Hier erklärt Jean-Philippe Jel die Liebe zu seinem Sport
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«Sehr herausfordernd»:Hier erklärt Jean-Philippe Jel die Liebe zu seinem Sport

Er dachte an Selbstmord
«Synchronschwimmen hat mir das Leben gerettet»

Jean-Philippe Jel (43) wird wegen seiner sportlichen Leidenschaft oft belächelt und manchmal beleidigt. Ihm ist es egal. Viel zu lange dachte er nur an andere.
Publiziert: 11.04.2021 um 14:23 Uhr
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Aktualisiert: 13.04.2021 um 11:45 Uhr
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Gestatten: Jean-Philippe Jel. Der 43-Jährige ist der einzige Synchronschwimmer der Schweiz.
Foto: BENJAMIN SOLAND
Mathias Germann (Text) und Benjamin Soland (Fotos)

Jean-Philippe Jel wollte nicht mehr. Er konnte nicht mehr. «Ich dachte an Selbstmord. Sehr oft sogar. Aber ich hatte Angst vor dem Tod», erinnert er sich. Heute sagt der gebürtige Franzose: «Das Synchronschwimmen hat mir das Leben gerettet.»

Wegen der Geschichte des 43-jährigen Franzosen, der als einziger Mann der Schweiz diesen von Frauen geprägten Sport macht, reist Blick nach Lausanne. Genauer: ins Hallenbad Mon-Repos. Auf Deutsch übersetzt heisst dies so viel wie «meine Ruhe». Das passt wie die Faust aufs Auge. Erstens, weil wir Jel um 6.45 Uhr morgens treffen, also gut eineinhalb Stunden vor der offiziellen Öffnung des Hallenbads. Zweitens, und das ist viel wichtiger, weil «meine Ruhe» perfekt zum Gemütszustand des gebürtigen Franzosen passt. «Stimmt. Aber das war nicht immer so. Erst bei meinem Burnout vor sechs Jahren wurde mir bewusst, dass ich mein ganzes Leben lang Rollen gespielt hatte. Ich schaute immer zu anderen, aber nie zu mir. Das machte mich kaputt», sagt Jel.

Doch was meint er damit? Rückblick. Jel kommt 1977 in der Picardie im Norden Frankreichs zur Welt. Seine Mutter ist lieb und sanft. Ganz anders sein Vater, ein Kommandant in der Armee. Jel erzählt: «In den ersten zwölf Jahren meines Lebens sah ich ihn praktisch nie. Auch weil er in Indochina stationiert war. Dann plötzlich, ich war 18, stand er vor der Türe. Er war für mich ein Fremder.»

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Jean-Philippe Jel zieht die Blicke auf sich. Er ist stämmig gebaut, trägt Bart und ...
Foto: BENJAMIN SOLAND

Jel versucht damals trotzdem, die Wertschätzung des Vaters zu gewinnen. Er rennt täglich zwei oder drei Stunden, macht Marathons – so wie sein Vater. Und er wird Offizier, ganz nach dem Gusto des Papas. «Ich habe immer auf das reagiert, was er wollte. Er war stolz auf mich. Aber er sagte dies nie. Er konnte es nicht. Er kann es heute noch nicht», so Jel.

Schwul? Verrückt? Pädophil?

2008 hängt Jel die Armee-Uniform an den Nagel. Er ist nun selbst Vater eines Sohnes und will ihn aufwachsen sehen. Ein Jahr kümmert er sich nur um ihn, 2011 wird er Lehrer und wandert mit seiner damaligen Frau in die Schweiz aus. Es folgen private Probleme, ehe Jel mental kollabiert. Erst 2016 rappelt er sich auf. «Ich zappte während der Olympischen Spiele im TV rum und blieb beim Synchronschwimmen hängen. Zuerst dachte ich: Wer schaut denn so was? Das interessiert doch niemanden! Dann aber blickte ich genauer hin, und es gefiel mir.» Und so meldete sich Jel, der schon sein ganzes Leben lang gerne geschwommen ist, bei einem Synchronschwimm-Klub an.

Dafür erntete er wenig Bewunderung, dafür viel Spott und Beleidigungen. «Man sagte, ich sei doch verrückt. Oder schwul. Das war mir egal. Aber als gemunkelt wurde, dass ich pervers wäre und auf Mädchen stehen würde, ging mir dies schon nahe.» Trotzdem: Jel, der heute als selbständiger Lebenscoach arbeitet, trotzte den Meinungen. «Zum ersten Mal in meinem Leben folgte ich nur meinem Herzen. Ich machte das, was ich wollte. Und das war Synchronschwimmen.»

Schwimmen mit Death Metal

Auch heute noch zieht Jel die Blicke auf sich. Kein Wunder, er ist stämmig gebaut, trägt Bart und lächelt fast ständig. Vor allem aber ist er Synchronschwimmer. Das macht sonst in der Schweiz keiner. «Ich will damit nicht provozieren. Ich habe einfach Spass daran. Und das Synchronschwimmen tut mir gut», sagt er.

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Jetzt kämpft Jel dafür, dass die Sportart auch für Männer olympisch wird.
Foto: BENJAMIN SOLAND

Die Kombination aus künstlerischen Elementen, Technik und körperlicher Anstrengung hat es ihm angetan. Dass er bei seinen Vorführungen Death-Metal-Musik laufen lässt, passt ins ungewohnte Bild. Oder eben nicht. Doch das ist Jel sowieso egal. «J’peux pas, j’ai synchro» heisst das Buch, in dem er seine Liebe zum Synchronschwimmen begründet, aber auch seine Lebensgeschichte erzählt. Er möchte damit Menschen ermutigen, auf ihr Herz zu hören und ihm zu folgen. Er selbst machte genau dies in seinem Leben – zwar erst spät, aber doch noch rechtzeitig.

Jels persönliches Ziel ist, so schnell wie möglich das Elite-Niveau zu erreichen. Neben dem Pool kämpft er dafür, dass Synchronschwimmen zu einem Unisex-Sport wird – auch bei grossen Wettbewerben wie Olympia. Dort sind Männer nicht erwünscht. «Das ist eine Form von Diskriminierung, die mich stört. Leider unternimmt der Schweizer Schwimmverband zu wenig in diese Richtung.»

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