Drei Leser erzählen von ihrem Berufswechsel
«Ich bin glücklich, diesen radikalen Wechsel gewagt zu haben»

Manchmal fordert das Leben uns heraus, neue Wege zu gehen. Drei Menschen berichten, wie sie sich für einen radikalen Berufswechsel entschieden haben – und warum sie diesen Schritt niemals bereut haben.
Publiziert: 29.08.2024 um 12:18 Uhr
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Aktualisiert: 29.08.2024 um 13:25 Uhr
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Ütopya KaraRedaktorin Community

Das Leben führt uns oft auf Wege, mit denen wir nicht gerechnet haben. Ob bewusste Entscheidung, äussere Umstände oder der Wunsch nach Veränderung – der Schritt in eine neue berufliche Richtung erfordert Mut und Entschlossenheit. Drei Blick-Leser erzählen von ihrem Karrierewechsel.

Remo Wegmüller – vom Polizisten zum Hundetrainer

«Nach 20 Jahren bei der Stadtpolizei Zürich, davon 17 Jahre bei einer Spezialeinheit, war ich voller Enthusiasmus für meinen Beruf. Wir waren spezialisiert auf unfriedliche Demonstrationen, Amok-Einsätze und mögliche terroristische Situationen. Als Einsatzleiter war ich immer mittendrin und die Arbeit erfüllte mich mit Stolz und Enthusiasmus. Doch ein schwerer Reitunfall änderte alles. Die darauffolgenden Operationen und die langwierige Genesung machten es mir unmöglich, weiterhin als Einsatzleiter tätig zu sein und auf einen Bürojob bei der Polizei hatte ich keine Lust.

Da ich schon immer eine grosse Affinität zu Hunden hatte, entschied ich mich, eine zweijährige Ausbildung zum Hundetrainer zu machen. Heute führe ich meine eigene Hundeschule ‹The Barking Butler› auf der rechten Seite des Zürichsees. Der Wechsel von der Polizei zur Hundeschule war nicht einfach. Die körperlichen Herausforderungen und das ständige Adrenalin, das mein früherer Beruf mit sich brachte, fehlen mir manchmal. Aber das Leuchten in den Augen der Hunde und die Zufriedenheit der Menschen, wenn sie Fortschritte mit ihren Vierbeinern machen, sind unbezahlbar.

Mittlerweile sehe ich meinen Unfall als Chance und bin froh, diese neue Herausforderung angenommen zu haben.»

Remo ist ehemaliger Polizist. Heute hat er seine eigene Hundeschule.
Foto: zVg

Judith Wyss – von der Schneiderin zur Lehrtochter beim Mann

«Ich habe jahrelang mein eigenes Schneideratelier bei uns zu Hause geführt. Es war eine wunderbare Zeit, aber als unsere Kinder älter wurden, verspürte ich das Bedürfnis, mehr unter Menschen zu sein. Mein Mann und ich haben ein Optikergeschäft in Möhlin, Aargau und Anfang 2023 begann ich, dort in der Administration zu helfen. Doch schnell störte es mich, dass ich nicht alles verstand, was meine Kollegen besprachen – es gab so viele Fachbegriffe, die für mich Fremdwörter waren.

Spontan kam im Juli 2023 die Idee auf, dass ich selbst die Ausbildung zur Augenoptikerin beginnen könnte. Medizin und Mathematik haben mich schon immer fasziniert, und so unterschrieb ich noch vor den Sommerferien meinen Lehrvertrag – bei meinem Mann. Nun habe ich das erste Lehrjahr bereits hinter mir, und es macht riesigen Spass! Am Anfang hatte ich Angst, in der Schule nicht mitzuhalten, doch mein Interesse und die Unterstützung meines Mannes haben mir sehr geholfen. Es fühlt sich toll an, jetzt richtig im Geschäft mitarbeiten zu können und gebraucht zu werden. Dass mein Mann und ich gut zusammenarbeiten können, wussten wir bereits aus der Zeit, als er mir im Atelier hin und wieder geholfen hat. Jetzt hat sich das Blatt gewendet, und es ist erfrischend, dass er mir (zumindest im Geschäft!) sagt, was zu tun ist.

Ich habe den Schritt, mit 40 Jahren eine zweite Ausbildung zu beginnen, nie bereut und würde es sofort wieder tun.»

Judith und ihr Mann Marco, der auch ihr Ausbilder ist.
Foto: zVg

Manfred Meili – vom Flugingenieur zum Spielzeughändler

«1980 begann ich meine Karriere als Flugingenieur. Die Ausbildung war hart, aber der Lohn dafür war ein Beruf, den ich mit Leidenschaft ausübte. Besonders faszinierend war die Simulator-Ausbildung, bei der wir auf alle erdenklichen Notfallsituationen vorbereitet wurden: Triebwerksbrände, Druckabfall, elektrische Ausfälle – alles, was im Flug schiefgehen konnte, wurde getestet. Nach bestandenen Prüfungen gehörte ich zum erlesenen Kreis der Flugingenieure und startete meine Streckenausbildung. Es war ein aufregender Beruf, besonders mein erster Flug nach Beirut nach dem Libanonkrieg bleibt mir unvergessen. Doch als sich das Cockpit von einem Drei-Mann- auf ein Zwei-Mann-System umstellte, begann ich über einen Ausstieg nachzudenken. 1992 beschloss ich, das Fliegen aufzugeben und in den Spielwaren-Grosshandel meines Onkels einzusteigen – ohne jegliche kaufmännische Ausbildung.

Es war ein Prozess, in dem ich oft hinfiel, aber immer wieder aufstand. Der Wechsel vom Fliegen zum Handel mit Spielzeug stellte sich jedoch als genau das Richtige für mich heraus. Geschäftsreisen nach Hongkong, die ich früher für die Fliegerei unternommen hatte, wurden nun Teil meiner neuen Karriere. Die Freundschaften, die ich mit Kunden und Lieferanten aufbaute, waren einzigartig und bereicherten mein Leben ungemein.

Nach mehr als 365 Tagen in Hongkong und über 40 Jahren im Geschäft, habe ich das Unternehmen an meinen langjährigen Partner und meinen Sohn übergeben. Heute geniesse ich meine Pension und bin glücklich, diesen radikalen Wechsel gewagt zu haben.»

Manfred hat die Flugzeuge gegen Spielwaren eingetauscht.
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