Ein Rolls-Royce ist wohl das höchste der Gefühle im automobilen Luxusbau. Ein Rolls-Interieur bietet mehr Noblesse als fast jeder Privatjet. Jetzt lässt uns der englische Autobauer hinters Steuer des aufgefrischten SUVs Cullinan.
Soviel sei vorab verraten: Es gibt weder grosse Designänderungen noch Quantensprünge bei der Technik. Optisch hat Rolls-Royce lediglich ein paar Details angepasst – und auch der V12-Motor bleibt unverändert im Programm. Das schätzt die eher konservative Kundschaft, schliesslich ist der SUV seit seiner Einführung 2018 der bestverkaufte Rolls-Royce.
Vor der Fahrt
Vorne erhielt der Koloss neue, nach unten gezogene Scheinwerfer. Dazu gibts einen beleuchteten Kühlergrill. Am Heck wurden die Stossstange und die Auspuffblenden neu gestaltet. Direkt nach dem Einsteigen wird uns klar: Wir sitzen hier in einem rollenden Salon. Unser Testwagen verfügt über beheizte und gekühlte Sitze, bei denen der Stoff aus Bambusfasern besteht. Dazu wurden 18 Kilometer Faden mit bis zu 2,2 Millionen Stichen verarbeitet. Selbstverständlich kann die gutbetuchte Kundschaft über Farbe und Musterung der Bestickung frei wählen.
Im Cockpit erhielt der überarbeitete SUV das neuste Infotainmentsystem mit digitalem Kombiinstrument und Mitteldisplay. Beim Eintauchen in die Menüs wird die Ähnlichkeit zum System von Konzernmutter BMW offensichtlich. Was aber nicht schlecht ist. Ebenfalls neu im Cockpit: die Spirit of Ecstasy, auch Emily genannt, darf neu im aufgefrischten Cullinan auch in der Armaturentafel mitfahren.
Auf der Strasse
Motor starten und den zwölf Zylindern lauschen. Natürlich klingen die im Rolls-Royce viel zurückhaltender und dezenter als in einem Ferrari oder Lamborghini. Von den 571 PS (420 kW) ist vor dem Losfahren kaum etwas zu spüren. Doch bei Vollgas legt das V12-Triebwerk seine Zurückhaltung ab und legt imposant los. Dank 850 Newtonmeter Drehmoment auf alle vier Räder gehts in nur 5,3 Sekunden auf Tempo 100. Steigt man in die Bremse, merkt man allerdings auch das enorme Gewicht von über 2,7 Tonnen des Kolosses.
Lenken lässt sich der Cullinan Rolls-Royce-typisch sehr geschmeidig, allerdings nicht sonderlich präzise und indirekt. Auch das Fahrwerk ist nicht in erster Linie für rasante Kurvenfahrten ausgelegt: Es wankt und geht in den Kurven ordentlich in die Knie. Dafür schwebt es sich bei gemütlicher Fahrt auf der Autobahn so angenehm wie auf Wolken.
Das war gut
Um dieses Gefühl zu unterstreichen, befindet sich im Cullinan alles an Bord, was das Wohlbefinden zusätzlich erhöht. Sowohl die vorderen als auch die hinteren zwei Plätze verfügen über diverse Massagefunktionen. Und dass die Sitze auch hinten gekühlt und beheizt sind, gehört sich in dieser Liga natürlich. Um im Fond Platz zu nehmen, kann bequem über die gegenläufig öffnende Tür eingestiegen werden. Zwischen den beiden Sesseln befindet sich das Kühlfach mit zwei Gläsern, damit Passagiere ihren Champagner während der Fahrt auch schön kühl geniessen können. Apropos geniessen: Für tollsten Sound an Bord sorgen die 18 Lautsprecher der Bespoke-Musikanlage. Und wem das noch immer nicht reicht, kann auf einem der beiden ausklappbaren Bildschirme Filme schauen. Da ist nicht mal mehr Fliegen schöner.
Antrieb: 6,7-l-V12-Biturbo-Benziner, 571 PS (420 kW)@5000/min, 850 Nm@1750/min, Achtgang-Automatik, Allradantrieb
Fahrleistungen: 0 bis 100 km/h in 5,3 s, Spitze 250 km/h
Masse: L/B/H 5,36/2,0/1,84 m, Leergewicht 2732 kg, Kofferraum 612–1886 l
Umwelt: Verbrauch Werk/Test/ 16,0/16,6 l/100 km, 363 g/km CO₂ Energieeffizienz G
Preis: Rolls-Royce Cullinan ab 408'400 Franken, Teswagen mit Optionen 555'465 Franken
Antrieb: 6,7-l-V12-Biturbo-Benziner, 571 PS (420 kW)@5000/min, 850 Nm@1750/min, Achtgang-Automatik, Allradantrieb
Fahrleistungen: 0 bis 100 km/h in 5,3 s, Spitze 250 km/h
Masse: L/B/H 5,36/2,0/1,84 m, Leergewicht 2732 kg, Kofferraum 612–1886 l
Umwelt: Verbrauch Werk/Test/ 16,0/16,6 l/100 km, 363 g/km CO₂ Energieeffizienz G
Preis: Rolls-Royce Cullinan ab 408'400 Franken, Teswagen mit Optionen 555'465 Franken
Das war weniger gut
Zum einen wäre da der Verbrauch: Nach knapp 500 Testkilometern pendelte sich dieser laut Bordcomputer bei 16,6 Litern ein – viel, und natürlich nicht mehr zeitgemäss. Immerhin bleibt unser Verbrauch in der Nähe der Werksangabe von 16,0 Litern. Zudem fühlt sich das Lenken des 5,36 Meter langen und zwei Meter breiten Kolosses, zumindest im Stadtverkehr an, als müsste man einen Business-Jet durchs Wohnzimmer zirkeln. Zusätzlich erschwerend ist der riesengrosse Wendekreis beim Manövrieren. Immerhin lässt sich die Länge der Haube dank der hohen Sitzposition und der vorne beim Grill thronenden Emily besser einschätzen, als es im vollelektrische Spectre der Fall ist.
Das bleibt
Die wunderbare Verarbeitung, die Liebe zum Detail, der gute Ledergeruch. All das wird uns genauso fehlen, wie die kuscheligen Sitze und die kalten Erfrischungsgetränke aus dem Kühlfach. Nicht vermissen werden wir dagegen die Tankstopps. Doch einen wirklichen Rolls-Royce-Besitzer dürften diese genauso wenig stören wie der Grundpreis von knapp 410'000 Franken. Und Grundpreis erhält hier eine neue Bedeutung – unser Testwagen war mit zusätzlichen Optionen im Wert von knapp 150'000 Franken ausgestattet. Den Individualisierungsmöglichkeiten wird bei Rolls-Royce kaum Grenzen gesetzt.