Auf einen Blick
- Grosse Hersteller kehren zu echten Knöpfen zurück
- Knöpfe regeln Macht und Hierarchien im Alltag
- Menschen brauchen das Gefühl, etwas zu drücken
Muss sich Tesla geschlagen geben? Nach Jahren des Touch-Diktats kehren die Autobauer zu echten Knöpfen zurück. Im Modell ID.2all von VW, das kommendes Jahr lanciert wird, gibt es wieder mehr Knöpfe zum Drücken. Und die Autobranche ist nicht allein: Apple verbannte im Oktober 2023 die Touchbar vom Macbook, E-Reader-Hersteller setzen wieder auf physische Tasten zum Blättern, Apple bringt mit dem iPhone 16 einen neuen Kameraknopf und Handy-Nutzer kaufen sich sogar Hüllen mit echten Keyboards.
«Der Trend überrascht nicht», sagt Rachel Plotnick, die sich als Wissenschaftlerin seit mehreren Jahren mit der Kulturgeschichte des Knopfes beschäftigt. Denn: «Vom Wecker bis zum Lift: Knöpfe sind der Kitt, der unsere Gesellschaft zusammenhält», sagt die 41-Jährige im Videocall.
Die Magie des Drückens
Rückblende: Als 2007 das erste iPhone erschien, prophezeiten einige das Ende aller physischen Knöpfe. Das iPhone mit seinem Touchscreen war der Anfang vom Ende der Platzhirsche Blackberry und Nokia mit ihren Tasten. Touchscreens galten als Zukunft.
Die Wissenschaftlerin sieht das anders: «Der Tod des Knopfes wurde stark übertrieben.» Vor allem in Autos ist für sie klar: «Die Menschen wollen beim Fahren etwas zum Drücken haben. Es ist sicherer und schneller.» Die Forscherin plädiert für Pragmatismus: «Man sollte aber nicht einfach sagen, Knöpfe sind gut und Touchscreens schlecht, oder umgekehrt. Es ist kontextabhängig.»
Die Faszination von uns Menschen für Knöpfe reicht weit zurück. Schon Ende des 19. Jahrhunderts warb Kodak mit dem Slogan «You press the button, we do the rest» («Du drückst auf den Knopf, wir kümmern uns um den Rest»). Die Magie des Knopfdrucks wirkt bis heute: «Viele verstehen oft nicht, was genau hinter einem Knopf passiert. Die Mischung aus Kontrolle und Mysterium macht genau diesen Reiz aus», erklärt Plotnick, die in den USA an der Indiana University Bloomington lehrt.
Wenn der Knopfdruck Leben rettet
Manchmal ist ein Mysterium allerdings auch völlig fehl am Platz, etwa bei einem Defibrillator, sagt die Forscherin, die heute auch Unternehmen zu Fragen rund um Knöpfe berät. «Viele Menschen zögern, den Schock-Knopf zu drücken, obwohl er Leben retten könnte.» Das Problem: Die Angst, etwas falsch zu machen, ist oft grösser als der Wille zu helfen. «Hier muss das Design die Menschen beruhigen und durch den Prozess führen», sagt sie.
Besonders brisant wird es bei der Frage: Wer darf den Knopf drücken? «Nehmen wir die TV-Fernbedienung als Beispiel. Wer hat die Kontrolle? Da spielen Gender, Alter und Macht eine grosse Rolle.» Von der Stube führt die Knopf-Politik bis zum mythischen roten Knopf für Atomwaffen.
Knöpfe, die uns täuschen
Manchmal täuschen Knöpfe auch nur Kontrolle vor. «In den USA werden viele der Knöpfe an Ampeln längst von Computern gesteuert. Aber man entfernt sie nicht, weil Menschen das Gefühl brauchen, die Kontrolle zu haben», sagt die Forscherin. Ähnliche Placebo-Knöpfe gibt es im Lift, um vermeintlich die Türen zu schliessen.
Doch was macht überhaupt einen guten Knopf aus? «Er muss verschiedene Sinne ansprechen – einen Klick erzeugen, aufleuchten, spürbar sein.» Ihr persönlicher Lieblingsknopf? «Der Startknopf in meinem Auto. Er ist zerkratzt, weil ich ihn so oft drücke. Es hat etwas Befriedigendes, die grosse Maschine mit einem simplen Knopfdruck zum Leben zu erwecken.»
Solche taktilen Erlebnisse, glaubt Plotnick, werden auch künftige Generationen nicht missen wollen. Werden Sprachsteuerung und Virtual Reality den klassischen Knopf trotzdem verdrängen? Die Forscherin bleibt skeptisch: «Wir Menschen haben ein tiefes Bedürfnis nach echten, fühlbaren Erfahrungen. Ich kann mir kein Universum ohne Knöpfe vorstellen.»