Erste Fahrt im China-Stromer Aiways U6
Sechs ist besser als fünf

Nach dem U5 lanciert die chinesische Marke Aiways im Sommer das elektrische Crossover-Coupé U6. Trotz gleicher Basis soll der U6 besser als der U5 sein, behauptet Aiways – wir sind ihn schon gefahren.
Publiziert: 22.04.2023 um 12:59 Uhr
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Aktualisiert: 22.04.2023 um 14:29 Uhr
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Mit dem elektrischen Crossover-Coupé U6 lanciert im Sommer die noch junge chinesische Marke Aiways ihr zweites Modell in Europa.
Foto: ZVG.
Wolfgang Gomoll

Einige der mit grossen Versprechungen gestarteten chinesischen Auto-Start-ups sind schon nach kurzer Zeit wieder verschwunden. Borgward ist so ein Beispiel. Und Aiways zählten viele Experten vor fünf Jahren auch dazu. Doch der 2018 in Shanghai gegründete Autobauer belehrte die Zweifler eines Besseren. Schon ein Jahr später kam der reinelektrische Aiways U5 in China auf den Markt (inzwischen auch bei uns in der Schweiz erhältlich, hier zum Testbericht) und das im Sommer bei uns folgende elektrische Crossover-Coupé U6 stellte im August 2022 in China mit rund tausend Vorbestellungen an einem Tag einen neuen Rekord auf.

Das kommt nicht von ungefähr. Im Vergleich zur erfolglosen Start-up-Konkurrenz macht Aiways vieles richtig. So hat man beispielsweise für den U6 das Rad nicht neu erfunden, sondern ihn auf der bewährten MAS-Plattform aufgebaut. Dennoch stülpte man nicht einfach eine neue Coupé-Blechkarosse über den bestehenden Unterbau. «Wir haben in München ein Zentrum, das sich nur um Verbesserungen unserer Autos kümmert», erklärt Aiways-Europachef Alexander Klose.

Und das merken wir, wenn wir uns den neuen U6 genauer anschauen. So schwingt die Heckklappe deutlich weiter auf als noch beim U5, sodass man auch als 1,85 Meter grosse Person aufrecht darunter stehen kann. Auch die Anmutung des Interieurs mit weichen Lederflächen ist hochwertiger. Und das beim U5 noch kritisierte Lenkrad wurde überarbeitet und liegt jetzt besser in der Hand.

Komplizierte Menuführung

Doch bei der Bedienung der Kommandozentrale des Infotainments mit 14,6 Zoll grossem Touchscreen sind die Aiways-Techniker übers Ziel hinausgeschossen. Die Menüführung ist kompliziert verschachtelt und dürfte manchen vor Probleme stellen. Das hat offenbar auch das Münchner-Aiways-Zentrum erkannt. Für die europäischen U6-Modelle wurde ein virtueller Knopf in der obersten Menüebene integriert, um die zuletzt gespeicherten Einstellungen wiederherzustellen. Dass Apple CarPlay nur per Kabel, Android Auto aber drahtlos funktioniert, liegt hauptsächlich daran, dass die Infotainmentsoftware auf dem Android-System basiert.

Im Zuge weiterer Verbesserungen haben die Techniker die Elektroarchitektur vereinfacht – so sind jetzt mehr drahtlose Updates möglich. Auch der Kritik, dass beim U5 die Navigation nur via gekoppeltem Smartphone möglich ist, hat man sich angenommen. Zwar navigiert man auch beim U6 weiterhin mit dem eigenen Handy, allerdings gibts eine mit Google-Maps kombinierte App, welche auf die Fahrzeugdaten zugreift und so auch Ladesäulenempfehlungen anhand der Restreichweite geben kann. Das wiederum kann manche etablierte Marke noch nicht.

Gegen 400 Kilometer Reichweite

Die Akkus haben eine Kapazität von 63 Kilowattstunden (kWh), was gemäss WLTP-Zyklus für 400 Kilometer reichen würde. Bei unserer Testfahrt zeigte das System bei 72 Prozent Ladezustand der Batterie noch 277 Kilometer an, was einer Reichweite mit vollem Akku von 385 Kilometern entspricht – ganz ordentlich. Das Ladetempo erreicht mit maximal 90 Kilowatt (kW) Ladeleistung keine Topwerte: Nach 35 Minuten sind die Batterien aber von 20 auf 80 Prozent gefüllt. Nutzt man den 11-kW-Wechselstromlader, vergehen für eine Komplettladung sieben Stunden.

Positiv ist uns bei einem Preis von 48'990 Franken die umfangreiche Ausstattung aufgefallen. So gibts unter anderem Wärmepumpe, Zwei-Zonen-Klimaautomatik, beheizbare Vordersitze, 360-Grad-Kamera und ein ganzes Arsenal an Assistenzsystemen wie etwa ein Tot-Winkel-Warner oder Spurhalteassistent. Freilich nerven die oft übereilt warnenden Assistenten mit ihrem Gebimmel bald. Um dieses zu deaktivieren, muss man tief in die vielen verschiedenen Menüs des Infotainments eintauchen.

Viel Platz trotz Coupédach

Im 4,80 Meter langen Aiways U6 gibts dank langem Radstand hinten viel Platz, zumal man die Füsse noch unter die Vordersitze schieben kann. Trotz der flachen Dachlinie bleibt genügend Kopffreiheit. Mit einem Gewicht von 1790 Kilogramm gehört der Aiways U6 eher zu den Stromer-Leichtgewichten. Daher reicht die Nennleistung von 218 PS (160 kW) und 315 Nm Drehmoment aus, um ihn in sieben Sekunden aus dem Stand auf Tempo 100 zu beschleunigen, bei 160 km/h Spitze ist Schluss. Den Durchschnittsverbrauch gibt Aiways mit 15,9 bis 16,6 kWh/100 km an. Bei unserer Testfahrt zeigte der Bordcomputer 17,8 kWh/100 km.

Das ausgewogen abgestimmte Fahrwerk gehört zu den Stärken des U6 und filtert Unebenheiten ohne nerviges Nachwippen weg. Bei Beschleunigung aus dem Stand kämpfen die angetriebenen Vorderräder allerdings um Grip. Die Unterschiede zwischen den Fahrmodi Standard, Eco, Sport, Individual und One Pedal mit Rekuperation dürften ausgeprägter sein, die Lenkung direkter und rückmeldefreudiger. Ein paar Details könnte das Münchner Verbesserungszentrum also noch angehen.

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