«Sterilisation verweigern? Das ist unfair»
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Interview mit Aktivistin:«Sterilisation verweigern? Das ist unfair»

Interview mit Sterilisations-Aktivistin Susanne Rau
«Nur fünf Prozent empfinden Reue»

Susanne Rau (34) hat in Deutschland den Verein Selbstbestimmt steril gegründet und unterstützt Frauen, die sich eine Sterilisation wünschen. Ein Gespräch über den fehlenden Kinderwunsch, Reue und Zeugungsfähigkeit.
Publiziert: 01.04.2023 um 14:55 Uhr
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Aktualisiert: 01.04.2023 um 15:02 Uhr
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Susanne Rau (34) hat den Verein Selbstbestimmt steril gegründet.
Foto: Anna Roters, Bildserie «Motherhood»
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Karen SchärerTeamlead Gesellschaft

Wie beschreiben Sie den gesellschaftlichen Blick auf Mutterschaft?
Susanne Rau: Für die Gesellschaft gehört sie zum Leben. Vielen passiert die Mutterschaft einfach, ohne dass sich die Frau ernsthaft Gedanken gemacht hat, ob sie Kinder will. Kinder zu haben, gilt als etwas Natürliches, umgekehrt haftet fehlendem Kinderwunsch etwas Unnatürliches an.

Frauen mit Sterilisationswunsch wird oft spätere Reue prophezeit.
Studien zeigen, dass nur etwa fünf Prozent der kinderlosen, sterilisierten Frauen Jahre danach Reue empfinden. Warum sollte man auf dieser Basis den restlichen 95 Prozent die Sterilisation ebenfalls verweigern?

Wird Frauen das Recht genommen, über ihren eigenen Körper zu entscheiden, wenn die Sterilisation verweigert wird?
Das würde ich unterschreiben. Zugegeben: Es kann vorkommen, dass sich jemand erst seit kurzem mit der Sterilisation beschäftigt und in ein Beratungsgespräch kommt. Andere Personen mit Uterus wissen aber seit dem Kindergarten, dass sie nie eigene Kinder wollen. Das wird in den Arztpraxen einfach weggewischt. Und das Schlimmste ist: Die Problematik, keine Sterilisation zu bekommen, beschränkt sich nicht auf Kinderlose.

Wie meinen Sie das?
Es wäre ein Trugschluss zu glauben, ab einem gewissen Alter oder einer gewissen Anzahl Kinder sei es kein Problem. Für gewisse Ärztinnen und Ärzte steht die Zeugungsfähigkeit über allem.

Die Akademien der Wissenschaften Schweiz halten fest, dass bei den Abwägungen für oder gegen eine Sterilisation die medizinethischen Prinzipien Wohltun und Nichtschaden ebenso zu gewichten sind wie die Autonomie der Patientin.
Mir scheint das aus körperlicher und psychischer Sicht zu kurz gedacht. Viele Personen leiden unter heftigen Nebenwirkungen durch die temporären Verhütungsmethoden und haben einen hohen psychischen Leidensdruck durch die Möglichkeit, ungewollt schwanger werden zu können. Die Sterilisation kann also weniger Schaden anrichten als andere Verhütungsmethoden, und sie kann der Person regelrecht wohltun, indem ihre Lebensqualität durch die wegfallende Angst vor einer Schwangerschaft besser wird.

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