Für Lancia musste es schon ein Opernhaus sein. Und nicht irgendeines, sondern gleich das berühmte Teatro La Felice in Venedig (I). Und bitte gleich noch parallel zur Eröffnung der 63. Filmfestspiele in der Lagunenstadt. Mehr Italianita war nicht denkbar, im September 2006. Damals enthüllte Lancia-Chef Olivier Francois (61, heute Fiat-CEO) zum 100. Jahrestag der Unternehmensgründung seine Pläne für Lancia. Italienisch-edel und stilvoll sollte die Fiat-Tochter werden. Ziel: Rückkehr zur alten Grösse.
Doch kaum war der neue Delta zwei Jahre später lanciert, brach die Finanzkrise über die Autobranche herein. Der Rest ist schnell erzählt: US-Autobauer Chrysler geht fast pleite, Fiat-Chef Sergio Marchionne (1952–2018) rettet ihn und fabriziert aus beidem FCA – Fiat Chrysler Automotive. Fortan heissts Schulden tilgen und konsolidieren – kein Geld für neue Modelle. Stattdessen werden Lancia-Logos geklebt: Auf die Fronten von Chrysler 300, Town&Country und 200, die fortan als Lancia Thema, Voyager und Flavia (nur als Cabrio) bei uns firmieren.
Ende nach 108 Jahren
Der Abstieg gerät steil: Ruiniertes Markenimage, miese Verkäufe und Marchionne zieht 2014 die Notbremse. Seitdem gibts den 2011 noch neu lancierten Lancia Ypsilon als letztes Modell und nur noch in Italien – wo er immerhin zu den Bestsellern gehört. Lancia als legendäre Marke? Klinisch tot.
Doch jetzt solls wieder aufwärtsgehen: Mit weniger Glamour – Neu-CEO Luca Napolitano verkündets aus einem kargen Sitzungsraum. Aber wohl mit mehr Substanz. Dafür steht nur schon Carlos Tavares (63), CEO des Mutterkonzerns Stellantis, der vor allem auf Kosten und Rentabilität guckt. Aber er gibt Lancia auch zehn Jahre, um auf die Erfolgsspur zurückzukehren. Dafür soll die Marke gemeinsam mit Alfa Romeo und DS das Edel-Trio im Konzern geben und sich dabei eng abstimmen. Lancias Part wird dabei die Beackerung der heutigen Kundschaft von Audi oder Mini sein.
Neustart mit drei Modellen
Los gehts mit dem Zehnjahresplan ab 2024. Dann kommt der neue Ypsilon – wie bisher auf Basis des Fiat 500 und damit wie die neue Cinquecento-Generation rein elektrisch. Der bisherige wird aber noch weiter verkauft – in Italien gehts noch nicht so schnell mit der Umstellung auf E-Mobilität. Aber ab 2028 wird Lancia so zur reinen Elektro-Edelmarke.
Weiter gehts 2026 mit einem neuen grossen Lancia – der Name Beta geistert schon herum. Würde passen: Den ersten Beta gabs 1972 bis 1984 als Limousine, Coupé, Spider, Mittelmotor-Sportwagen, Shooting Brake und Schrägheck-Limousine. Quasi einer für alle, was dafür sprechen würde, heute ein SUV so zu nennen. Weitere zwei Jahre später – 2028 – folgt dann der neue Delta als Kompaktauto mit Sportsgeist – so wie sein Urahn, der 1979 bis 1994 produzierte erste Delta, den es mit bis zu 200 PS und auch als Allradler gab.
Zunächst in fünf Ländern
Mit Ypsilon, dem möglichen Beta und dem Delta will Lancia mit nur drei Modellen 50 Prozent des Marktes abdecken. Ausserdem soll Lancia die grünste Stellantis-Marke werden mit dem höchsten Anteil umweltfreundlicher und recycelter Materialien im Konzern. Während an den Autos noch entwickelt wird, muss Lancia ausserhalb Italiens den vor acht Jahren eingestampften Vertrieb wieder aufbauen. Die Hälfte aller Verkäufe sollen online ablaufen, aber dennoch plant Napolitano mit rund 100 Garagisten in 60 europäischen Grossstädten.
Aber: Während sonst die Schweiz immer ganz vorn dabei ist, wenn neue Edelmarken starten (siehe Genesis, zum Beispiel), gibts zunächst nur in Frankreich, Spanien, Belgien und Luxemburg sowie den Niederlanden eigene Ländergesellschaften. Doch das dürfte sich bis 2024 sicher noch ändern.