Elektroautos sind umstritten. Kritisiert werden neben dem meist höheren Anschaffungspreis mangelnde Reichweite, zu wenig Ladestationen und lange Ladezyklen. Zumindest gegen die beiden letzten Argumente scheint die israelische Firma Electreon jetzt die Lösung gefunden zu haben. Dank induktivem Laden während der Fahrt sollen Reichweitenangst und lästige Lade-Zwischenstopps bei Elektroautos bald Geschichte sein.
Das Electric Road System ERS (englisch für elektrisches Strassensystem) von Electreon ermöglicht das kontakt- und kabellose Laden von fahrenden Elektroautos auf der Strasse. Klingt abgefahren, doch das Prinzip ist simpel und funktioniert ähnlich wie das kabellose Laden beim Smartphone: Über ein elektromagnetisches Feld wird Energie induktiv übertragen. Dazu werden Kupferspulen in die Fahrbahn eingelassen. Diese erzeugen unter Strom ein Magnetfeld, das mit dem Feld einer am Elektrofahrzeug montierten Gegenspule reagiert – elektrische Spannung wird kontaktlos übertragen. Der Wirkungsgrad beim Induktionsladen liegt, unabhängig von klimatischen Einflüssen, bei bis zu 92 Prozent.
Theoretisch ermöglicht das System Ladeleistungen von bis zu 70 Kilowatt (kW). Die durchschnittliche Ladeleistung heutiger Wechselstrom-Ladesäulen liegt zwischen 22 kW und 50 kW. Die Abrechnung des geladenen Stroms kann dann automatisiert erfolgen. Durch den Einbau induktiver Ladetechnologie auf viel befahrenen Abschnitten kann die Reichweite von E-Autos um rund 20 Prozent gesteigert werden. Electreon betont, der Umbau der Elektroautos für induktives Laden sei kein Problem, da die Spulen mit jedem elektrifizierten Auto kompatibel sind.
Neuer Testabschnitt in Bayern
Die Induktions-Technologie ist an sich nichts Neues. Sie erwärmt unser Essen auf dem Induktionsherd und versorgt kabellos Smartphones oder Tablets mit Strom. Auch Induktions-Parkplätze zum Laden von Elektrofahrzeugen gibts bereits. So laden etwa Busse der deutschen EnBW bei Stopps an Haltestellen ihren Akku an dazu im Boden eingelassenen Spulen.
Neu ist jedoch das Laden während der Fahrt – und dies hat Electreon schon erfolgreich getestet. In Tel Aviv (Israel) laden seit 2017 elektrische Stadtbusse auf einem induktiven Testabschnitt. Auf einer Autobahn in Italien wurde in Zusammenarbeit mit dem Autokonzern Stellantis und einem umgebauten Fiat 500e das induktive Ladesystem ebenfalls schon erfolgreich getestet. Selbst LKW können durch diese Technologie aufgeladen werden,wie es auf einem Strassenabschnitt auf der schwedischen Insel Gotland schon möglich ist.
Nun soll auch in Deutschland eine rund ein Kilometer lange Teststrecke realisiert werden. Das Projekt wird von der Friedrich-Alexander-Universität (Fau) in Erlangen-Nürnberg in Zusammenarbeit mit Via Imc Autobahn GmbH, Electreon, Risomat und der Technischen Hochschule Nürnberg umgesetzt. Die knapp acht Millionen Franken teure Teststrecke soll 2025 für den öffentlichen Verkehr in Betrieb genommen werden.
Noch ist die Technik teuer
Aber: Die Induktionstechnik fürs Laden während der Fahrt ist aktuell noch teuer. Zwar sind die Bauverfahren so ausgereift, dass bis zu ein Kilometer Spule pro Tag in den Asphalt eingelegt werden kann – allerdings zum happigen Preis von fast 1000 Franken pro Meter. Doch diese Kosten dürften sich durch vereinheitlichte Produktionsstandards bald reduzieren. «Die ersten Prototypen von Induktions-Kochherden waren auch exorbitant teuer», sagt Nejila Parspour (59), Leiterin des Instituts für elektrische Energiewandlung an der Uni Stuttgart.
Laut Tests und Studien haben die aktiven Magnetfelder keinerlei negativen Einflüsse auf Menschen oder Tiere in unmittelbarer Nähe. Das Magnetfeld wird sowieso nur aktiviert, wenn sich auch ein Fahrzeug samt zugehöriger Gegenspule darüber befindet. Dank des Induktionsladens könnten künftig kompaktere, leichtere und kostengünstigere Batterien für Elektroautos genutzt werden. Und die wiederum verbrauchen weniger Strom, sind sparsamer und klimaschonender unterwegs.