für anspruchsvolles Publikum in den Gemeinden
Dieses Jahr wird sie nur im Publikum sitzen, sich einige der Aufführungen der ausgewählten Theatergruppen anschauen und sich mit anderen Theaterfreunden treffen. Sie hofft aber, dass die Bühne Wehntal in einem anderen Jahr doch noch Gelegenheit bekommt, statt in der Turnhalle im Zürcher Unterland auch einmal am Festival im Berner Oberland aufzutreten. Welchen Aufwand auch kleine Theatergruppen jeweils für ihre Aufführungen betreiben, weiss sie: «Wenn der letzte Vorhang fällt, starten schon die neuen Vorbereitungen durch die Stückwahlkommsion».
Momentan proben die Amateurschauspieler der Bühne Wehntal zweimal die Woche in der Freizeit mit der Profi-Regisseurin Brigitte Schmidlin für die neue Krimi-Komödie «Manuel» von Claudia Gysel. Vom Bühnenbild, über die Ton- und Lichttechnik bis zum Gastrokonzept muss von Vereinsmitgliedern alles rechtzeitig für die Premiere im September geplant und organisiert werden. «Wir haben den ehrgeizigen Anspruch, uns stetig weiterzuentwickeln, und haben ein anspruchsvolles Publikum. Auch ein Laientheater muss heute auf der Bühne einiges bieten. Mit Kaffee und Sandwich in der Pause gibt sich das Publikum nicht mehr zufrieden», weiss Brunner.
Hohe Kunst mit viel Aufwand und Herzblut
«Die Amateurszene im Theaterbereich wird unterschätzt», sagt auch Simone Brunner (53), letztjährige Gewinnerin mit Auszeichnung als beste Schauspielerin am Volkstheater Meiringen. Zusammen mit ihrem Ehemann Heinz Brunner stand sie 2022 mit der Zweierkiste «Runter zum Fluss» auf der Theaterbühne im einstigen Tramdepot von Meiringen, das renoviert und zum Theater wurde. Schon beim erstmaligen Volkstheater Festival 2019 stand Simone Brunner auf der Bühne und ist der Meinung, dass das Niveau der Aufführungen nochmals gestiegen sei und der Begriff Laientheater den auftretenden Theatergruppen nicht mehr gerecht werde.
Ein bisschen «Verchleiderlis» zu spielen reiche heute als Theatergruppe nicht mehr – auch wenn man in einem Kirchgemeindehaus, einer Turnhalle oder in einem Gemeindehaus in irgendeiner Gemeinde in der Schweiz auftritt. «Von den Requisiten, bis zum Bühnenbild oder wechselnden Profi-Regisseuren - was Theatergruppen heute auf den Bühnen zeigen, ist oft hohe Kunst mit viel Aufwand und Herzblut», so die erfahrene Schauspielerin Brunner.
«Goldene Meringue» im Wohnzimmer der letztjährigen Gewinnerin
Simone Brunner ist in einer theaterbegeisterten Familie aufgewachsen und stand schon im zarten Alter von vier Jahren auf der Bühne. Im Gegensatz zu vielen anderen Theaterschauspielerinnen verdient sie durch kleine Filmrollen, Werbung oder bei Theaterauftritten wie aktuell beispielsweise mit ihrem Ehemann Heinz Brunner auf Campingplätzen oder bei Privatanlässen etwas Geld mit der Schauspielerei. Hollywood hat bei ihr aber noch nicht angeklopft. Darauf hat Simone Brunner auch nie gehofft. «Es macht mir Spass, in Rollen zu schlüpfen und diese möglichst authentisch auf der Bühne zu spielen», sagt sie. Eines der besten Komplimente sei für sie, wenn sie als Mann verkleidet von Bekannten im Publikum nicht erkannt wird oder wenn sie als Bösewicht oder Mörderin auf der Bühne steht und im Anschluss daran hört, dass sie in ihrer Rolle das Publikum «genervt» hat.
Auch wenn die letztjährige Auszeichnung mit der «goldenen Meringue» Simone Brunner viel bedeutet und die Trophäe aus Meiringen in ihrem Wohnzimmer steht, sagt die Schauspielerin: «Das Sahnehäubchen nach all den Proben und jeder Aufführung ist für mich immer der Applaus des Publikums.»
Prämierung «Goldene Meringue» als abschliessender Höhepunkt
Neben acht ausgewählten Theateraufführungen in der Tramhalle finden am Volkstheater Festival Meiringen 2023 vom Mittwoch, 14. Juni bis Sonntag, 18. Juni wieder diverse Programmpunkte im Theaterdorf und im Kino Meiringen statt. Abschliessend ist am Sonntag die Prämierung mit der «Goldenen Meringue» in den Kategorien beste Schauspielerin, beste Inszenierung und beste Regie durch die Jury unter dem Präsidium von Schauspieler und «Volkstheater Festival-Pate» Beat Schlatter. Das ganze Programm und weitere Infos unter: www.volkstheaterfestival.ch