Sergio Marchionne (1952-2018) war ein Freund klarer Worte. Mochte der ehemalige Fiat-Chrysler-Boss im Pullover noch so bescheiden in der Auto-Anzugwelt wirken: Er sagte, was er dachte. «Wir alle bauen zu viele Autos», zum Beispiel. Aber niemand hörte ihm zu.
Diese Woche zog die Autoindustrie eine erste Bilanz der Corona-Krise. Ihre Schlussfolgerung: Stellenstreichungen. 15'000 bei Renault und beinahe so viele bei Allianzpartner Nissan. Zulieferer ZF ennet des Bodensees in Friedrichshafen (D) streicht ebenfalls 15'000 Jobs. Und auch BMW verhandelt intern über Stellenabbau, Konkurrent Mercedes hat ihn längst angekündigt. Und sie werden wohl nicht die letzten sein.
Industrie wollte immer mehr
Die Corona-Krise hat schonungslos die Fragilität der Autoindustrie aufgedeckt. Selbst auf den einstigen Boom-Markt China ist kein Verlass mehr. Das System von Herstellern und Zulieferern ist finanziell so auf Kante genäht, dass der Corona-bedingte Absatzeinbruch sofort an die Substanz geht. Aber Corona war nur der Tropfen ins längst volle Fass.
Zu lange hat die Autoindustrie auf die Strategie des «Immer mehr» gesetzt: Immer mehr Märkte, immer mehr Modelle, immer mehr Absatz. Maximale Stückzahl um jeden Preis statt gesunder Marge. Die Konkurrenten sollte mit schierer Masse weggedrängelt werden. Marchionne hatte recht. Sie bauten alle zu viele Autos. Rund zwei Millionen beträgt die Überkapazität allein in Europa, rechnet Branchenexperte Ferdinand Dudenhöffer (68).
Kluge Frauen statt irre Machos
Dabei war sicherlich auch Macho-Gehabe im Spiel. Alpha-Bosse wie VWs Martin Winterkorn (73) oder Renault-Nissans Carlos Ghosn (66) setzten sich ein einfaches Ziel: Die Grössten zu sein. Dabei zeigen die wenigen Frauen an den Konzernspitzen, wie es auch gehen könnte.
Citroëns nun pensionierte Chefin Linda Jackson (61) beendete die irren Rabattschlachten ihrer Marke und machte sie so wieder profitabel. Mary Barra (58) erkannte bei General Motors (GM), das man nicht auf Teufel komm raus überall mitspielen muss, stampfte Marken ein, verkaufte Opel und zog Chevrolet aus Europa und Russland zurück. Seitdem ist GM raus aus den Negativschlagzeilen.
Zeit zu sparen
Renault und Nissan setzen jetzt den Schnitt, teilen sich Modelle, Technik und Märkte künftig auf, um effizienter zu werden. Nissan kappt seine Werkskapazitäten um 20 Prozent, Renault fährt von 4,0 Mio. Autos im Jahr auf künftig noch 3,3 Mio. herunter. Der Zeitpunkt ist richtig: Am 1. Juli startet mit Luca De Meo (53) ein Hoffnungsträger als neuer Renault-Chef. Der Italiener hatte zuletzt VWs hübscher, aber lange kraftloser Tochter Seat neue Stärke verliehen. Er kann nun Visionen entwickeln, ohne den Sparplan verantworten zu müssen.
Doch die Zeche des alten Systems zahlen jene Tausende von Mitarbeitenden, für die kein Platz mehr in der Autoindustrie sein wird.