Blinde und sehbehinderte Menschen, die allein mit dem weissen Stock unterwegs sind, haben was, das sonst nur Einsatzfahrzeuge mit Blaulicht und Tatütata haben: Unbedingten Vortritt – falls sie signalisieren, dass sie über die Strasse wollen.
In der Verkehrsregelverordnung (VRV) heisst es: «Unbegleiteten Blinden ist der Vortritt stets zu gewähren, wenn sie durch Hochhalten des weissen Stockes anzeigen, dass sie die Fahrbahn überqueren wollen.» Die gilt inner- wie auch ausserorts für alle Fahrzeuge, also auch beispielsweise für Velos und E-Trottis.
Zwei Drittel machen es falsch
Nur hakt es in der Praxis: In einem Test der Schaffhauser Kantonspolizei hielten von 128 Fahrzeugen gerade mal 45 an. Fast zwei Drittel (83 Fahrzeuge) fuhren weiter – ein Lenker sogar, als die blinde Person bereits die Fahrbahn querte. Andere Tests ergeben ähnliche Resultate. Sowas wird teuer: Es gibt stets eine Verzeigung. Also mit Gebühren mindestens einige Hundert Franken Busse. Bei einer Gefährdung kostet es den Führerausweis – und deutlich mehr Geld.
Merken kann man es sich so: Wird am Strassenrand der weisse Stock in die Höhe gehalten, wirft er quasi einen Zebrastreifen auf die Strasse. Wie am Rotlicht haben alle anzuhalten und die Person über die Strasse gehen zu lassen. Und das gilt auch dann, wenn diese Person einen Blindenhund dabei hat.
Nicht zu weit entfernt halten
Besonders wichtig: In nur wenig Distanz, immer vollständig anhalten und so lange warten mit dem Anfahren, bis die Person die Strasse überquert hat. Denn Blinde sind auf ihr Gehör angewiesen: Erst wenn nahe Motorgeräusche (bzw. bei E-Autos das künstliche Summen) sich nicht mehr bewegen (und Pneus verstummen), wird ein blinder Mensch mit weissem Stock loslaufen, um die Strasse zu queren.
Den Motor nicht ausschalten und nicht hupen (!) – um blinde und sehbehinderte Menschen damit zum Überqueren zu ermuntern: Hupen ist ja ein Warnsignal und sie könnten sich erschrecken. Und bitte einfach Geduld haben: Diese paar Sekunden sollten wir alle für Sehbehinderte beziehungsweise blinde Mitmenschen doch übrig haben.