Ist der neue US-Präsident Chance oder Risiko?
Trumps Einfluss auf die europäische Autoindustrie

Donald Trump will in seiner zweiten Amtszeit «America great again» machen. Die Auswirkungen für die europäische Autoindustrie könnten deutlich intensiver als bei Trumps erster Wahl 2016 sein. Eine Analyse.
Publiziert: 06:31 Uhr
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US-Präsident Donald Trump setzt sich – wie im Übrigen auch sein Amtsvorgänger Joe Biden – für eine Stärkung von US-Firmen ein.
Foto: Getty Images

Auf einen Blick

  • Trump-Sieg bedroht europäische Autohersteller mit Strafzöllen und Handelsbeschränkungen
  • BMW, VW und Mercedes betreiben grosse Produktionsstätten in den USA
  • BMW-Werk in Spartanburg produziert jährlich rund 450'000 Fahrzeuge
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
Andreas Engel und Stefan Grundhoff

Nein, einfach wäre es für die europäischen Autohersteller auch nicht geworden, wenn Kamala Harris (60) die Präsidentschaftswahlen im November 2024 gewonnen hätte. Auch sie hatte sich ebenso wie Joe Biden (82) als 46. Präsident für eine Stärkung der eigenen Firmen eingesetzt. Auch wenn sich Tesla-Boss Elon Musk (53) im erweiterten Trump-Beraterteam immer wieder in Szene setzte, proklamiert Donald Trump (78) in seiner zweiten Amtsperiode eine Abkehr von grünen Technologien.

Der reale Wettbewerb soll es richten, mit welchem Antrieb Fahrzeuge unterwegs sind – damit folgt er jener Meinung, die übrigens auch Elon Musk propagiert, obschon Tesla ausschliesslich Stromer im Angebot hat. Ein Verbot von Verbrennern wie in Europa Mitte des kommenden Jahrzehnts – undenkbar in den USA. Denn dort gilt es, die eigene Industrie zu stärken – mehr denn je mit einem Donald Trump an der Spitze des Landes.

BMW mit Mega-Produktion

Das grössere Problem sind die Strafzölle, mit denen Trump im Wahlkampf lautstark polterte. Die US-Wirtschaft solle getreu dem Motto «America First» gestärkt werden. Das hat nicht nur Auswirkungen auf die Wirtschaftsbeziehungen zu China, sondern auch zu einem nicht allein automobil gesehen immer weniger einflussreichen Europa mit dem Autoantreiber Deutschland. Anders als in Süd- und Mittelamerika spielen chinesische Fahrzeuge in Nordamerika bisher keine Rolle. Erst im Herbst erhöhte die Biden-Regierung die Strafzölle auf Elektroautos aus China von 25 auf 100 Prozent. Daran dürfte sich erst einmal nichts ändern.

Hersteller wie BMW, VW oder Mercedes betreiben längst grosse Produktionsstätten in den USA. Allen voran BMW hat seit rund drei Jahrzehnten eine gigantische Fertigung in Spartanburg im US-Bundesstaat South Carolina. Im Laufe der Jahre wurde das Werk, in dem insbesondere die grossen X-SUV-Modelle vom Band laufen, mit rund 450'000 Fahrzeugen jährlich zur grössten Fertigung von BMW überhaupt – deutlich grösser als München, Dingolfing oder Regensburg und das zu deutlich geringeren Kosten. Doch BMW verkauft in den USA auch seine Limousinen der 3er-, 5er- und 7er-Reihe sehr erfolgreich. Diese Modelle müssen zumeist aus Europa importiert werden.

Viele Importmodelle

BMW entschied sich deshalb vor Jahren, eine weitere Fertigung für kleinere Fahrzeuge in Mexiko zu installieren. Ab 2027 sollen hier auch die Modelle der Neuen Klasse für ganz Amerika gefertigt werden. Vor einem Jahr feierten die Bayern ausserdem die Grundsteinlegung für eine Batteriefertigung. Das könnte ebenso zum Problem werden wie die noch junge Audi-Fertigung im mexikanischen San José Chiapa, denn Donald Trump will die Strafzölle gegenüber Mexiko um 10 bis 25 Prozent erhöhen.

Schlecht würde es dann auch für Mercedes aussehen. Die Schwaben fertigen am Standort Tuscaloosa in Alabama ebenso wie BMW in erster Linie grosse SUV-Modelle mit Verbrenner- oder Elektro-Antrieb inklusive der besonders edlen Maybach-Varianten an. Die Akkus für die EQ-Modelle kommen aus einer Batteriefabrik im benachbarten Bibb County. Doch Coupés oder Limousinen wie C-Klasse, E-Klasse, S-Klasse oder der neue CLA werden ebenfalls aus Deutschland in die USA importiert. In Charleston (South Carolina) rollen zudem Nutzfahrzeuge wie der Mercedes Sprinter vom Band.

Audi und Porsche droht Ungemach

Volkswagen gerät ebenfalls unter Zugzwang, denn die Fertigung in Chattanooga (Tennessee) ist mit den beiden SUVs Atlas und ID.4 deutlich kleiner als ehemals geplant. VW baut aktuell zudem ein neues Werk in Columbia (South Carolina) auf, in dem ab Ende 2026 SUV- und Pick-up-Modelle der neuen Tochtermarke Scout gefertigt werden sollen. Doch viele der US-Modelle – egal ob elektrisch oder mit Verbrenner – kommen aktuell aus Mexiko, Brasilien oder Argentinien nach Nordamerika. Setzt Trump hier seine geplanten Strafzölle durch, kann kaum einer der Hersteller kurzfristig handeln und seine Modelle auf andere Linien in den USA verteilen. Die Produktionsplanungen nehmen zumeist mehrere Jahre Vorlauf in Anspruch. Besonders schlecht würde es dann für die VW-Töchter Audi und Porsche aussehen, die noch gar keine eigenen Produktionen in den USA aufgebaut haben.

Doch auf ein Muskelspiel mit dem neuen US-Präsidenten Donald Trump dürfte sich kaum einer der CEOs der europäischen Konzerne einlassen. In wirtschaftlich schweren Zeiten steht zu viel auf dem Spiel. Und so waren in den Wochen nach der Trump-Wahl eher schwache Stimmen zu hören, dass man die US-Werke ebenso stärken wolle wie Kooperationen. Volkswagen beispielsweise ist erst vor kurzem eine milliardenschwere Zusammenarbeit mit dem Elektro-Start-up Rivian eingegangen.

Arbeitsplätze und Wählerstimmen

Reagiert hat vor Jahren bereits der schwedische Autobauer Volvo, der mittlerweile zum chinesischen Grosskonzern Geely gehört. Der neue Oberklasse-SUV EX90 läuft in Charleston (South Carolina) vom Band. Ähnliche Fertigungen gibt es seit Jahren von Mazda, Toyota/Lexus, Hyundai/Kia, Nissan oder vom Stellantis-Konzern mit seinen US-Labels Jeep, Dodge und Ram. Wer in den USA auf lange Sicht erfolgreich sein will, wird seine Fahrzeuge auch dort produzieren müssen. Nicht zuletzt, um Vertrauen und Rückendeckung der nationalen Händler zu erhalten, die in den USA weitaus mächtiger als in Europa sind.

Problematisch wird die Situation nicht allein für die Autohersteller selbst, sondern auch für europäische Zulieferer wie ZF, Bosch, Magna, Schaeffler oder Gestamp, die derzeit ohnehin in einer angespannten Lage gegen schwindende Erträge und Marktnachfrage kämpfen. Doch auch Trump wird sich der Wichtigkeit der europäischen Autohersteller für seine Nation bewusst sein, denn hier geht es nicht nur um bis zu 150'000 Arbeitsplätze und damit Wählerstimmen, sondern auch den Standort USA. BMW beispielsweise ist seit Jahren der grösste Autoexporteur aus den Vereinigten Staaten heraus – genau das dürfte nach dem Geschmack von Donald Trump und der neuen republikanischen Regierung sein.

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