«Diese Leute tun mir ein bisschen leid»
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Alles fotografieren und filmen:«Diese Leute tun mir ein bisschen leid»

Knipsen statt erleben
Warum wir heute ständig alles fotografieren

Andauernd halten wir alles mit der Kamera fest, sei's beim Konzert, im Restaurant – oder bei der Beerdigung von Papst Franziskus. Medienpsychologe Thomas N. Friemel erklärt, warum Menschen jeden Moment ihres Lebens dokumentieren und teilen wollen.
Publiziert: 28.04.2025 um 21:04 Uhr
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Aktualisiert: 29.04.2025 um 08:20 Uhr
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Das sorgt für Diskussionen: Bei der Beerdigung von Papst Franziskus haben führende Politiker Fotos gemacht, darunter auch Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter (Bildmitte, zweite Reihe).
Foto: Screenshot

Darum gehts

  • Fotografieren dient als Beweis für Erlebnisse
  • Teilen von Fotos stärkt soziale Bindungen
  • Smartphone-Kameras verbessern sich ständig
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Ramona RosatiRedaktorin Gesellschaft

Als der Sarg von Papst Franziskus vergangenen Samstag an den Staatsgästen vorbei in den Petersdom getragen wurde, machte Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter (61) wie andere Würdenträger auch mit dem Handy ein paar Fotos. Warum dokumentieren und teilen Menschen heutzutage so viele Momente ihres Lebens – selbst in Situationen, die manchen unpassend erscheinen? Diese Frage hat Blick mit dem Medienpsychologen Thomas N. Friemel (48) besprochen. Er ist Professor für Mediennutzung und Medienwirkungen an der Universität Zürich.

Das Foto beweist: «Ich war hier»

Zum Reiz des Fotografierens sagt Friemel: «Fotografieren ist nicht nur eine Möglichkeit, den Augenblick zu bewahren, sondern auch, Emotionen festzuhalten. In gewisser Weise wird das Fotoalbum zur fotografischen Timeline unseres Lebens.»

Wir dokumentieren unsere Erlebnisse und teilen die Fotos mit anderen. «Wenn jemand den Eiffelturm fotografiert, ist das Bild nicht unbedingt einzigartig in seiner Qualität, aber es ist einzigartig in der Art, wie der Fotograf den Moment erlebt hat», sagt Friemel. In diesem Zusammenhang wird das Foto auch zu einem «Beweis» für uns selbst und für andere, dass wir an einem besonderen Ort waren. «Es ist eine visuelle Bestätigung: ‹Ich war hier.›»

Mit Fotos ein bisschen angeben

Heutzutage ist das Teilen von Fotos über soziale Medien fast genauso wichtig wie das Fotografieren selbst. Friemel sieht im Teilen von Bildern eine Form der sozialen Interaktion und Selbstdarstellung: «Fotos dienen nicht nur der Erinnerung. Sie sind ein Mittel, um zu zeigen, was wir erlebt haben – ein bisschen wie angeben, aber positiv formuliert: ‹Schaut her, was ich Tolles erlebt habe!›» In diesem Sinne kann das Teilen von Bildern als eine Form von «Bluffen» interpretiert werden: Wir präsentieren ein idealisiertes Bild von unserem Leben.

«Geteilte Freude ist doppelte Freude», sagt Thomas N. Friemel. Das Teilen von Fotos wird damit zur Möglichkeit, soziale Bindungen zu stärken.

Vom Szenischen zum Respektlosen

Szenische Bilder, wie zum Beispiel vom Petersplatz im Vatikan, sind in der Regel unproblematisch, da sie eine schöne Aussicht oder einen besonderen Moment festhalten. Doch wenn das Fotografieren oder Filmen beginnt, den Moment zu dominieren oder ihn zu inszenieren, kann dies die Authentizität des Erlebnisses beeinträchtigen. Dies kann zum Beispiel an Konzerten der Fall sein, wenn Fans versuchen, jedes Detail festzuhalten. «Es ist wichtig, sich bewusst zu entscheiden, wann und wie man Bilder macht», sagt der Medienpsychologe.

Die ständige Verbesserung der Technologie

Ein weiterer spannender Aspekt in der heutigen Fotografie ist die Technologie. Smartphone-Kameras werden immer besser. Dies zeigt, wie wichtig Fotografieren geworden ist. «Wenn Features von neuen Handys vorgestellt werden, dann ist die Kamera häufig im Zentrum», sagt Friemel. Hersteller reagieren damit auf die Nachfrage nach besseren Möglichkeiten, unsere Erlebnisse visuell festzuhalten.

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