Wegen hohem Mieteranteil
Schweiz verliert bei E-Autos den Anschluss

Bereits jeder vierte verkaufte Neuwagen konnte im letzten Jahr am Stromnetz aufgeladen werden. Während die Marktanteile der Steckerfahrzeuge weiter steigen, fällt die Schweiz im europäischen Vergleich zurück. Ein Grund dafür ist der hohe Mieteranteil.
Publiziert: 05.01.2023 um 04:46 Uhr
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Aktualisiert: 05.01.2023 um 10:37 Uhr
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Nach den pandemiebedingten Verkaufseinbrüchen in den beiden Vorjahren muss der Autoimporteurs-Verband Auto-Schweiz auch für 2022 eine schlechte Bilanz ausweisen.
Foto: Philip Bartz
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Andreas EngelRedaktor Auto & Mobilität

Wieder ein Jahr zum Vergessen für die Schweizer Autoimporteure! Nach den pandemiebedingten Verkaufseinbrüchen in den beiden Vorjahren muss der Autoimporteurs-Verband Auto-Schweiz auch für 2022 eine schlechte Bilanz ausweisen. Nur knapp 226'000 Neuwagen konnten letztes Jahr in der Schweiz und im Fürstentum Liechtenstein verkauft werden – im Vorkrisenjahr 2019 waren es noch rund 300'000.

Bei den erfassten Neuimmatrikulationen wird hingegen weiter deutlich, wohin der Trend geht: weg von reinen Verbrennern, hin zu Autos mit Alternativantrieb. Nur noch 37,8 Prozent bzw. 11,7 Prozent aller Neuwagen wurden mit reinem Benzin- bzw. Dieselantrieb ausgeliefert. Rund ein Viertel aller verkauften Autos verfügten 2022 über Hybridantrieb, 16,6 Prozent sind nur über E-Motoren angetriebene Stromer. Die übrigen 8,1 Prozent der Neuwagen waren ebenfalls aufladbare Plug-in-Hybride. Somit wurden rund die Hälfte aller neu zugelassenen Fahrzeuge 2022 mit einem Alternativantrieb ausgeliefert.

Schlechte Voraussetzungen für Mieter

Das Wachstum der am Stromnetz aufladbaren Steckerfahrzeuge (E-Autos und Plug-ins) entspricht laut Krispin Romang, Geschäftsführer des Verbands Swiss eMobility, zwar den Erwartungen. Dennoch fällt die Schweiz im europäischen Vergleich punkto Elektrifizierung weiter zurück und belegt mit einem Anteil an Steckerfahrzeugen bei den Neuwagen mit rund 25 Prozent nur noch den achten Rang. «Die ersten Elektroautos wie etwa das Tesla Model S waren in hochpreisigen Fahrzeugklassen angesiedelt, die oftmals von einer Kundschaft mit Eigenheim und eigener Ladestation gekauft wurden», erklärt Romang. «Die Ausweitung des Angebots auf untere Preiskategorien spricht nun auch vermehrt Mieterinnen und Mieter an, die allerdings mit schlechten Voraussetzungen für die Installation von Heimladestationen zu kämpfen haben.»

Als Land mit dem höchsten Mieteranteil Europas war das Zurückfallen der Schweiz im europäischen Vergleich deshalb absehbar, erklärt Romang weiter. Denn während im europäischen Ausland Ladestationen vermehrt als notwendige bauliche Massnahmen gelten würden, was den Einbau zum Beispiel in Garagen von Mehrfamilienhäusern erheblich vereinfache, seien solche flächendeckenden Massnahmen in der Schweiz immer noch nicht Realität. Im Gegenteil: Auch hier bei den E-Ladesäulen gerät die Schweiz im internationalen Vergleich ins Hintertreffen. Krispin Romang fordert deshalb «ein Recht auf Laden auch für Mieterinnen und Mieter. Der Prozess für den Einbau von Heimladestationen muss beschleunigt und vereinfacht werden.»

Land schlägt Stadt

Dass es besonders Bewohnerinnen in den grossen Ballungsgebieten schwer haben, einen geeigneten Parkplatz mit Ladestation zu finden, legt ein Blick auf die kantonalen Zulassungszahlen nahe. Das Verhältnis verkaufter E-Autos pro Einwohner ist in eher ländlich geprägten Kantonen besonders hoch. Bei Spitzenreiter Zug kommen mehr als 60 Elektroautos auf 10'000 Einwohner, in Nidwalden rund 48, in Schwyz, Obwalden, im Thurgau, Jura und Wallis immer noch zwischen 40 und 45. Abgeschlagen auf dem letzten Platz steht Genf mit weniger als 20 E-Autos pro 10'000 Einwohner. Auch Basel-Stadt (22) und Bern (26) landen im Ranking ganz hinten. Der Kanton Zürich, in absoluten Zahlen führend in jeder Verkaufsstatistik, landet ebenfalls nur im hinteren Mittelfeld (34).

Ladeinfrastruktur wächst

«Eine weitere Erklärung dafür, dass es gerade die Innerschweizer Kantone auf die vorderen Plätze schaffen, könnte sein, dass dort besonders viele öffentliche Ladestationen zu finden sind», sagt Krispin Romang. Mehr öffentliche Ladestationen würden mehr Komfort und mehr Sicherheit für E-Auto-Fahrer bedeuten. Im Vergleich mit den Vorjahren konnte die Schweiz punkto Ladeinfrastruktur nochmals deutlich zulegen: Swiss eMobility zählte Ende 2022 12'560 öffentliche Schweizer Ladestationen – 62 Prozent davon langsamere AC-Lader, 38 Prozent DC-Schnelllader. Das entspricht einem Wachstum von 35 Prozent gegenüber dem Vorjahr. «Setzt sich das Wachstum in gleichem Masse fort, könnte 2023 eine Verdopplung seit Beginn der Zählung im Jahr 2020 bedeuten», erklärt Romang abschliessend.

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