Kommentar zum Handy-Foto beim Papst-Requiem
Die Klick-Klick-Sutter-Diskussion ist heuchlerisch

Die Klick-Klick-Sutter-Diskussion ist frömmlerisch und heuchlerisch. Papst Franziskus hätte mit Bildern im Gottesdienst kein Problem, wenn daraus später Taten entspringen. Ein Kommentar von Vatikan-Experte Raphael Rauch.
Publiziert: 27.04.2025 um 18:52 Uhr
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Aktualisiert: 27.04.2025 um 19:23 Uhr
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Die britische «Daily Mail» nimmt Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter ins Visier.
Foto: AFP

Darum gehts

  • Karin Keller-Sutter fotografierte bei Papst-Requiem, britische Presse kritisiert
  • Katholische Kirche lebt vom Visuellen, Fotos während Messe nicht skandalös
  • Wichtiger sind Taten als Äusserlichkeiten
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Raphael RauchBundeshausredaktor

Karin Keller-Sutter (61) hat es wieder in die angelsächsischen Medien geschafft: Nach dem Ende der Credit Suisse 2023 und dem Telefonat mit Donald Trump vor knapp drei Wochen interessiert sich die britische Presse erneut für die FDP-Magistratin. Der Grund: Die Bundespräsidentin hat während des Papst-Requiems ihr Handy gezückt und Fotos gemacht.

Die katholische Kirche lebt vom Visuellen

Ist das ein Skandal? Mitnichten! Die katholische Kirche lebt vom Visuellen. Anders als Judentum, Islam oder die Kirchen der Reformation kennt die katholische Kirche kein Bilderverbot. Und die katholische Liturgie lebt von Inszenierung und Dramaturgie.

Der Höhepunkt einer Messe ist, wenn Brot und Wein gewandelt werden. Hätte Keller-Sutter zu diesem Zeitpunkt das Handy gezückt, wäre das nicht sonderlich pietätvoll gewesen. Sie griff aber zum Handy, als der Sarg von Papst Franziskus (†88) weggetragen wurde und andere Staatsgäste klatschten oder ebenfalls Fotos machten. Liturgie-Puristen könnten sich genauso gut über das Klatschen aufregen: Joseph Ratzinger, der spätere Papst Benedikt XVI., warnte im Jahr 2000 noch vor Beifall im Gottesdienst – «religiöse Unterhaltung» gefährde das Wesen der Liturgie.

Hoffentlich hatte KKS auch offene Ohren

Papst Franziskus hätte für frömmelnde Eiferer, die sich über Handy-Fotos im Gottesdienst aufregen, sicher einen flotten Spruch übrig gehabt. Für ihn war die Kirche kein Museum, sondern ein lebendiges Haus, in dem Taten wichtiger sind als Äusserlichkeiten.

Zu hoffen ist, dass die Bundespräsidentin nicht nur offene Augen hatte, sondern auch offene Ohren. Die Predigt von Kardinal Giovanni Battista Re (91) lieferte Impulse, die der Schweizer Politik guttäten. Papst Franziskus hat sich «unermüdlich für die Geringsten und Ausgegrenzten» eingesetzt, sagte der Kardinal. Franziskus stand für eine «Kultur der Begegnung und der Solidarität».

Eine Erinnerung für die Realpolitik

Keller-Sutter gehört einer Partei an, die den Familiennachzug von Flüchtlingen infrage stellt und bei der Entwicklungshilfe und Sozialangeboten den Rotstift ansetzt. Als Bundesrätin ist sie für die Grenzsicherheit zuständig, die jeden Tag mit Flüchtlingen zu tun hat.

Wie lässt sich Franziskus’ Botschaft innerhalb der Zwänge der Realpolitik umsetzen? Ein Foto auf dem Handy kann als Erinnerung dienen, sich über diese Frage immer wieder neu den Kopf zu zerbrechen.

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