Es gibt Aktivistinnen, Politikerinnen, Sozialwissenschaftlerinnen und Vereinigungen, die sich für den Feminismus einsetzen und patriarchale Mechanismen aufdecken. Doch es gibt auch Feministinnen, die in kleinen Schritten arbeiten: Kleine alltägliche Gesten, die harmlos erscheinen, aber darauf abzielen, die Welt gleichberechtigter zu machen. In den sozialen Netzwerken hat dies einen Namen: Mikrofeminismus.
Dieser Trend entstand, als die amerikanische Filmproduzentin Ashley Chaney ein Video auf TikTok veröffentlichte. Darin erklärt sie, dass ihre «liebste kleine feministische Aktion» darin bestehe, dass sie in Gruppen-E-Mails immer zuerst die Frauen anspreche. Ebenfalls führe sie die E-Mail-Adresse der Assistentinnen stets vor der des Chefs auf. «Es ist wahrscheinlich, dass es niemand bemerkt, aber ich habe das Gefühl, dass ich ihr sage: ‹Ich sehe dich›», sagt Ashley Chaney.
Das Video wurde mehr als zwei Millionen Mal angesehen und ging unter #microfeminism viral. Es hat viele Frauen dazu inspiriert, ihre eigenen Tipps zu teilen, wie sie die Welt feministischer machen können.
«Ach so, Sie sind nicht der Vater?»
Es gibt eine Lehrerin, die immer zuerst den Vater anruft, wenn ein Kind krank ist. Wenn dieser überrascht sei und an die Mutter verweise, sage sie: «Ach so, Sie sind nicht der Vater?».
Eine andere TikTokerin erzählt, dass sie, wenn sie bei einer Freundin eingeladen ist, die sich für die Unordnung entschuldigt, fragt: «Hat dein Mann nicht aufgeräumt?».
Auch Frauen, die beschlossen haben, Männern auf der Strasse nicht mehr auszuweichen, gehören zu den Mikrofeministinnen.
Diese Strategie lässt sich auf alle Gespräche anwenden. «Wenn die Leute über Sport reden, frage ich, ob es um das Spiel der Männer- oder der Frauenmannschaft geht», erklärt eine weitere TikTokerin. Und wenn ein Bekannter beim Arzt gewesen sei, nutze sie immer in die weibliche Form: «Aha, und was hat sie dir gesagt?»
Des Weiteren gibt es Immobilienmaklerinnen, die in Kaufverträgen den Namen der Frau vor den des Mannes setzen. Oder Frauen, die in Sitzungen ihre männlichen Kollegen unterbrechen, wenn diese zuvor das Gleiche getan haben.
Beziehungen von Kindern nicht romantisieren
Eine andere Frau auf TikTok, Aguaderata, bemüht sich darum, Frauen Komplimente zu machen, die nicht auf ihr Aussehen abzielen. Und bei Einladungen steht sie nicht auf, um beim Aufräumen zu helfen, insofern die Männer sitzenbleiben.
Es handelt sich um Kleinigkeiten, aber die Mikrofeministinnen verbinden diese mit globalen Vorstellungen.
Aguaderate lehnt es zudem ab, Beziehungen zwischen kleinen Kindern zu romantisieren. Wenn kleine Mädchen und Jungen zusammen spielen, solle nicht darüber gewitzelt werden, dass diese verliebt seien. Denn das gäbe den Kindern den Eindruck, dass dies die einzige Art von Beziehung sei, die sie später haben können.
«Es hat keinen Sinn»
Eine andere TikTokerin, Lana, greift das Manspreading an: Die Angewohnheit vieler Männer, in Verkehrsmitteln die Beine zu spreizen, ohne Rücksichtnahme auf die Sitznachbarn. Lana erklärt: «Wenn ein Mann den ganzen Platz einnimmt, ist mir das egal, ich setze mich trotzdem hin».
Die Reaktionen auf solche Inhalte sind leider nicht immer wohlwollend: «Da merkt man, dass der einzige Kampf darin besteht, sein Gewissen zu beruhigen», sagt ein Internetnutzer. «Es hat keinen Sinn», meint ein anderer. «Das ist lächerlich, das ist dein Kampf?». Ein Kommentator sieht darin einen unleugbaren Beweis für «Fanatismus». Was nicht erstaunt: Die meisten dieser unzufriedenen Internetnutzer sind Männer, soweit man das anhand ihrer Profile beurteilen kann.