Die wahre Story des Elektroautos
Vorsicht Hochspannung!

Uneinlösbare Visionen und politische Fehlentscheidungen haben einen einst blühenden Industriebereich und Stolz Europas an den Rand des Abgrunds getrieben. Hier die wahre Geschichte des Elektroautos – im Stil einer sechsteiligen Netflix-Mini-Serie.
Publiziert: 22.03.2024 um 16:05 Uhr
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Nicht zuletzt Tesla-Boss Elon Musk mit seinen erfolgreichen Elektromodellen zwang die etablierten Autohersteller zum Umdenken.
Foto: zVg
Christian Kornherr

S1 E1: Der Sündenfall

Um Kosten zu sparen – letztlich auch für die Kunden – wurde auf der Abgasseite unter anderem vom VW-Konzern getrickst, was das Zeug hielt. Zuerst in einem Graubereich – später ging es klar ins Kriminelle.

Natürlich regiert das Böse manchmal auch in den Vorstandsetagen der Autohersteller. Aber die Verlockungen waren wohl zu gross. Im neuen Jahrtausend hatte die an Wucht gewinnende Klimalobby immer härtere Abgaslimits durchgesetzt, die bis hart an die Grenzen des damals technisch Machbaren gingen. Um Kosten zu sparen – letztlich auch für die Kunden – wurde auf der Abgasseite getrickst, was das Zeug hielt. Zuerst in einem Graubereich – später ging es klar ins Kriminelle.

Welche Rolle die Politik und die Zulassungsbehörden bei diesem jahrelangen Mega-Schwindel spielten, wurde nie wirklich hinterfragt. Es waren schliesslich alle zufriedengestellt: Die Grünen konnten die harten Grenzwerte feiern. Die Kunden freuten sich über kostengünstige Autos, die relativ wenig verbrauchten. Die Hersteller erlebten ihre besten Jahre. Fakt ist: Die staatlichen Stellen waren entweder haarsträubend inkompetent oder schauten einfach weg. Anders ist es nicht zu erklären, dass Millionen von eigentlich nicht zulassungswürdigen Fahrzeugen damals auf die Strassen kamen.

S1 E2: Ein Schuss ins Knie

Um nach dem Diesel-Gate einen Image-Totalschaden zu vermeiden, zeigten sich die Hersteller reuig und leisteten kaum Widerstand zum Verbrenner-Verbot der EU ab 2035.

Das Diesel-Gate wurde zur Steilvorlage für die Kritiker der Autobranche. Am Ende des Medien-Tsunamis hatte eine europäische Schlüsselindustrie vor den EU-Gremien jede Reputation verloren. Um einen Image-Totalschaden zu vermeiden, zeigten sich die Hersteller reuig und leisteten kaum – durchaus berechtigten – Widerstand zum Verbrenner-Verbot ab 2035. 

Und damit die Sache beim einfachen Volk auch wirklich total grün herüberkommt, wurde festgelegt, dass E-Autos null Emissionen erzeugen, unabhängig vom tatsächlichen Strommix – eine glatte politische Schummelei, moralisch kaum besser als das Diesel-Gate.

Experten, die auf die möglichen wirtschaftlichen Folgen hinwiesen, einen fairen Wettbewerb der Technologien forderten oder gar den zeitgerechten Aufbau von erneuerbaren Energielieferanten und Ladenetzen anzweifelten, galten schnell als Zukunftsleugner.

S1 E3: Freudige Transformation

Mercedes-Vorstandsvorsitzende Ola Källenius (54) galt als einstiger Elektro-Streber. Heute sagt er: «Mercedes wird bauen, was der Kunde verlangt.»
Foto: Mercedes-Benz AG

Die Autoherstellern versuchten danach, sich im Wochenrhythmus mit immer engagierteren Ausstiegsplänen zu übertreffen. Die Forschung und Entwicklung von neuen Verbrenner-Modellen wurden weitgehend eingestellt, hochqualifizierte Ingenieure in den Ruhestand oder in Abteilungen versetzt, wo sie weniger hoch qualifiziert waren. Die europäische Autoindustrie verliess freiwillig und Lemming-gleich das sichere Spielfeld, auf dem man sich eine unangefochtene Technologie-Führerschaft erarbeitet hatte.

E-Autos bestehen aus weniger Teilen, die Batterie als mit Abstand teuerste Komponente muss aus China oder Südasien importiert werden. Es darf also unterstellt werden, dass manchem Konzern-Chef – der ja auch irgendwie an seinem Job hängt – die Rendite eventuell wichtiger als die europäische Wertschöpfung war. Man begab sich also mit erstaunlicher Leichtigkeit auf komplett neues Terrain. Dort war der Aufholbedarf in Sachen Software und Batterie-Technologie aber noch viel grösser als befürchtet, wie sich später herausstellte.

S1 E4: Sinn & Unsinn, mal streng ökologisch

Leuchtendes Beispiel in der Schweiz: Das schon länger effizient funktionierende Akku-Recycling von Post-E-Töffli-Hersteller Kyburz.
Foto: Rio Werner Hauser

Tatsache ist: Wir können nicht weitermachen wie bisher. Aber für alle, die nicht an totale Verweigerung von Konsum und individueller Mobilität glauben, geht es nicht um den Absolutismus Verbrenner oder E-Auto, sondern um das wirtschaftlich sinnvolle Tempo des Wandels. Die ökologisch positiven Effekte des E-Autos entfalten sich erst vollständig, wenn der Strom tatsächlich aus erneuerbaren Quellen kommt. Nach dem Motto «Erzeuger statt Verbraucher» könnten Fördergelder an anderer Stelle eine höhere ökologische Wirkung erzielen. Solange kein deutlicher Ökostrom-Überschuss vorhanden ist, sollte sich die Politik ein Beispiel an der deutlich pragmatischeren Haltung Chinas nehmen, wo umgesetzt wird, was einen vernünftigen Kompromiss aus wirtschaftlichen und ökologischen Überlegungen verspricht.

Ausserdem wäre es an der Zeit, das unangenehme und wohl deshalb bisher fast völlig unbeachtete Batterie-Recycling zu thematisieren. In spätestens fünf Jahren werden die E-Autos der ersten Boom-Generation ausgemustert. Auch hier wirkt Europa wieder einmal entsetzlich blauäugig. Die gesetzlichen Hürden für das Batterie-Recycling wurden so hoch angesetzt, dass es nicht unwahrscheinlich ist, dass dieser Prozess ins billigere Asien abwandert. Im schlimmsten Fall verlässt ein ausgelaugtes E-Auto als Gebrauchtwagen völlig legal den EU-Raum, um dann auf einer afrikanischen Müllhalde zu landen.

S1 E5: Elektro-Katerstimmung

BMW-Chef Oliver Zipse (60) stand punkto Elektro-Transformation immer leicht auf der Bremse und galt deshalb als extrem uncool. Heute ist er der grosse Gewinner, weil auf BMWs Fertigungsstrassen gleichzeitig Verbrenner und E-Autos gebaut werden können.
Foto: richard@richardwalch com

Acht Jahre nach dem Diesel-Gate macht sich in Politik und Autoindustrie Katerstimmung breit. Die explodierenden E-Auto-Verkaufszahlen sind vorerst einmal vorbei. Der Einbruch kann nicht verwundern: Europaweit werden Förderungen zurückgeschraubt, die Early Adopters sind bereits bedient. Die heutige Kundschaft hat kein Sendungsbewusstsein, sondern will vor allem vernünftig und möglichst kosteneffizient Autofahren. Und da sind selbst 20’000-Franken-Elektromodelle zu teuer, wenn ein universellerer Dacia Sandero knapp mehr als die Hälfte kostet.

Eine knallharte Rabattschlacht hat begonnen, bei der die Europäer vorerst am kürzeren Hebel zu sitzen scheinen. Chinesische Hersteller können deutlich billiger produzieren, und viele Kunden finden es offensichtlich interessanter, wenn schon ein E-Auto, dann von einer schillernden Elektromarke zu kaufen.

Durch den Verlust an industrieller Wertschöpfung dürften Millionen sehr gut bezahlte Arbeitsplätze verloren gehen. Die elektroaffinen VW-Manager Herbert Diess (65) und Markus Duesmann (54, Audi) sind ihre Jobs schon los. Stellantis-Chef Carlos Tavares (65) hat eine 180-Grad-Wende hingelegt und der einstige Elektro-Vorreiter und Mercedes-Vorstandsvorsitzende Ola Källenius (54) sagt jetzt: «Mercedes wird bauen, was der Kunde verlangt.» Ein an sich logischer Satz, der nicht immer selbstverständlich war. Nach dem Milliarden-Desaster mit dem BMW i3 stand BMW-Chef Oliver Zipse (Bild, 60) in Sachen Elektro-Transformation immer leicht auf der Bremse und galt deshalb als extrem uncool. Heute ist er der grosse Gewinner, weil auf BMWs Fertigungsstrassen Verbrenner und Elektroautos nebeneinander gebaut werden können.

S1 E6: Blick in die Kristallkugel

Die Elektro-Transformation wird sich verlangsamen, aber sie kommt. Und das ist gut so.
Foto: Noe Flum

Die Elektro-Transformation wird sich verlangsamen, aber sie kommt. Und das ist gut so. Der bevorstehende politische Umschwung in der EU dürfte das Verbrenner-Verbot aufweichen. Das könnte den europäischen Herstellern die benötigte Zeit verschaffen, um bei Software-Applikationen und Batterie-Technologie entscheidend aufzuholen. Gelingt das nicht, steht für die Wirtschaft und das soziale Gefüge einiges auf dem Spiel. 

Im besten Fall nähern sich in einem natürlichen Prozess der freien Marktwirtschaft Verbrenner- und Elektrofahrzeuge in Eigenschaften und Preis so sehr aneinander an, dass es ein Leichtes sein wird, die richtige Wahl zu treffen. Eben so, wie es mit dem technologischen Fortschritt in der Vergangenheit stets erfolgreich gelaufen ist, wenn nicht die Politik im Weg war. Denn über das Fortschreiten des Weltklimas wird ohnehin anderswo entschieden.

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