«Der Junge war schon ganz blau angelaufen»
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Helden der Community:«Der Junge war schon ganz blau angelaufen»

Blick-Leser Lorenz Matter rettete einem 14-Jährigen das Leben
«Der Junge war schon ganz blau angelaufen»

Über 80 Leserinnen und Leser haben Blick von Situationen berichtet, in denen sie erste Hilfe leisten mussten. In einer neuen Artikel-Serie wollen wir diese Heldengeschichten mit euch teilen. Den Auftakt macht Lorenz Matter. Er rettete einem Jugendlichen das Leben.
Publiziert: 13.04.2021 um 12:17 Uhr
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Aktualisiert: 04.05.2021 um 14:50 Uhr
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Blick-Leser Lorenz Matter wurde unverhofft zum Lebensretter von Leo Gadola.
Foto: Lorenz Matter
Lea Blum

Könntest du jemandem das Leben retten? Diese Frage haben wir der Leserschaft mit einem Quiz über Erste Hilfe gestellt. Die Antworten waren überwältigend. Die Blick-Community weiss nicht nur in der Theorie Bescheid – überraschend viele sind auch im echten Leben schon in eine Situation geraten, in der sie sich als Retter oder Retterin beweisen mussten. Rund 80 Geschichten sind zusammengekommen. In einer neuen Artikel-Serie wollen wir eine Auswahl dieser Heldengeschichten mit euch teilen. Den Auftakt macht hier das Erlebnis von Blick-Leser Lorenz Matter.

«Sanität! Notfall! Ein Arzt muss her! Ein Junge liegt auf dem Boden und atmet nicht!» Der Unfall, bei dem Lorenz Matter unverhofft zum Helden wurde, ereignete sich – ausgerechnet an seinem Geburtstag – im Sommer 2017. Er war in einem Zirkuslager für Jugendliche in den Schweizer Alpen als Akrobatik-Lehrer engagiert. Nach dem Abendessen wollte Matter den Abwasch erledigen. Auf dem Weg sieht er, wie der 14-jährige Leo Gadola auf dem Boden liegt und sich nicht bewegt. Um den Jungen herum haben sich bereits einige Lagerteilnehmende und Leitungspersonen versammelt.

«Ein lebloses Kind zu sehen, ist schlimm»

Weil sich bereits andere um den Jungen kümmern, will Matter zuerst nicht auch noch intervenieren. «Als ich aber gesehen habe, dass der Junge schon ganz blau angelaufen war und man ihn in Seitenlage bringen wollte, musste ich eingreifen.» Denn Matter wusste genau: Wer bewusstlos ist und nicht mehr atmet, muss sofort reanimiert werden. «Also bin ich hingegangen und habe mich eingemischt. Ich habe zuerst geprüft, ob etwas in seinem Hals stecken geblieben ist – was nicht der Fall war – und dann sofort mit einer Herzmassage begonnen.»

Ein Moment, den Matter nie vergessen wird. «Das ist mir schon sehr eingefahren. Ein Kind so leblos zu sehen, ist schlimm.» Er habe sich aber überhaupt keine Gedanken darüber gemacht, etwas falsch zu machen. «In dem Moment habe ich einfach nur funktioniert. Ich weiss gar nicht mehr, was mir da durch den Kopf gegangen ist – der Gedankensturm kam erst im Nachhinein», so Matter. Als Akrobatik- und Zirkustrainer kennt er sich mit Verletzungen aus, allerdings musste er noch nie jemandem das Leben retten. «Als Trainer will ich wissen, was in einer Notsituation zu tun ist, zumal ich selbst auch schon am Herzen operiert worden bin. Im Akademischen Sportverband Zürich (ASVZ) besuche ich regelmässig Weiterbildungen zum Thema Erste Hilfe.»

Drei Wochen Wachkoma

Rund 20 Minuten lang hat Matter versucht, Leo wiederzubeleben. Da sich das Lager in den Bergen befand, dauerte es etwas länger, bis Rega und Ambulanz eingetroffen waren. Er habe einfach weitergemacht, und es sei für ihn auch nicht in Frage gekommen, damit aufzuhören. «Ich habe genau gespürt, dass der Puls ab und zu wieder einsetzte und erkannt, dass auch sein Gesicht nicht mehr ganz so blau war wie zu Beginn.»

Als die Rega eintraf, konnte Matter erst gar nicht richtig loslassen. «Einerseits war ich erleichtert, dass sich jetzt die Profis um Leo kümmern, andererseits fühlte ich mich immer noch für ihn zuständig.» Die Sanitäter brachten Leo sofort ins Zürcher Unispital. Wie Matter später erfuhr, war Leo danach noch drei Wochen lang im Wachkoma. Da er einen Herzstillstand hatte und sein Hirn zu wenig Sauerstoff bekam, erlitt er eine Hirnverletzung und musste sich nach dem Unfall zurück ins Leben kämpfen.

Zwei Geburtstage

Matter konnte nach dem Vorfall kaum mehr schlafen und hat den Kontakt zu Leos Eltern gesucht. Er wollte wissen, wie es Leo geht und hat ihn im Krankenhaus besucht. «Als ich ihn dort kaum ansprechbar liegen sah und mir klar wurde, dass er wieder lernen muss zu sprechen, zu essen und sich zu bewegen, da habe ich mich schon kurz gefragt: Habe ich ihm wirklich einen Gefallen getan, ihn zurück ins Leben zu holen?», so Matter. Die Sorgen um Leo beschäftigten ihn stark. Umso erleichterter ist er, dass es Leo heute wieder gut geht.

Was Matter damals nicht wusste: Leos Herzfehler war genetisch bedingt. Nach dem Herzstillstand musste ihm ein Defibrillator eingesetzt werden, um solche Vorfälle künftig zu verhindern. Damit lebe es sich ganz gut, sagt Leo, der heute 18 Jahre alt ist. Er hat sich ins Leben zurückgekämpft und ist Matter unglaublich dankbar für seine Hilfe. «Er hat mir das Leben gerettet.» Matter hätte es nicht für möglich gehalten, dass sich Leo so gut von seiner Hirnverletzung erholt. «Es ist ein kleines Wunder», sagt er. Seither feiert Matter an seinem Geburtstag nicht nur sein eigenes, sondern auch Leos Leben.

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