In Zeiten der Digitalisierung muss alles immer schneller gehen. So überrascht es kaum, dass VW-Chef Thomas Schäfer (53) in den nächsten drei Jahren die Entwicklungszeiten neuer VW-Modelle von 50 auf 36 Monate reduzieren will. Er möchte so Milliarden sparen. Wie sich dieser Umstand allerdings künftig auf die Qualität der neuen Produkte auswirkt, wird sich zeigen.
Erstaunlich, dass sich ausgerechnet VW derart neue sportliche Entwicklungsvorgaben setzt. Ist es doch die Marke aus Wolfsburg, die in jüngster Zeit bei ihren Neulancierungen mit argen Softwareproblemen zu kämpfen hatte und ihre Kundschaft verärgerte. Probleme bei der frisch entwickelten Premium Platform Electric (PPE) sind zudem schuld, dass sich die Markteinführungen der neuen Audi A6 E-Tron, Audi Q6 E-Tron und dem Schwestermodell Porsche Macan E immer wieder verzögerten.
Wichtiges Jahr für Audi
Immerhin soll es 2024 endlich so weit sein und die drei neuen Modelle des Volkswagen-Konzerns können auf dem Markt starten. Durch die verspätete Lancierung ist die Technik der PPE-Architektur allerdings bereits nicht mehr auf dem allerneuesten Stand. Doch das neue Stromer-Trio bietet dank der 800-Volt-Batterietechnik trotzdem schnellste Ladezeiten. Und die neuen Akkus mit prismatischen Zellen und rund 60 Prozent weniger Kobaltanteil erlauben Reichweiten von rund 600 Kilometern.
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Bei Audi wird das neue Jahr richtungsweisend. Neben den bereits erwähnten A6 E-Tron und Q6 E-Tron startet auch die Neuauflage des A4, künftig allerdings als A5. Bei Audi hat man sich entschieden, die geraden Produktenummern den Stromern vorzubehalten. Und so wird aus dem A4 mit den konventionellen und bewährten Verbrennungsmotoren der A5, den es als coupéhafte Limousine und Kombi Avant geben wird. Dazu kommt eine Plug-in-Hybrid-Variante mit deutlich mehr Reichweite als bisher.
Viele Elektro-Crossover
Sonst beschert uns das Autojahr 2024 auffallend viele Elektro-Crossover. Mit dem Volvo EX90, dem Polestar 3 und dem Kia EV9 starten gleich drei grosse und luxuriöse Elektro-SUVs. Formal etwas kompakter ins Rennen um die Gunst der Käuferinnen und Käufer gehen der chinesische BYD Seal U, der Cupra Tavascan, der Ford Explorer und der neue BMW iX2. Apropos BMW: Die Münchner halten sich heuer vor dem ganz grossen Aufschlag 2025 mit der «Neuen Klasse» dezent zurück. Schon jetzt steht schliesslich für fast jede Modellreihe eine Elektro-Variante bereit. So erhält lediglich der X3 ein neues Kleid. Das Design des wohl zum letzten Mal auch mit Verbrennungsmotoren angebotenen SUVs soll dezent, aber vanartiger werden.
Anders der neue X2, der im Gegensatz zum Vorgänger optisch provokanter auftritt und so ähnlich wie die grösseren X4 und X6 wohl nicht jedermanns Geschmack treffen dürfte. Bei BMW-Tochter Mini starten zwei neue E-Varianten des Dreitürers mit 184 PS und je nach Akkugrösse bis 385 Kilometer Reichweite. Ende Jahr soll dann der in China bei Great Wall gebaute elektrische Mini Aceman folgen – auf derselben Plattform wie der Ora Cat der chinesischen Schwestermarke.
G-Klasse wird zum Elektro-Panzer
Für viele eine der spektakulärsten Neuheiten dieses Jahres ist die neue, rein elektrische Mercedes G-Klasse. Nach sechs Jahren Entwicklungszeit feiert das elektrifizierte Kultauto jetzt Premiere. Und es wird seinem Verbrenner-Pendant bezüglich Geländefähigkeiten in nichts nachstehen. Davon hat sich Mercedes-CEO Ola Källenius (54) bei einem Besuch in Graz (A), wo die G-Klasse bei Magna gebaut wird, selbst überzeugt. «Da die G-Klasse an jedem Rad einen E-Motor hat, lässt sich das Fahrzeug wie ein Panzer praktisch auf der Stelle wenden. Praktisch, wenn auf einem schmalen Weg plötzlich ein Baum querliegt», freut sich Källenius in einem extra gedrehten Video.
Viel Spektakel und Spass verspricht aber auch der Power-Stromer Hyundai Ioniq 5 N mit simulierten Schaltpunkten, Verbrenner-Sound und imposanten 609 PS (448 kW). Mit einem Preis ab 79’900 Franken ist der koreanische Stromer zwar kein Schnäppchen, aber vergleichsweise dennoch deutlich günstiger als der ähnlich motorisierte Audi E-Tron Quattro GT (ab 117’500 Fr.).
Was kommt Neues aus China?
Sonst sind die chinesischen Hersteller wie Nio, BYD, MG oder Great Wall Motors dieses Jahr in Europa vor allem mit der Markteinführung ihrer bereits vorgestellten Modelle beschäftigt. Allzu viele Neuheiten kommen daher nicht mehr dazu. Mit Chery will in der Schweiz jedoch der nächste Hersteller aus China Fuss fassen – und zwar gleich mit den drei Marken Omoda, Jaecoo und Exlantix sowie acht Mittel- und Oberklasse-Modellen bis Ende 2025. Den Start macht diesen Frühling der Omoda 5, ein 4,40 Meter langer Crossover, den es erst als 200-PS-Benziner und später auch mit reinem Elektroantrieb und 440 Kilometer Reichweite geben wird. Kosten dürfte der Omoda 5 zwischen 30’000 Franken (Benziner) und 40’000 Franken (Elektro). Ebenfalls in China gebaut wird der neue Smart #3. Mit der Hayekschen Ur-Idee des kompakten Stadtautos hat der 4,40 Meter lange Stromer nichts mehr gemeinsam, dennoch ist der dynamisch gestylte Crossover mit seinem günstigen Basispreis ab 34’980 Franken und der reichhaltigen Serienausstattung ein attraktives Angebot.
Jetzt starten die Billigstromer
Es wird 2024 aber auch richtig günstige Stromer geben. Etwa der Cityflitzer Citroën ë-C3, quasi ein Elektro-Döschwo, mit zwar nur maximal 320 Kilometern Reichweite, aber für weniger als 25’000 Franken. In einem ähnlichen Preissegment antreten werden gegen Ende Jahr der neue Fiat Panda (die Studie Concept Centoventi gibt einen ersten Ausblick) sowie der neue Renault 5 E-Tech, der Ende Februar am Genfer Autosalon GIMS Weltpremiere feiern wird. Der kleine Franzose im Retrostil basiert auf der neuen Plattform AmpR Small für elektrische Kleinwagen, die Reichweiten bis zu 400 Kilometer ermöglichen soll. Mit dem angepeilten Preis von rund 25’000 Franken dürfte der R5 E-Tech ein ernsthafter Konkurrent für den in Europa so erfolgreichen Fiat 500e des Stellantis-Konzerns werden. Auf der gleichen Plattform wie der R5 lanciert Renault zusätzlich den optisch ähnlichen, aber deutlich sportlicheren Alpine A290 – und Nissan plant einen Nachfolger des Kleinwagens Micra. Dieser wird aber wohl nicht schon in diesem Jahr starten.
Es gibt auch neue Verbrenner
Trotz Elektroboom gibts 2024 aber auch einige Verbrenner-Neuheiten. So legt VW seine Bestseller Passat (nur noch als Kombi) und Tiguan neu auf. Die dritte Generation des Bestseller-SUVs steht auf dem modernisierten MQB-Baukasten, bekommt ein deutlich verbessertes Fahrwerk und elektrifizierte Antriebe. Ähnliches gilt für den Technikbruder Skoda Kodiaq. Für Preisbewusste gibts den neuen Dacia Duster. Er baut, wie schon der Dacia Jogger und Sandero, auf der neuen Plattform CMF-B auf. Allerdings wird er nicht mehr als Diesel angeboten. Genau wie der neue, 4,83 Meter lange und deutlich kantiger wirkende Hyundai Santa Fe, den es nur noch als Benziner oder Hybrid gibt. Der Korea-SUV tritt gegen den mit 4,71 Metern etwas kompakteren neuen Renault Rafale an, der zunächst mit Hybridantrieb (200 PS) und später auch als Plug-in-Hybrid mit 4x4 und 300 System-PS zu haben sein wird. Während bei Toyota der Geländeriese Land Cruiser ein Comeback feiert, bringt die Luxus-Tochter Lexus den eleganten LBX in den Verkauf – ein Kompakt-SUV auf Basis des Toyota Yaris Cross.
Zu den aufregendsten Neuheiten in diesem Jahr zählt bestimmt der – leider bereits ausverkaufte – Alfa Romeo 33 Stradale. Es gibt ihn in zwei Varianten. Entweder röhrt hinter dem Rücken des Fahrers ein doppelt aufgeladener Sechszylinder mit 620 PS (456 kW) – oder die Karbonflunder wird zusätzlich mit zwei E-Motoren elektrifiziert, leistet dann 750 PS und wird bis 333 km/h schnell. Da kommt der neue Mercedes AMG GT konventioneller daher. Untermotorisiert ist aber auch seine Topvariante GT 63 mit Vierliter-Achtzylinder und 585 PS sowie 800 Nm nicht.
Das zeigt: Neben vielen vernünftigen Stromern gibts dieses Jahr auch noch einige wenige verrückte Verbrenner-Autos zu kaufen. Doch sie werden immer weniger.