Vor sechs Jahren hob das Wasserstoff-Testflugzeug HY4 erstmals ab. Nun setzt das Stuttgarter Unternehmen H2Fly – ein Zusammenschluss des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR), der Uni Ulm, dem slowenischen Flugzeugbauer Pipistrel und Brennstoffzellen-Spezialist Hydrogenics – einen weiteren Flug-Meilenstein: Im Rahmen der Freitag zu Ende gegangenen Farnborough International Airshow in Grossbritannien gab das Unternehmen bekannt, dass das Testflugzeug HY4 in wenigen Wochen mit einem zusätzlichen Flüssigwasserstofftank aufgerüstet wird. Derzeit wird es noch mit einem gasförmigen Druckwasserstoff betrieben. Die Umrüstung soll die Reichweite der HY4 auf einen Schlag verdoppeln, wie das deutsche Auto-Medienportal berichtet – auf dann bis zu 1500 Kilometer.
Nach der Integration des Flüssigwasserstofftanks und der Brennstoffzellen soll Anfang 2023 ein intensives Testprogramm am Boden starten, an dessen Ende die HY4 das weltweit erste Verkehrsflugzeug sein wird, das mit flüssigem Wasserstoff fliegt. Das ist ein entscheidender Schritt auf dem Weg zu emissionsfreien Mittel- und Langstreckenflügen mit einem vollständig wasserstoff-elektrischen Antriebsstrang.
Betrieb ab 2025 möglich
Das viersitzige Testflugzeug HY4 ist das Ergebnis von über zehn Jahren Forschung, Tests und Optimierung durch H2Fly. 2021 unterzeichnete das Unternehmen eine strategische Partnerschaft mit dem Flugzeughersteller Deutsche Aircraft, in deren Rahmen die beiden Unternehmen gemeinsam ein klimaneutrales Regionalflugzeug mit Wasserstoff-Brennstoffzellentechnologie entwickeln, das voraussichtlich 2025 in Betrieb gehen wird. Es soll eine Reichweite von 2000 Kilometern haben und bis zu 40 Passagiere befördern können.
Airbus mit Grossprojekt
H2Fly ist bei weitem nicht das einzige Unternehmen, dass mit Hochdruck an einem Wasserstoff-Flieger forscht: So hatte Supernal, ein Tochterunternehmen des koreanischen Autobauers Hyundai, letzte Woche ebenfalls in Farnborough angekündigt, zusammen mit Triebwerk-Hersteller Rolls-Royce (eine ehemalige Tochter der Luxus-Automarke) ein Brennstoffzellen-Antrieb für die Luftfahrt entwickeln zu wollen. Und bereits im Frühjahr gab der weltweit grösste Flugzeugbauer Airbus konkrete Pläne bekannt, bis zum Jahr 2035 ein wasserstoffbetriebenes Passagierflugzeug auf den Markt zu bringen. Aktuell entwickelt Airbus zusammen mit dem französisch-amerikanischen Unternehmen CFM ein Triebwerk, das Wasserstoff statt Kerosin verbrennt und das ab 2025 im Grossraum-Flugzeug A380 getestet werden soll.
«Seit der Vorstellung unserer ZEROe-Konzepte im September 2020 ist das der wichtigste Schritt, den Airbus unternimmt, um eine neue Ära des Fliegens mit Wasserstoffantrieb einzuleiten», sagte Airbus-Technik-Chefin Sabine Klauke im Februar. Neben der direkten Verbrennung von Wasserstoff forsche Airbus auch weiterhin an der Brennstoffzellen-Technologie, in der Wasserstoff zum Betrieb eines Elektromotors verwendet wird. Welche Technik sich letztlich durchsetzt, soll bis 2025 entschieden werden.