121 Mal! So oft fiel am Dienstag in der knapp zweistündigen Präsentation der I/O-Entwicklerkonferenz der Begriff AI. Das ist die englische Abkürzung für künstliche Intelligenz. Das zeigt: Google setzt klar auf KI als Technologie, die alle Bereiche wie Suche, Maps und Gmail beeinflussen wird. CEO Sundar Pichai und weitere Top-Manager, darunter Elizabeth Reid – Chefin der Suche, diskutierten mit Journalisten über die Bedeutung von KI für Google. Blick war dabei.
KI, KI, KI, überall
Zu Beginn betonte der Google-Boss die Fortschritte in der Technologie und stellte die drei Säulen seiner KI-Strategie vor. Die Basis bildet das Gemini-Modell, ein vielseitiges Sprachmodell. Es ermöglicht eine multimodale Kommunikation. Das heisst, man kann mit der KI über Text, Audio, Bilder und Video kommunizieren. Zweitens verfügt Gemini über ein «gigantisches» Kontextfenster. Sprich: Die KI kann mit sehr vielen Informationen gleichzeitig gefüttert werden (etwa 1500 A4-Seiten). KI-Agenten, die komplexe Aufgaben wie Reiseplanung und -buchung übernehmen können, gehören ebenfalls zur Zukunftsvision. Google hat dies auf der I/O mit dem Projekt Astra gezeigt.
Beziehung mit der KI?
KI-Assistenten tönen immer menschlicher. Auch OpenAI hat diese Woche mit GPT-4o ein neues Modell vorgestellt, das bei der Präsentation lachte, herumblödelte und auch Komplimente verteilte. Pichai glaubt, dass Menschen in Zukunft tiefe Beziehungen zu KI-Agenten aufbauen werden. Die Verantwortung im Umgang mit dieser Technologie und der Schutz vor Missbrauch seien dabei wichtige Aspekte, sagt er.
Aha-Moment mit Katze
Was war der Moment, in dem klar wurde, dass KI alles verändern wird? Sundar Pichai erzählt von einer Vorführung des Deepmind-Teams, bei der ihm gezeigt wurde, wie ein Computer das Bild einer Katze erkennt. «Als ich das sah, hatte ich einen Aha-Moment und wusste, dass diese neue Technologie funktionieren wird», so der CEO. Wann genau das war, verrät er nicht. Man kann aber davon ausgehen, dass das Erlebnis schon einige Jahre zurückliegt.
Das Ende des Internets?
Manche glauben, dass das Internet, wie wir es heute kennen, am Ende ist – und sich radikal verändern wird. Grund dafür sind die fortschreitende Automatisierung, Bots und Fortschritte im Bereich der künstlichen Intelligenz. Was denkt Liz Reid darüber? «Darüber denke ich viel nach. Für uns hat die Gesundheit des Webs oberste Priorität», sagt sie. Im Gespräch geht sie auch auf die neue KI-Übersicht in der Google-Suche ein. Nach einer Testphase wird das Feature nun in den USA ausgerollt. Bis Ende des Jahres sollen es eine Milliarde Menschen nutzen. Die KI zeigt in der Google-Suche – über allen Ergebnissen – direkt eine Antwort auf Fragen an. «Wir sehen die KI-Antwort als Ausgangspunkt, um die Recherche zu einem Thema zu vertiefen», sagt Reid. Denn: «Menschen wollen auch von anderen Menschen lernen, von ihren Perspektiven und Erfahrungen hören», sagt Reid.
«Grenzenlose Neugier»
KI hat das Potenzial, Googles Kerngeschäft – die Suche – auf den Kopf zu stellen. So gab es in den vergangenen Wochen Gerüchte, dass der Konkurrent OpenAI eine KI-Suchmaschine auf den Markt bringen will. Für Google wäre dies eine Bedrohung. Denn der grösste Geldgeber von OpenAI ist Microsoft, das mit Bing selbst eine Suchmaschine betreibt. Wie wird sich die Suche ändern? «Früher haben die Leute oft allgemeine, einfache Fragen an Google gestellt», sagt Reid. Webseiten, die sich allgemein mit dem Thema beschäftigten, landeten dann ganz oben in der Suche. «Aber jetzt, wo die Leute anfangen, neue Fragen zu stellen, wo sie komplexere Fragen stellen, glaube ich, dass es wichtig ist, sie mit Inhalten zu verbinden, mit denen sie sich wirklich identifizieren können», sagt die Suchchefin.
Hier setzt die KI-Übersicht an. Man sehe auch, dass die Menschen so ausführlicher suchen, sagt Reid. «Viele gehen fälschlicherweise davon aus, dass wir Menschen nur eine begrenzte Anzahl von Fragen haben.» Doch: «Die menschliche Neugier ist grenzenlos. Wir sehen, dass viele Menschen eine Frage stellen und von der Antwort so fasziniert sind, dass sie weitersuchen und tiefer graben», sagt sie. Websites, die in KI-Übersichten auftauchen, bekommen sogar mehr Klicks als die klassischen blauen Links in den Suchergebnissen, so Reid.
Fehlt es Google an Pep?
Sundar Pichai wird gefragt, ob Google die Entwicklung der KI verschlafen habe. Dies vor dem Hintergrund, dass OpenAI bereits 2022 den Textroboter ChatGPT auf den Markt gebracht und nun Anfang der Woche ein grosses Update geliefert hat. Google erst später kam. «Wenn ich an KI denke, zoome ich heraus. Die Tatsache, dass ein Ereignis an einem Tag stattfindet, spielt mit der Zeit keine Rolle mehr», sagt Pichai. Für ihn ist KI eine der tiefgreifendsten Technologien, an denen die Menschheit je arbeiten wird. «Als Unternehmen investieren wir schon lange in KI», sagt Pichai. Für ihn ist es wichtig, dass die Technologie von allen Menschen genutzt werden kann. «Das ist unsere Mission und daran arbeiten wir weiter.» Er findet es aber auch gut, wenn andere Unternehmen innovativ sind. «Das spornt uns alle an und ist ein wichtiger Motor. Für mich war es daher eine tolle Woche», sagt er.
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Mega-Wahlen und Deepfakes
Rund drei Milliarden Menschen auf der Welt wählen in diesem Jahr eine neue Regierung in ihren Ländern. Es ist das erste grosse Wahljahr, in dem neue KI-Modelle zur Generierung von Texten, Bildern und Videos in grossem Umfang und zu niedrigen Kosten zur Verfügung stehen. Was denkt Google über die Bedrohung der Demokratie durch KI? Pichai ist sich der Möglichkeit bewusst, dass KI-Desinformationen und sogenannte Deepfakes den Wahlprozess stören könnten. «Das ist ein Thema, in das wir investieren. Gerade bei der Suche und auch bei Youtube», sagte Pichai. Die Erstellung und Erkennung von KI-Fakes bezeichnet er als Katz-und-Maus-Spiel. «Wir haben mehrere Projekte am Laufen, um solche KI-Fakes frühzeitig zu erkennen und geben gegebenenfalls auch Informationen an Regierungen weiter», so Pichai. Doch der Google-Chef bleibt realistisch. «Wir sind besorgt, weil die technologische Entwicklung so schnell voranschreitet», sagt er. Dennoch bleibe er vorsichtig optimistisch, dass die Menschheit mit einer Kombination aus technologischen Mitteln und eigenen Fähigkeiten erkennen kann, was echt ist und was nicht.
Google Glass reloaded
Auf der I/O zeigte Google auch eine mysteriöse Smartbrille mit Kameras und Gemini. Versucht sich der Hersteller an einer Version von Google Glass? Im Jahr 2013 sorgte das Unternehmen mit der Brille für Aufsehen – und aufgrund von Datenschutzbedenken für erheblichen Widerstand. Pichai verweist hier auf das Projekt Astra. «Es ist eine mächtige Technologie in Mobiltelefonen, aber sie kommt erst in einem Formfaktor wie einer Brille richtig zum Leben», so der CEO. Dafür habe es schon immer einen Plan gegeben. Konkrete Informationen will er aber nicht preisgeben. «Mit der Zeit wird es interessante Produkte geben, über die wir sprechen können», sagt er nur.
Tiktoken statt googeln
Googlen? Das war gestern. Immer mehr junge Menschen nutzen Tiktok und auch andere soziale Medien für die Suche nach Rezepten, Tipps und Alltäglichem. Das zeigen diversen Umfragen. Wie geht Google damit um? «Was unsere Forschung zeigt, ist, dass besonders junge Menschen etwas direkt von anderen Menschen erfahren wollen», sagt Elizabeth Reid. Aufgrund dessen habe man die Google-Suche in den letzten Jahren diesbezüglich erweitert. So wurden etwa Foren mit Google leichter auffindbar. Auch gibt es bei gewissen Suchbegriffen kurze Videos, die direkt in den klassischen Suchresultaten angezeigt wurden. «Diese Funktonen werden auch rege genutzt, und wir werden sie in Zukunft noch weiter ausbauen», erklärt die Chefin der Google-Suche.
Und Android?
KI hat dem mobilen Betriebssystem Android in den letzten zwei Jahren die Show gestohlen. Ist das für Google nur noch ein Nebengleis? Nein, sagt Pichai. Denn auch für KI spiele das Handy eine zentrale Rolle. Denn mit dem Gerät bekommt die KI quasi Augen und Ohren. Heute laufen viele KI-Funktionen in der Cloud. «In den kommenden Jahren werden wir aber immer mehr direkt auf das Gerät bringen können», sagt Pichai. So könnte dereinst auch das grösste Gemini-Modell lokal laufen – und damit neue Möglichkeiten eröffnen, wenn so viel Power direkt in der Hosentasche zur Verfügung steht. «Bisher kratzen wir erst an der Oberfläche», sagt Pichai. Die Möglichkeiten seien unendlich. «In meinem Kopf habe ich schon eine Roadmap mit neuen Funktionen für die nächsten zehn Jahre», sagt der Google-CEO.