«Die Ladestation hat von Anfang an eine Nische getroffen»
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Gründer von Juice Technology:«Die Ladestation hat von Anfang an eine Nische getroffen»

Interview mit Juice-Technology-CEO Christoph Erni
«Ladesäulen sind bald so normal wie Toiletten»

Früher Petrolhead, heute CEO eines weltweit führenden Ladestations-Herstellers: Juice-Technology-Gründer Christoph Erni verrät, warum wir bald alle elektrisch fahren – und Fahrspass bei E-Autos wichtiger ist als der ökologische Aspekt.
Publiziert: 15.08.2021 um 10:18 Uhr
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2014 gründete der Zürcher Unternehmer Christoph Erni den Ladegeräte-Hersteller Juice Technology AG.
Foto: Nathalie Taiana
Andreas Engel

SonntagsBlick: Herr Erni, wenn Sie per sofort alle Autos mit Verbrennungsmotor von der Strasse verbannen könnten. Würden Sie es tun?

Christoph Erni: Ich halte nicht viel von verordneten Massnahmen. In einer guten, freien Marktwirtschaft setzt sich sowieso die beste Technologie durch. Der bekannte Zukunftsforscher Lars Thomsen, der bei uns im Verwaltungsrat sitzt, hat schon 2014 prognostiziert, dass 2029 der letzte Verbrenner in Europa gebaut wird. Damals haben ihn alle ausgelacht, doch jetzt scheint es, als ob er recht behält. Weil es eben der Markt richtet: Die Batterien werden immer günstiger – ihre Preise halbieren sich alle drei Jahre –, wodurch auch die Autos immer günstiger werden. Wenn der Neupreis eines E-Autos erst mal günstiger ist als bei einem Verbrenner, wandelt sich das Kaufverhalten schlagartig. Das sieht man jetzt schon in der oberen Mittelklasse und bald auch in noch tieferen Segmenten. Spätestens, wenn die günstigsten Autos billiger sind als vergleichbare Verbrenner, werden die Leute von selber auf Elektro umschwenken.

Würden Sie schon heute jedem Autofahrer ein E-Auto empfehlen?

Auf jeden Fall. Jeder, der schon mal elektrisch gefahren ist, merkt, dass es angenehmer, komfortabler, eleganter und weniger stressig ist. Ich selber hatte in meinem Leben wirklich viele tolle Autos mit vielen Zylindern, und ich habe mir immer geschworen, nie ein Auto mit Automatikgetriebe zu fahren! Doch ich denke, kaum jemand wird noch einmal zurückwechseln, wenn er mal ein E-Auto gefahren ist. Deshalb würde ich es auch jedem empfehlen: weil es das Leben besser macht.

Viele Autofahrer werden immer noch von den relativ langen Ladezeiten vom E-Auto-Kauf abgeschreckt. Was entgegnen Sie ihnen?

Aus meiner eigenen Erfahrung kann ich sagen, dass das Bedürfnis zum Schnellladen eigentlich nur bis zu einer Leistung von maximal 250 Kilowatt gegeben ist, was für Langstrecken völlig ausreichend und heute schon technisch machbar ist. Alles, was darüber hinausgeht, kann sowieso nur kurzfristig von den Akkus aufgenommen werden. Statt das schlecht angeeignete Verhalten zu kopieren, sollten wir jetzt die Gelegenheit nutzen, unser Verhalten neu zu überdenken. Früher habe ich mich manchmal sogar an der Tankstelle vorgedrängelt, um noch schneller ans Ziel zu kommen. Ich hatte nie eine Sekunde Reserve eingerechnet, bin entweder zu spät oder gestresst angekommen. Heute plane ich jeweils eine halbe Stunde mehr fürs Laden ein, trinke dann meinen Kaffee, schaue meine E-Mails durch und komme völlig entspannt und pünktlich an. Für mich sind diese Pausen überhaupt keine verlorene Zeit, sondern bringen sogar einen Mehrwert und mehr Lebensqualität.

Viele Leute machen sich wegen geringeren Reichweiten im Vergleich zum Verbrenner Sorgen.

Hier versuchen wir als Unternehmen, eine Art Möglichmacher zu sein: Mit unseren mobilen Ladestationen wollen wir den Leuten die Reichweitenangst nehmen. Diese Urangst, nicht mehr nach Hause in seine Höhle zu kommen, ist tief in uns drin und lässt sich kaum rational bekämpfen. Als ich Anfang der 1980er-Jahre mein erstes Auto gekauft habe, riet mir mein Vater, immer einen Reservekanister mit Benzin mitzunehmen – auch wenn es damals schon an jeder Ecke eine Tankstelle gab. Aber dann könne mir sicher nichts passieren. Und so ist es auch mit unseren Juice Boostern: Vielen Nutzern, das haben Umfragen gezeigt, geben sie ein Gefühl der Sicherheit, weil man die Ladestation immer mit dabei hat. Und Steckdosen gibt es schliesslich überall.

Juice Technology: Aus der Not zum Weltmarktführer

Er ist das perfekte Beispiel dafür, dass Not erfinderisch macht: Aus purem Frust gründet Christoph Erni (61) aus Winkel ZH 2014 die Juice Technology AG, weil für sein damals neues Tesla Model S schlicht keine vernünftigen mobilen Ladestationen angeboten werden. Erni entwickelt sie kurzerhand selber – das Ergebnis, der Juice Booster, wird zum Riesenerfolg. Heute ist Juice Technology mit den Tochtergesellschaften Juice Services (Vermietgeschäft), Juice Telemetrics (Software) und weiteren Ablegern (u.a. in China und den USA) Weltmarktführer bei mobilen Ladegeräten für Elektroautos und beschäftigt über 200 Angestellte rund um den Globus. Neben dem Juice Booster, von dem jetzt bereits die dritte Generation auf dem Markt ist, bietet das Unternehmen mit Sitz in Bachenbülach ZH mittlerweile auch fix installierte Wallboxen, Schnelllader und ganze Ladesysteme für Parkgaragen an und ist damit einer der wenigen Vollsortimenter auf dem Markt.

Nathalie Taiana

Er ist das perfekte Beispiel dafür, dass Not erfinderisch macht: Aus purem Frust gründet Christoph Erni (61) aus Winkel ZH 2014 die Juice Technology AG, weil für sein damals neues Tesla Model S schlicht keine vernünftigen mobilen Ladestationen angeboten werden. Erni entwickelt sie kurzerhand selber – das Ergebnis, der Juice Booster, wird zum Riesenerfolg. Heute ist Juice Technology mit den Tochtergesellschaften Juice Services (Vermietgeschäft), Juice Telemetrics (Software) und weiteren Ablegern (u.a. in China und den USA) Weltmarktführer bei mobilen Ladegeräten für Elektroautos und beschäftigt über 200 Angestellte rund um den Globus. Neben dem Juice Booster, von dem jetzt bereits die dritte Generation auf dem Markt ist, bietet das Unternehmen mit Sitz in Bachenbülach ZH mittlerweile auch fix installierte Wallboxen, Schnelllader und ganze Ladesysteme für Parkgaragen an und ist damit einer der wenigen Vollsortimenter auf dem Markt.

Heute gibt es unzählige Anbieter, Apps, Ladekartensysteme und Tarife. Da verliert der normale Verbraucher doch die Übersicht.

Besonders diese Ladekartensysteme sind ein Unding. Deshalb haben wir uns von Anfang an dagegen gesträubt und bei unseren auch öffentlich einsetzbaren Juice Chargern die Kreditkartenzahlung implementiert, die jetzt auch zwingend werden soll. Es braucht ein niederschwelliges Angebot und klar deklarierte, vernünftige Tarife. Alles andere ist sinnlos und sogar schädigend für den Fortschritt. Langfristig wird sich ohnehin die internationale Norm 15118 durchsetzen, mit der Fahrzeuge und Ladestationen untereinander kommunizieren können. Tesla nutzt die Technik schon heute, und auch wir verbauen sie in unseren neuen Ladestationen. Man muss das E-Auto dann nur noch einmal einlesen, und später wird es immer automatisch erkannt.

Wird sich dadurch auch das Ladeverhalten verändern?

Erst mal muss es dafür mehr Ladestationen geben – öffentlich wie privat. Die Ladeinfrastruktur wird irgendwann so normal sein wie Toiletten in der Wohnung. Und auch da ist es ja noch gar nicht so lange her: Meine Grosseltern mussten noch raus auf den Hof. Doch irgendwann konnte man Wohnungen gar nicht mehr vermieten, wenn sie nicht über fliessend Wasser und Toiletten verfügten. Und so wird das auch mit Wohnungen sein, die keine Ladestation fürs E-Auto haben. Wenn es mal flächendeckend intelligente Ladestationen hat, die untereinander kommunizieren, wird sich dann auch das Ladeverhalten ändern.

Inwiefern?

Egal, wo wir in Zukunft parken, werden wir das E-Auto einstecken. Dann können wir auch solche Situationen vermeiden, wie sie jetzt schon häufig im Sommer auftreten: Dass das Netz den produzierten Solarstrom gar nicht aufnehmen kann und er dann sinnlos vernichtet werden muss und wir in der Nacht trotzdem wieder Kohlestrom importieren müssen. Damit dies nicht passiert, laden wir mit dieser Überschuss-Energie künftig unser Auto günstig auf. Vorausgesetzt, man kann garantieren, dass das Auto beim Parken auch immer am Netz angeschlossen ist. Dadurch werden ganz neue Strommodelle entstehen und auch Arbeitgeber animiert, Ladestationen zu bauen. Weil sie davon profitieren können. Das sorgt zum einen für eine bessere Netzstabilisierung und leistet auch einen Beitrag zur ganzen Energiewende.

In der deutschen Fachzeitschrift «Auto, Motor & Sport» haben Sie gesagt, dass die CO2-Bilanz eines E-Autos nebensächlich sei. Vielmehr stehe für Sie der Fahrspass im Mittelpunkt. Ist Ihnen die Umwelt also egal?

(Lacht) Nein, natürlich nicht! Ich habe das dort speziell herausgestrichen, weil E-Autofahren tatsächlich Spass macht und nur Freude die Leute zum Umstieg bewegen kann. Beim Auto ist das ganz speziell so, weil es etwas sehr Emotionales ist. Verzicht will sich eigentlich niemand einhandeln. Der ökologische Aspekt ist dabei ein wunderschöner Nebeneffekt. Wobei man beim E-Autofahren von selbst eine ökologische Sichtweise bekommt, die man zuvor nicht hatte – das war auch bei mir nicht anders. Aber wenn man das erste Mal einen Berg mit einem E-Auto runterfährt und nachher dank der Rekuperation sogar noch 200 Kilometer mehr Reichweite in der Anzeige hat, denkt man schon: Und diese Energie habe ich all die Jahre einfach in Bremsstaub aufgehen lassen. Da wird jeder ein bisschen grün – im positiven Sinn!

Besonders beim Thema Akku liest man aber immer wieder, dass die Herstellung gar nicht so grün ist.

Wenn man sich mit der Akkutechnologie auseinandersetzt, merkt man schnell, dass es viel ökologischer ist als oftmals behauptet. Zum einen werden die Batteriefabriken, die ausser Frage sehr energieintensiv sind, heute schon fast immer mit Solarstrom betrieben. Und Akkus werden nach der Nutzung auch nicht einfach entsorgt, wie immer wieder kolportiert wird, sondern zu annähernd 100 Prozent recycelt. Also geschreddert, zentrifugiert und in ihre Ursprungs-Rohstoffe zerlegt, woraus dann wieder neue Akkus entstehen.

Und was ist mit Materialien wie Kobalt oder Lithium, die wegen Herkunft und Abbau immer wieder in der Kritik stehen?

Kobalt ist immer weniger in E-Autos enthalten – Tesla beispielsweise will schon bald komplett kobaltfreie Akkus anbieten. Die grossen Hersteller können ausserdem sehr genau nachweisen, dass das verwendete Kobalt nicht aus unsauberen Minen oder gar aus Kinderarbeit stammt. Da vertraue ich darauf, dass sie ihre Verantwortung wahrnehmen. Beim Lithium wiederum wird oft der hohe Wasserverbrauch bei der Gewinnung angeführt. Fakt ist, dass die benötigte Menge Wasser im Verhältnis extrem gering ist – für die Herstellung einer Jeans wird doppelt so viel Wasser verbraucht wie für die Herstellung eines Akkus. Ausserdem ist das Wasser ja auch nicht verloren: Es verdunstet – wie bei der Gewinnung von Meersalz – und gelangt so anschliessend wieder in den Kreislauf. Es entstehen auch keine nachhaltigen Verschmutzungen. Ganz im Gegensatz zur Ölförderung, wo etwa beim Fracking ganze Landstriche über Jahrhunderte verunreinigt werden.

Ist der Wandel zur E-Mobilität noch aufzuhalten?

Nein, davon bin ich überzeugt. Ich gehe davon aus, dass wir in 20 Jahren alle elektrisch fahren werden. Spätestens dann werden auch die ersten autonomen Autos unterwegs sein, was den Verkehr beruhigen, aber auch zu weiteren grossen Umwälzungen führen wird, wie es der österreichische Autor Mario Herger in seinem Buch «Der letzte Führerscheinneuling ist bereits geboren» ausführt: Fahren wir alle autonom, wir brauchen auch ein Drittel weniger Spitäler, weil ein Drittel der Krankenhäuser heute von Verkehrsverletzten belegt ist. Es wird deutlich weniger Cityhotels geben, weil Geschäftsleute statt zu übernachten im autonomen Taxi nach Hause fahren. Freunde, denen ich das erzähle, sagen oft: Ach, du spinnst. Aber das haben auch die Pferdebesitzer gesagt, als das Auto langsam aufkam. Oder die Leute, die Dampfloks mit Kohle versorgten, als die ersten Elektroloks auf die Schienen rollten. Und heute stehen wir wieder vor solch einem Paradigmenwechsel. Für uns als junges, agiles Unternehmen ergeben sich dadurch grosse Chancen – deshalb schauen wir auch sehr entspannt in die Zukunft.

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