Beim Sprit herrschte die letzten Monate eine verkehrte Welt. Während die Schweizer zum Einkaufen nach Deutschland fuhren, kamen die Deutschen zu uns zum Tanken. Damit dürfte ab Juni Schluss sein, denn im Gegensatz zur Schweiz senken unsere Nachbarn die Steuern auf Benzin und Diesel.
Nachdem die Treibstoffpreise in Folge des Ukraine-Krieges in der Schweiz zeitweise um über 50 Prozent gestiegen sind, forderten angeführt von der SVP bürgerliche Volksvertreterinnen und Volksvertreter mit zahlreichen Vorstössen eine vorübergehenden Senkung oder Aussetzung der Mineralölsteuer. Damit wollten sie nicht nur Privathaushalte, sondern auch die Schweizer Wirtschaft unterstützen (hier findest du Tipps zum Spritsparen). Doch der Bundesrat hat sich Mitte Mai gegen solche Massnahmen entschieden.
Nachbarländer handeln
Anders sieht die Situation bei unseren Nachbarn aus. Italien hat die Spritpreise schon verbilligt. Die Folge: Tessinerinnen und Tessiner sowie Touristen auf der Durchfahrt tanken jetzt südlich der Grenze. Per 1. Juni folgt Deutschland und senkt die Steuern für Treibstoffe ebenfalls übergangsweise für drei Monate. Es wird erwartet, dass der Liter Benzin dadurch rund 35 und Diesel rund 17 Cent günstiger wird.
Damit würden die Preise in Deutschland im Juni wieder unter die Grenze von zwei Euro pro Liter und umgerechnet auch unter zwei Franken pro Liter fallen. Entsprechend haben deutsche Autofahrer keinen Grund mehr, in der Schweiz zu tanken. Und für Schweizer wird es plötzlich attraktiv, sich den Sprit in Deutschland zu holen.
Preise reagieren verzögert
Aber Vorsicht: Wer am 1. Juni über die Grenze fährt, könnte enttäuscht werden. Wahrscheinlich ist die Preissenkung nicht gleich vom ersten Tag an allen Tankstellen zu spüren. Denn die Energiesteuer fällt nicht beim Tanken an, sondern schon in den Raffinerien und Tanklagern. Womit der Sprit, der am 1. Juni in der Zapfsäule ist, noch nach altem teureren Steuersatz eingekauft wurde. Fraglich, ob die Tankstellen die Steuersenkung sofort an die Kunden weitergeben.
Sprit könnte knapp werden
Das kann zudem dazu führen, dass das Spritangebot an den Tankstellen zum Monatswechsel hin knapp wird, schreibt die «Autobild». Experten erwarten, dass die Tankstellenbetreiber ihre Lager stark herunterfahren, um so wenig Sprit wie möglich zum höheren Steuersatz weiterverkaufen zu müssen. Damit könnte am 1. Juni ein Treibstoffengpass drohen. Zumal die tieferen Preise zu einem Ansturm führen dürften, während die Lager fast leer sind und der günstigere Sprit erst auf dem Weg ist. Dass zudem das lange Pfingstwochenende ansteht, dürfte die Treibstoffnachfrage weiter erhöhen.
Ob die Steuersenkung von Deutschland den Bundesrat zu einem Umdenken bewegt, darf bezweifelt werden – auch wenn eine Expertengruppe aller Department die Preissituation im Auge behält. Allenfalls kann die Sondersession von National- und Ständerat im Juni die Landesregierung zum Umdenken bewegen. Dann werden die Vorstösse zur Abfederung der erwarteten Teuerung behandelt.