Die Schritte unserer Winterschuhe hallen dumpf im fast leeren Ford-Showroom. Zwischen den ausgestellten Fahrzeugen gibts sehr viel Platz. Keine Corona-Schutzmassnahme, sondern eine Folge des anhaltenden Chipmangels. So steht kein einziger Ford Kuga im Showroom, obwohl der populäre SUV letztes Jahr das meistverkaufte Ford-Modell war und folglich in jedem Ausstellungsraum stehen sollte. Doch die Automaxx AG in Schaffhausen erhält schlicht keine Neuwagen.
Geschäftsleiter Peter Leu (55): «Normalerweise stehen 14 Neuwagen im Showroom. Jetzt sind es noch acht, davon ist einer verkauft und drei sind Occasionen.» Dass weniger Autos als sonst ausgestellt sind, fällt auch den Kunden auf. Leu: «Die meisten nehmen es mit Humor und sagen, wir hätten wohl gut verkauft oder auch schon mehr Auswahl gehabt. Andere fragen aber auch, ob wir aufhören.»
Alles falsch! Die Ford Automaxx AG macht weiter und hat eben erst ein neues Service-Center für Lieferwagen eröffnet. Aber wegen der Lieferengpässe in Zusammenhang mit fehlenden Computerchips haben nicht nur die Kunden längere Wartezeiten, den Händlern fehlen auch Ausstellungs- und Lagerfahrzeuge. Die Schaffhauser Ford-Vertretung ist kein Einzelfall. Peter Leu ist Präsident des Schweizer Ford-Händler-Verbandes und weiss, dass es bei seinen Kollegen gleich aussieht.
Nur Occasionen im Showroom
Die Neuwagen-Lieferengpässe betreffen aber nicht nur Ford, sondern alle Marken. Das zeigt unser Besuch bei der Fischer Automobile AG in Beinwil am See AG. Mitbesitzer und Kundendienstleiter Oliver Fischer (54) sagt: «Wir sind wohl einer der kleinsten Volvo-Vertreter in der Schweiz. Die drei hier im Showroom ausgestellten Volvo-Fahrzeuge sind leider alles Occasionsfahrzeuge – kein einziger Neuwagen.»
Solche und ähnliche Aussagen hört man von Garagisten aus der ganzen Schweiz, weiss der Geschäftsleiter des Autogewerbeverbandes Schweiz AGVS Markus Aegerter (58). «Viele unserer Mitglieder können aktuell nur eine beschränkte Modellpalette präsentieren.» Und das ist alles andere als optimal. «Der emotionale Teil beim Autokauf ist immer noch sehr wichtig. Interessierte wollen die Fahrzeuge sehen und Probe fahren. Ist das nicht möglich, kann sich das negativ auf die Kaufabsicht auswirken.»
Probefahrten weiterhin möglich
Ganz so negativ schätzt Peter Leu die Situation nicht ein. «Bei uns können die Kunden in jedes Modell sitzen und eine Probefahrt machen. Wo möglich, behalten wir mindestens ein Demo-Fahrzeug zurück.» Auch vom Kuga, der deswegen nicht im Showroom steht. Und selbst für etwas weniger gefragte Modelle wie den Explorer gibts eine Lösung. «Ich habe zwar keinen Plug-in-SUV mehr. Aber Kunden, die einen erhalten haben, stellen mir ihr Exemplar für Probefahrten mit Interessenten zur Verfügung», erzählt Leu erfreut über die Hilfsbereitschaft seiner Kunden.
Das grössere Problem sieht er in einer gewissen Zurückhaltung der Autokäufer. «Viele verlängern ihr Leasing mit dem aktuellen Auto, statt umzusteigen», erzählt Leu. Und im Kanton Aargau sagt Oliver Fischer: «Wir spüren deutlich, dass einige Kunden ihren Neuwagenkauf aufschieben. Bleibt zu hoffen, dass sie die Geduld nicht verlieren und ihr Auto einfach etwas später bei uns kaufen.»
Leasingverlängerung und Rabatte
Dabei zeigen sich die Händler kreativ, um für Kunden eine Lösung zu finden, die jetzt ein neues Auto kaufen wollen, aber nicht warten wollen. «Wir verlängern unkompliziert das Leasing, bis das neue Auto da ist. Oder wir überbrücken die Lieferzeit mit einem Leih- oder Gebrauchtwagen», sagt Leu. Wobei: Auch Occasionen haben die Autohändler je länger je weniger. «Oft können wir unsere Kunden zudem für eine andere Antriebsart begeistern, beim Kuga beispielsweise Hybrid statt Diesel.»
Es sind die gleichen Lösungen, die auch Gross-Importeurin Amag mit den Marken Audi, Seat, Skoda und VW ihren Kunden anbietet. «Weil wir derzeit schlicht nicht wissen, wann welche Autos produziert werden, können wir auch deren Übergabe nicht exakt planen», sagt Amag-CEO Helmut Ruhl (52). «Wir versuchen aber, unsere Kundinnen und Kunden mobil zu halten. Indem wir ihnen beispielsweise eine einfache Verlängerung des Leasingvertrags anbieten. Zudem haben wir aktuell mehr als 1000 Autos an Kunden vergeben, damit sie während der Wartezeit auf ihr neues Auto mobil bleiben.»
Ford versüsst lange Wartezeiten auf Neuwagen mit einem Rabatt. «Früher hatten wir eine Lagerprämie, wenn sich der Kunde für ein fertiges Lagerfahrzeug vor Ort entschied. Heute haben wir eine Bestellprämie dafür, dass er sich sein Wunschauto bestellt und acht bis zehn Monate darauf wartet.» Und sonst wird es gemacht, wie es bei den boomenden Campern schon lange üblich ist. Der Kunde kauft das Ausstellungsfahrzeug, erhält es aber erst, wenn dafür Ersatz eingetroffen ist – das geht oft etwas schneller.
Kunden sind verständnisvoll
Generell ist die Situation für die Garagisten nicht einfach. Aber die Händler haben kaum verärgerte Kunden. «Bisher ist kein Kunde von seinem Vertrag zurückgetreten, weil er länger auf sein Auto warten musste», sagt Peter Leu. Auch der Aargauer Kollege Oliver Fischer kriegt kaum negative Reaktionen: «Generell ist das Verständnis unserer Kundschaft für die unangenehme Situation gross. Wohl auch, weil die Versorgungskrise nicht alleine nur die Autobranche betrifft.»
Die Situation dürfte sicher noch bis Sommer kritisch bleiben. Viele Experten erwarten in der zweiten Jahreshälfte eine Entspannung. Doch Normalität dürfte erst wieder 2023 einkehren.