Wieso sehen Elektroautos aus wie alle anderen Autos? Diese Frage beschäftigt den US-Bürger und Unternehmer Hazim Nada (50). «E-Autos haben eine lange Haube, obwohl der Elektromotor nie so viel Platz braucht», sagt Nada und fährt fort: «Der vordere Laderaum dort ist sinnlos, weil ihn die meisten gar nicht nutzen.»
Deshalb hat der Unternehmer die Automarke Aehra gegründet. Ein Start-up für Elektroautos, wie sie in den letzten Jahren unzählig aus den Böden Chinas und der USA gespriesst sind. «Es ist an der Zeit für ein europäisches Start-up!», sagt der Amerikaner. Deshalb machte er Italien zur Heimat seiner Marke – und sieht sie daher in einer Linie mit Ferrari oder Lamborghini. Aehra soll mit neuem, aufregendem Design und einem neuartigen Innenraum die Autowelt revolutionieren: «Indem wir die Vorteile des Elektroantriebs voll ausnutzen.»
Ausfahrbarer Mega-Screen
Wie sich die Italiener das vorstellen, zeigt der nun enthüllte Innenraum. Dieser macht mit seinem Platz und dem Bildschirm von sich reden. Laut Nada haben dank des drei Meter langen Radstandes bis zu vier Spieler der US-Basketballliga NBA darin Platz – ohne sich eingeengt zu fühlen. Wobei auf dem optionalen hinteren Mittelsitz dann wahrscheinlich niemand mehr sitzen mag.
Noch eindrücklicher ist der Bildschirm. Der reicht nicht nur über die gesamte Breite des Innenraums, sondern lässt sich auch in zwei Höhen ausfahren. Daneben verblasst Mercedes' Hyperscreen. Während der Fahrt befindet sich der Bildschirm im Aehra-SUV in der niedrigen Position, zeigt relevante Informationen wie Geschwindigkeit, Ladestand der Batterie inklusive Reichweite und Navigation und Klimaanlage. Seine äusseren Bereiche dienen als Bildschirme für die Aussenspiegel-Kameras.
Aber sobald der Elektro-Crossover geparkt ist, lässt sich der Bildschirm in die höhere Position ausfahren. Dann verdeckt er die halbe Windschutzscheibe und kann so als Heimkino oder Büroumgebung dienen. Lädt das Auto oder wartet man vor der Schule auf den Nachwuchs, könnte man so Filme schauen oder arbeiten. Möglich ist der XXL-Bildschirm nur wegen des speziellen Designs des Aehra: Bei herkömmlichen Autos wäre der Bildschirm für die Insassen vorne zu nahe an den Augen. In der Mitte gibts einen zusätzlichen kleineren Touchscreen. Exklusive Materialien wie handgenähtes Leder oder ein aus der Luftfahrt inspiriertes Lenkrad runden das Interieur ab.
Vier Flügeltüren
Gespannt dürfen wir sein, wie viel der im Protoyp gezeigten Technik es in die Serie schaffen wird. Zumindest beim vor einem Monat vorgestellten Aussendesign handelt es sich noch nicht ganz um die finale Version für 2025 – aber immerhin zu 95 Prozent. Ungewohnt sieht der 5,1 Meter lange Elektro-Crossover jedenfalls aus. Besonders und cool: die Elytren genannten Flügeltüren für vorne und hinten. Elytren heissen die Flügel von Insekten und sie «öffnen sich ähnlich wie die Türen unseres SUV», so Nada.
Ansonsten hat der Elektro-Crossover neben dem langen Radstand, kurze Überhänge und – wenig überraschend – eine sehr kurze Motorhaube. Etwa so hätten wir uns den EQS SUV vorgestellt, wenn Mercedes das stromlinienförmige Design seiner Elektro-Limousine konsequent auf einen Crossover übertragen hätte. Auch bei Aehra bestimmt die Aerodynamik das Design, um so auch mehr Reichweite zu erzielen. Denn Hazim Nada ist Pilot und besitzt einen Windkanal: «Die Lufteinlässe in der Front dienen mehrheitlich der Luftführung und nicht der Kühlung», sagt der Gründer.
Unter zwei Tonnen
Neben Design, Innenraum und Aerodynamik liegt ein weiterer Fokus auf Leichtbau. Der Aehra-SUV soll weniger als zwei Tonnen schwer sein. Deswegen setzen die Techniker auf Karbonfasern und recycelte Verbundstoffe wie SMC (Sheet Moulding Compound). Um die angestrebte Produktionszahl von 25'000 Einheiten pro Jahr zu realisieren, kommen kurze Fasern zum Einsatz, die mit hohem Druck gepresst und nicht gebacken werden. Nachhaltige Materialien sollen sich im gesamten Auto finden.
Die typischen Autokomponenten wie vor allem die E-Motoren oder die Batterie will Aehra von Zulieferern kaufen. «Was heute auf dem Markt ist, funktioniert und wird auch in drei Jahren noch dem Stand der Technik entsprechen», erklärt Nada. «Es macht keinen Sinn, dies für teures Geld selber zu entwickeln.» Deshalb steht beispielsweise die Leistung noch nicht fest und hängt vom Zulieferer der Motoren ab. Sie soll aber um die 800 PS liegen, Allrad ist gesetzt. Die Batterie soll über 120 Kilowattstunden (kWh) Kapazität verfügen für rund 800 Kilometer Reichweite. Eine 850-Volt-Technik soll für kurze Ladezeiten sorgen.
Kein Name
Und wie wird dieser neue SUV heissen, mit dem Aehra eine neue Elektro-Design-Ära anbrechen will? «Er hat keinen Namen!», überrascht Nada. «Die Leute sollen sagen, sie fahren einen Aehra. Wie sie ein iPhone benutzen oder mit Microsoft arbeiten.» Ob Kundinnen und Kunden für einen namenlosen SUV rund 180'000 US-Dollar bezahlen, muss sich zeigen. So viel soll der Aehra Crossover kosten, wenn er Mitte 2025 auf den Markt kommt. Etwa ein halbes Jahr später folgt eine Limousine auf ähnlicher Technik – ebenfalls namenlos.
Im Gegensatz zu anderen Start-ups oder inzwischen auch etablierten Herstellern gibts bei Aehra keine Vorreservierungen mit Anzahlung. Hazim Nada will seine Marke und die Produktion nicht über Kundenbeiträge vorfinanzieren, sondern in Kürze zwei Investoren vorstellen. Ob die Zeit wirklich reif ist für aussergewöhnlich aussehende Elektroautos? Denn frühe, gegen den Mainstream gestylte Stromer aus den Anfängen der Elektromobilität wie Mitsubishi i-Miev, Nissan Leaf oder BMW i3 waren umstritten. Wegen ihres Designs.