Schon gefahren: Elektro-Pick-up F-150 Lightning
So fährt der wichtigste Ford aller Zeiten

Nächsten Monat startet der Ford F-150 Lightning als reine Elektroversion. Er ist das wichtigste Auto der Marke aller Zeiten und wird den US-Markt revolutionieren – wie vor über 100 Jahren schon das Ford Model T.
Publiziert: 11.05.2022 um 16:08 Uhr
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Aktualisiert: 12.05.2022 um 16:54 Uhr
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Man weiss bei Ford: Der neue Elektro-Pick-up F-150 Lightning kann den US-Markt ähnlich revolutionieren, ...
Foto: ZVG.
Stefan Grundhoff

Bei Ford ist man sich der Bedeutung des neuen F-150 Lightning bewusst. Seit dem Model T, das Anfang des vergangenen Jahrhunderts die automobile Massenproduktion einläutete, gab es kein wichtigeres Auto für die Marke. Die F-Serie und allen voran der F-150 ist seit mehr als vier Jahrzehnten das meistverkaufte Fahrzeug Amerikas – und damit auf der ganzen Welt. Jährlich entscheiden sich bis zu einer Million Kunden für den sogenannten Fullsize-Pick-up.

Und dieser Bestseller ist ab nächstem Monat mit der Zusatzbezeichnung Lightning auch als reine Elektroversion zu haben. Ford bremst damit nicht nur die direkten Rivalen Chevrolet Silverado und Dodge Ram aus, sondern auch Newcomer Tesla mit dem polarisierenden Cybertruck, der es noch immer nicht zur Serienreife geschafft hat.

Optisch unauffällig

Im Gegensatz zu Teslas spacigem Pick-up, der wie ein elektrisches Ufo aus einer fernen Galaxie aussieht, ist der 5,91 Meter lange Lightning optisch vom gewöhnlichen Ford F-150 kaum zu unterscheiden. So wundert es nicht, dass auf unserer ersten Probefahrt auf den Strassen der texanischen Millionenmetropole San Antonio kaum einer der anderen Verkehrsteilnehmer auf das zukunftsträchtige Modell mit E-Antrieb aufmerksam wird.

Mehr als die Hälfte aller Autos in Texas sind Pick-ups und deshalb der ideale Gradmesser, ob der Lightning ein Erfolg wird oder nicht. Bei Ford macht man sich freilich keine Sorgen. «Wir haben nach 200'000 Vorbestellungen erst mal gestoppt», sagt Chefentwicklerin Linda Zhang. «Die müssen wir jetzt erst mal abarbeiten, sonst vergraulen wir die Kunden. Aktuell haben wir nur eine Produktionskapazität von 150'000 Fahrzeugen pro Jahr.»

Vorsprung auf die Konkurrenz

Den Vorsprung auf die Konkurrenz will Ford nutzen. «Rund 80 Prozent der Lightning-Besteller fahren Verbrenner», erklärt Darren Palmer, zuständig für E-Fahrzeuge bei Ford. «Das ist eine einmalige Chance, sie vom E-Antrieb zu begeistern.» Entsprechend forsch kalkuliert Ford auch die Preise. Das sogenannte Arbeitstier, der F-150 Lightning Pro, startet bereits für weniger als 40’000 Dollar. Dafür gibts dank 98-kWh-Akku knapp 380 Kilometer Reichweite, 452 PS (377 kW), 4x4 und eine solide Komfort- und Sicherheitsausstattung.

In den ersten Produktionsmonaten werden die meisten Ford F-150 Lightning jedoch die Topversion Limited sein, die mindestens 90'000 Dollar kostet und mit 131-kWh-Akku 480 Kilometer Reichweite und 580 PS leistet, sowie eine Serienausstattung bietet, die kaum Wünsche offenlässt. Zwischen Pro und Limited rangieren die wohl späteren Bestseller Lightning XLT und Lariat.

Der F-150 Lightning schiebt bei unserer Probefahrt wie ein wild gewordener Bulle, der zum ersten Mal auf die texanische Koppel gelassen wird. Aus dem Stand gehts in 4,5 Sekunden auf Tempo 100 und der 4x4 nebst 1050 Nm Drehmoment sorgen zusammen mit dem gewaltigen Gewicht in jedem der unterschiedlichen Fahrmodi dafür, dass der E-Pick-up seine Motorleistung spektakulär auf die Fahrbahn bringt. Am entspanntesten fährt sich der Elektrocowboy im Komfortmodus, während es im Sportprogramm etwas mehr Rekuperation gibt und wer will, kann über den mächtigen Zentralbildschirm in den One-Pedal-Modus wechseln. Der Antritt ist in jedem Tempobereich beeindruckend und lässt ein paar Sekunden vergessen, dass das gewaltige Akkupaket im Unterboden den Ladekoloss fast drei Tonnen schwer werden lässt.

Ein kleines E-Kraftwerk

Praktisch für Handwerker: Der elektrische F-150 ist eigentlich ein eigenes Kraftwerk und bietet bis zu elf Steckdosen auf der Ladefläche und im 400-Liter-Laderaum unter der Frontklappe – für Elektrogeräte wie Bohrmaschine, Generator oder Klimagerät. Und wenn die heimische Stromversorgung infolge eines Hurricans oder einer Kältewelle wieder mal zusammenbricht, kann der Lightning einen normalen Haushalt je nach Nutzung drei bis zehn Tage mit Strom versorgen. So etwas zieht in den USA beim Kundengespräch. Das gilt übrigens auch fürs Platzangebot, das dank 3,70 Meter Radstand imposant ist.

Die Fahrwerksabstimmung des E-Pick-ups ist komfortabler, als wir dies erwartet hätten. Dafür müssen die Kunden Abstriche beim Schnellladen machen. Weil Ford seinen Hoffnungsträger schneller als die Konkurrenz auf den Markt bringen wollte und dazu auf jeden Cent achtete, ist der Ford F-150 Lightning mit einem 400-Volt-Bordnetz unterwegs, das nur Schnellladung bis 150 kWh ermöglicht. «Die meisten unserer Kunden laden jedoch ohnehin in der heimischen Garage und vielleicht mal zwischendurch beim Shoppen auf dem Supermarkt-Parkplatz», versucht Linda Zhang den Makel kleinzureden. Ein E-Auto dürfe gerade als Pick-up punkto Nutzlast oder Reichweite keinerlei Einschränkungen bieten, sonst würden die Kunden nicht umsteigen, sagt sie. Wichtiger sei, dass man derzeit den Markt für sich hätte. Da gibts nicht viel dagegen zu argumentieren, zumal der F-150 dennoch in 40 Minuten seinen Akku an einer Schnellladesäule volllädt.

Der F-150 Lightning ist nach dem Ford Mach E, der auch bei uns in Europa angeboten wird, die neue elektrische Speerspitze der Amis. In den kommenden Jahren investiert Ford 50 Milliarden Dollar in die Elektromobilität. Und das werden auch wir in Europa merken. Bis 2030 will Ford mit den PWs bei uns komplett elektrisch sein und die so wichtigen Nutzfahrzeuge sollen bis spätestens 2035 folgen.

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