Das Timing war perfekt: Forschende der Universität Zürich (UZH) führten im Februar 2022 eine repräsentative Umfrage in der Schweiz durch. Sie wollten von der Bevölkerung wissen, was sie von künstlicher Intelligenz (KI) hält. Die Umfrage fand vor dem Wirbel um den Textroboter ChatGPT statt, der erst im November 2022 lanciert wurde.
Im August 2023 wiederholten die Forscherinnen und Forscher die Umfrage. Daraus ergibt sich nun ein einzigartiger Einblick in die Auswirkungen von ChatGPT und Co. auf die Wahrnehmung von KI in der Schweiz. Am Dienstag wurden an der UZH erste Trends aus den Befragungen präsentiert. Die vollständigen Ergebnisse der zweiten, ebenfalls repräsentativen Umfrage sollen in den kommenden Monaten bekannt gegeben werden.
KI löst Anfragewelle aus
Im Vergleich der beiden Befragungen wird deutlich, dass zwei Drittel der Bevölkerung ein geringes oder nur mittleres Verständnis von Begriffen rund um Internet, Computer und KI haben. Im Vergleich zu 2022 ist der Anteil der Personen mit einem guten oder umfassenden Verständnis leicht angestiegen.
Untersucht wurden auch die Auswirkungen von ChatGPT auf die Politik. Spannend: Die Anzahl der Vorstösse im National- und Ständerat – also Motionen, Postulate, Anfragen und dergleichen, zum Thema KI hat seit der Lancierung von ChatGPT auffällig zugenommen.
Weniger Akzeptanz, mehr Kontrolle
Auch die Akzeptanz von KI-Systemen in verschiedenen Szenarien wurde abgefragt. Zum Beispiel, wenn KI entscheidet, welche Bewerberinnen und Bewerber zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen werden. Wie hoch die Bereitschaft ist, sich von einer KI medizinisch diagnostizieren zu lassen oder wenn ein KI-System in der Lage ist, Hypotheken zu vergeben, Versicherungsprämien festzulegen oder Gefangene aus dem Gefängnis zu entlassen.
Hier zeigt sich ein klarer Trend zwischen den beiden Umfragen: «Die Akzeptanz von KI-Systemen hat abgenommen, der Wunsch nach menschlicher Kontrolle hingegen zugenommen», erklärt Markus Christen vom Kompetenzzentrum Digital Society Initiative (DSI) der Universität Zürich. Vor allem in kritischen und ethisch sensiblen Bereichen wird die Rolle des Menschen als unverzichtbar angesehen.
Romands sind kritischer
Die Umfragen zeigen auch, dass in der Westschweiz die Skepsis grösser ist. Dies kann laut der UZH auf regionale Unterschiede in der Wahrnehmung und Akzeptanz technologischer Innovationen hinweisen, die es weiter zu erforschen gelte.
Neu waren die Fragen, welche Aufgaben im Job konkret an KI delegiert werden sollen. Und ob die Befragten dies auch dann tun würden, wenn dies mit dem Verlust menschlicher Fähigkeiten einherginge. Besonders hoch war die Akzeptanz in Lehrberufen, beim Webdesign und im Journalismus. Weniger hoch war sie in künstlerischen und handwerklichen Berufen. Bei drohendem Kompetenzverlust schreckte jedoch mehr als die Hälfte der Befragten zurück und gab an, dass sie KI dann nicht einsetzen würden.