Interview mit ACS-Präsident Thomas Hurter
«Das CO2-Gesetz hilft dem Klima nicht»

Mit einem neuen CO2-Gesetz will die Schweiz helfen, die Erderwärmung zu stoppen. Unter anderem sollen Autofahrer mehr Abgaben bezahlen. Dagegen wehrt sich der ACS und hat das Referendum ergriffen. Präsident Thomas Hurter erklärt warum.
Publiziert: 14.03.2021 um 13:51 Uhr
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Aktualisiert: 11.04.2021 um 01:12 Uhr
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Der Autoclub Schweiz ACS hat zusammen mit anderen Verbänden das Referendum gegen das CO2-Gesetz ergriffen.
Foto: ACS
Interview: Martin A. Bartholdi

Herr Hurter, ist der Autofahrer die Milchkuh der Schweiz?
Thomas Hurter:
Der Staat kann den Autofahrer relativ schnell und einfach mit Abgaben belasten. So gesehen ist der Vergleich mit der Milchkuh nicht falsch. Der Autofahrer ist zum Sündenbock geworden.

Wie kommt das? Ist die Autolobby zu schwach, um sich zu wehren?
Vor etwa zehn Jahren geriet die Autobranche in den Fokus – nicht zuletzt, weil sie es damals verpasste aufzuzeigen, wie innovativ und anpassungsfähig sie ist. Wir haben achteinhalb Millionen Einwohner und viereinhalb Millionen Autos – also fast in jedem Haushalt mindestens ein Fahrzeug. Ich vergleiche es oft mit dem Handy; Auch da hat jeder eins, aber keiner will die Antenne im Garten. Wir Autobesitzer und -nutzer müssen wieder zum Auto stehen. Aber uns fehlen die Exponenten, die sagen: «Ja, das Auto ist und bleibt ein wichtiger Teil unserer Mobilität.» Im Moment ist es einfacher, im links-grünen Trend mitzuschwimmen und sich nicht erklären zu müssen. Wie schnell sich die Autoindustrie anpassen kann, hat sich in den letzten Jahren und auch während Corona gezeigt, indem 2020 28,2 Prozent der Neuwagen mit alternativen Antrieben zugelassen wurden, allen voran Plug-in Hybride und reine Elektroautos. Damit ist der Anteil an E-Fahrzeugen in der Schweiz sprunghaft angestiegen.

Was bedeutet das CO2-Gesetz konkret für den Autofahrer?
Der Benzinpreis wird in einer ersten Phase um 10 Rappen und ab 2025 um 12 Rappen teurer. Dazu kommen weitere Folgekosten. Wenn der Strassenfonds unterfinanziert ist, kann der Bund den Benzinpreis um weitere 4 Rappen erhöhen. Dieses Szenario ist mit dem CO2-Gesetz unabwendbar, da die Hälfte der Gelder für die Strassenfinanzierung neu in den Klimafonds gezahlt werden. Weiter sinken die Einnahmen der Mineralölsteuer durch die steigende Elektromobilität. Heute sind schon 76 Rappen des Spritpreises nur Steuern – und das Gesetz lässt die Preise nochmals um bis zu 16 Rappen steigen. Das bedeutet für die Unternehmen höhere Kosten, die wiederum auf den Endkunden abgewälzt werden.

Dieser Maximalwert soll gemäss den Befürwortern kaum ausgeschöpft werden.
Das ist Träumerei! Aus der Parlamentsarbeit weiss ich, dass sich der Staat sehr schnell am definierten Maximalbetrag orientiert. Gerade beim CO2-Gesetz gibts ein aktuelles Beispiel bei den Flugpreisen: Das Gesetz sieht zwar eine Preisspanne für die Abgabe auf Flugtickets vor. In den internen Verordnungen und Diskussionen wird aber nur noch vom Maximalbetrag gesprochen, obwohl das Gesetz noch nicht mal angenommen wurde. Dazu muss auch gesagt sein, dass ein Teil der Einnahmen aus diesen Abgaben wieder an die Bevölkerung zurückfliessen und mit dem anderen Teil alternative Klimaprojekte finanziert werden. Das heisst, dieser Topf muss gefüllt werden. Ein gewaltiger Staatsapparat wird diese Gelder umverteilen. Und weil das Interesse daran so gross sein wird, wird auch der Maximalbetrag auf den Benzinpreis aufgeschlagen.

Persönlich Thomas Hurter

Thomas Hurter (54) ist Pilot und vertritt den Kanton Schaffhausen und die SVP im Nationalrat. Seit fünf Jahren ist er Zentralpräsident des Automobilclubs Schweiz ACS; Ende Mai wurde er auch zum Präsidenten des Verbandes Strasseschweiz gewählt. Nach abgeschlossener Wirtschaftsmatur machte er im Militär die Ausbildung zum Berufspiloten und Fluglehrer der Schweizer Luftwaffe. 1993 wechselte er als Linienpilot zu Swissair/Swiss und blieb Milizpilot. Seine politische Karriere startete Thomas Hurter 2003 als Stadtschulrat in Schaffhausen. 2007 wurde er in den Nationalrat gewählt. Thomas Hurter ist verheiratet und hat zwei Töchter.

Thomas Hurter (54) ist Pilot und vertritt den Kanton Schaffhausen und die SVP im Nationalrat. Seit fünf Jahren ist er Zentralpräsident des Automobilclubs Schweiz ACS; Ende Mai wurde er auch zum Präsidenten des Verbandes Strasseschweiz gewählt. Nach abgeschlossener Wirtschaftsmatur machte er im Militär die Ausbildung zum Berufspiloten und Fluglehrer der Schweizer Luftwaffe. 1993 wechselte er als Linienpilot zu Swissair/Swiss und blieb Milizpilot. Seine politische Karriere startete Thomas Hurter 2003 als Stadtschulrat in Schaffhausen. 2007 wurde er in den Nationalrat gewählt. Thomas Hurter ist verheiratet und hat zwei Töchter.

Ziel des Gesetzes ist, der Umwelt zu helfen, um den CO2-Ausstoss zu reduzieren. Dass hier Handlungsbedarf besteht, dürfte auch für den ACS unbestritten sein.
Natürlich – und es ist auch klar, dass die Mobilität in der Schweiz einen grossen Anteil am CO2-Ausstoss hat. Aber das CO2-Gesetz hilft dem Klima nicht, weil sein Ansatz falsch ist. Es will mit Strafen die Emissionen senken. Das funktioniert nicht. Immer wenn der Staat strafend lenken will, wird er umgangen. Das ist nicht zielführend und hilft dem Klima nicht. Der Staat sollte gute Rahmenbedingungen schaffen und so die Innovation fördern. Aus Sicht des ACS führt der Klimaschutz über die Innovation. Aber das CO2-Gesetz hemmt Innovationen.

Bund und Befürworter argumentieren mit dem Gegenteil, das Gesetz fördere Innovationen.
Ja, weil ein Fonds geschaffen wird, mit dem verschiedene Klimaprojekte finanziert werden sollen. Allerdings entscheidet der Staat, welche Projekte Geld erhalten. Ich finde es immer spannend, wenn der Staat innovativer sein will als die Wirtschaft. Mit den geplanten CO2-Abgaben ziehen wir den Unternehmen das Geld aus der Tasche, die damit weniger Geld für ihre Innovationen zur Verfügung haben. Wir greifen zudem in den Markt ein und privilegieren einzelne Antriebstechnologien, was per se innovationshemmend ist.

Die Autobranche erhöht das Angebot an Elektroautos, und die E-Mobilität nimmt immer mehr Fahrt auf. Braucht es das Referendum überhaupt noch?
Genau! Darum lautet die richtige Frage umgekehrt: Braucht es das CO2-Gesetz überhaupt noch? Auch für Elektroautos wirkt es sich negativ aus. Sie benötigen zwar keinen Sprit und bezahlen dadurch deutlich weniger an den Strassenunterhalt und -ausbau, aber auch sie brauchen die Strassen. Und diesen wird durch das Gesetz wichtiges Geld entzogen. Denn neben den CO2-Abgaben soll der Klimafonds auch aus dem «Nationalen Agglomerations-Fonds» NAF finanziert werden. Das ist eine Missachtung des Volkswillens! Die Bürger haben dem NAF in einer Volksabstimmung 2017 deutlich zugestimmt und gesagt, wir wollen mit diesem Geld unsere Strassen und die Bahn unterhalten und gezielt ausbauen. Das CO2-Gesetz bedient sich aber nur beim Strassenfonds.

Ist der individuelle Verkehr wichtiger als der ÖV?
Zu sagen, dieses ist besser und nur jenes richtig, ist völlig falsch. Die Schweiz ist nicht nur bei der Mobilität, sondern bei fast allen Themen immer sehr gut damit gefahren, alles sehr differenziert anzuschauen. Ich finde, der öffentliche Verkehr hat in städtischen Gebieten und zum Pendeln seine Berechtigung. Aber an einigen Orten wie den Bergen oder für gewisse Unternehmen und den Güter-Binnenverkehr lässt sich das Auto bzw. der LKW nicht ersetzen. Und eins dürfen wir nicht vergessen: Ein grosser Teil des öffentlichen Verkehrs findet auch auf der Strasse statt. Vier Fünftel des Personenverkehrs erfolgt auf der Strasse und ein Fünftel auf der Schiene. Bund, Kantone und Gemeinden zahlen aber jährlich rund eine Milliarde mehr für ÖV als für den Individualverkehr.

Schlussendlich gehts darum, wer das grössere Stück vom Kuchen bekommt.
Ja, und deshalb werden wir nicht an einem korrekten Mobility Pricing vorbeikommen. Sprich, wir zahlen für die effektiv zurückgelegte Strecke. Die Frage ist, sind wir bereit, die gesamte Mobilität miteinzubeziehen? Das heisst, dann sind auch Elektroautos nicht mehr von den Abgaben befreit, und der öffentliche Verkehr muss ebenfalls miteinbezogen werden. Heute ist jedes Bahnbillett über die Hälfte vom Staat finanziert. Wenn wir die Mobilität aber nach Nutzung besteuern wollen, müssen wir einen Preis für alle Verkehrsträger festlegen. Deshalb bedeutet Mobility Pricing auch, dass der öffentliche Verkehr teurer wird. Aber ich zweifle, dass das wirklich passiert. Viele Leute verwechseln Mobility Pricing mit Road Pricing, bei dem der Autofahrer wieder alles bezahlt. Das ist am einfachsten, indem man einfach Messgeräte im Auto installiert. Aber Mobility Pricing funktioniert nur, wenn wir alle Verkehrsträger miteinbeziehen, die Kosten transparent aufzeigen und überlegen, wie viel der Staat in Zukunft noch an die Mobilität bezahlen soll.

Das Komitee hat für das Referendum mehr als doppelt so viele Unterschriften gesammelt, wie nötig gewesen wären. Stimmt Sie das positiv für die Abstimmung?
Ja, das stimmt uns sehr zuversichtlich. So viele Unterschriften zu sammeln – und dann noch so schnell, obwohl während der Corona-Pandemie keine öffentlichen Versammlungen möglich waren –, ist ein starkes Signal.

Wie wollen Sie unentschlossene Wähler von Ihrem Standpunkt überzeugen?
Das Gesetz führt zu einer sozialen Ungerechtigkeit. Ein Beispiel hierfür sind Hausbesitzer, die ihre alten Heizungen ersetzen müssen. Gerade ältere Eigentümer in älteren Häusern können sich das oft nicht leisten. Auch die Land- und Stadtbevölkerung wird nicht gleich behandelt. Mir ist klar, dass der Stadtbewohner kein Auto braucht, weil er die Einkaufsmöglichkeiten in Gehdistanz hat. Aber für die Landbevölkerung und das Gewerbe ist und bleibt das Auto wichtig. Daran ändern auch zusätzliche Abgaben auf den Treibstoffpreis nichts.

Die Schweiz hat eine Vorbildrolle. Welches Signal sendet sie aus, wenn wir dieses Gesetz ablehnen?
Weltweit und auch in Europa sendet das gar kein Signal aus. Weil die Vorbildrolle der Schweiz nicht hierin liegt. Unsere Vorbildrolle liegt in der Innovation und der Forschung. Ich glaube, gerade unser Mobilitätsmix ist einer unserer grössten Vorteile. Es gibt Länder, die kennen praktisch nur das Auto oder haben derart verstopfte Städte, dass sie versuchen, mit Seilbahnen eine gewisse Entlastung zu erreichen. Neue umweltfreundliche Ideen und Technologien sind der Schlüssel zum Erfolg bei den Klimazielen. Wenn wir hier die Innovation nicht mit dem CO2-Gesetz ausbremsen, kann die Schweiz saubere und umweltfreundliche Antworten auf die grosse Frage der Zukunft finden: Woher kommt die Energie?

Schon Ideen?
Für die Mobilität sicher eine interessante Lösung sind synthetische Treibstoffe. Die könnten wir relativ schnell in unseren Fahrzeugen, aber auch in der Luftfahrt einsetzen. Wir müssen allerdings dafür sorgen, dass die synthetischen Treibstoffe mit alternativen Energien hergestellt werden. Auch Wasserstoff dürfte eine Zukunft haben, und die E-Mobilität ist die richtige Lösung für die Agglomeration. Was allerdings nie oder kaum verschwinden wird, ist die Faszination und die Leidenschaft fürs Auto. Das Auto weckt Emotionen und bedeutet Freiheit und Unabhängigkeit.

Das Stimmvolk entscheidet am 17. Juni an der Urne über das CO2-Gesetz. Neben den Autofahrern sind auch Reisende und Hausbesitzer betroffen. Eine genaue Zusammenstellung finden Sie hier. Lesen Sie nächsten Sonntag die Argumente der Befürworter.

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