Präzision, Tempo, blindes Vertrauen – was für ein Zirkus! Reagierte nur einer der Werksfahrer auf der Bühne falsch, ein Crash wäre unvermeidbar. Nie zuvor haben wir an einer BMW-Präsentation so wild herumkurvende Modellneuheiten gesehen.
Eigene Show statt Massenmesse
Auch diese Show zeigt: BMW beschreitet völlig neue Wege, um Themen an die Öffentlichkeit zu bringen. Klassische Automessen sind keine taugliche Bühne mehr, weshalb die Bayern ihre Präsenz an der kommenden IAA im September in Frankfurt massiv zusammengestrichen haben. Stattdessen wurde in München der Markentempel «BMW-Welt» für mehrere Tage zum Zukunftspark «Next Gen» umdekoriert. Tiefer Einblick statt nur neuer Produkte, lautet die Devise.
Sechs Neue für 2019
Und BMW liefert eine neue Generation. Mit der rasanten Bühnenshow werden sechs frische Modelle für dieses Jahr vorgestellt – vom neu als Fronttriebler konzipierten 1er über die 8er-Varianten M8 Coupé und Cabrio und das viertürige Gran Coupé bis zum Kombi 3er Touring und dem überarbeiteten Kompakt-SUV X1.
Die Stromer kommen früher
Die wichtigste Nachricht ist allerdings eine elektrische: BMW-CEO Harald Krüger steckte die Konzernziele höher. Er will nun 25 elektrifizierte Modelle – die Hälfte rein elektrisch – schon bis 2023 statt erst 2025 auf die Strasse bringen. Möglich machts ein Strategiewechsel. Statt teurer Sonderlösungen wie die aktuellen i3 und i8 sollen sich die Stromer künftig die Plattform mit den Verbrenner-Modellen teilen. Das senkt die Entwicklungskosten und vereinfacht die Produktion, da beide flexibel vom gleichen Band rollen.
Autonomes Fahren nach Level 3
Noch dieses Jahr startet der Elektro-Mini, 2020 folgen der Elektro-SUV iX3, ein Jahr später der i4 und die Serienversion des iNext. Letzterer soll dann autonomes Fahren nach Level 3, also auf Autobahnen, beherrschen. «Wir gehen davon aus, dass Level 3 bis dahin auch erlaubt sein wird», sagt BMW-Vertriebsvorstand Pieter Nota.
Power-BEV mit 720 PS
BMW wirkt so fit für die Zukunft. Doch nachdem die «Automobilwoche» bereits spekulierte, die im Juli anstehende Vertragsverlängerung mit CEO Krüger sei noch nicht fix, erklärte der wenige Tage nach «Next Gen» am Freitag, nicht für eine weitere Amtszeit zur Verfügung zu stehen. Als möglicher Nachfolger wird Oliver Zipse gehandelt, wie Krüger vor seinem CEO-Job heute Produktionsvorstand. Manchem galt Krüger als zu zögerlich: Während etwa Porsches Tesla-Jäger Taycan im Herbst startet, hat BMW nur den Versuchsträger Power BEV vorzuweisen – der Prototyp in 5er-Karosserie lotet mit 720 PS aus drei E-Motoren das elektrisch und fahrdynamisch Mögliche aus. Serienreife? Reichweite? Noch keine Angaben.
M wird elektrifiziert
Eine weitere Baustelle ist die Sporttochter M. Sie setzt auf hochgezüchtete Turbobenziner in zahlreichen Modellreihen – M5 und Co. sind zwar beliebt in der Schweiz, aber Gift für die CO2-Bilanz. Ihre Zukunft könnte in der Studie Vision M Next liegen, die zwar latent nach Lamborghini ausschaut, aber deren 600 PS starker Plug-in-Hybridantrieb rein elektrisches Fahren und Nachladen an der Steckdose ermöglicht. Konkurrent Mercedes-AMG bietet allerdings längst Hybridmodelle an. Mit dem aus Alu und Kohlefaser gefertigten Concept-Töff Vision DC Roadster schaut BMW auch in die elektrische Motorrad-Zukunft. Doch Harley-Davidson kommt noch 2019 mit einem Elektro-Serienmodell ...
Schafft BMW den CO2-Grenzwert?
Neuheiten für die kommenden Monate, zahlreiche Stromer für die nächsten vier Jahre: Aber dazwischen droht noch ein Datum. Denn ab 1. Januar 2020 gilt der neue CO2-Grenzwert von 95 g/km. Zwar noch mit sanfter Übergangslösung, aber definierten Strafzahlungen für jedes Gramm zu viel. Wie will BMW den Wert einhalten? «Wir sind breit aufgestellt mit effizienten Benzin- und Dieselmotoren. Und ab 2020 werden wir zum Beispiel den X3 auch mit Plug-in-Hybrid und elektrischem Antrieb anbieten», sagt Pieter Nota. Aber gleichzeitig werde auch der X3 M mit 480 PS seine Kunden finden und in der Schweiz wohl das meistverkaufte M-Modell werden. «Wenn die Kunden das Auto wollen, werden sie es bekommen – wir bevormunden unsere Kunden nicht. Aber wir werden auch alles daran setzen, Strafzahlungen zu vermeiden, und nichts verheimlichen», stellt Nota klar.
Die neue dritte Generation des bulligen SUV-Coupés X6 auf Basis des X5 wurde überraschenderweise nun erst einige Tage nach dem Next-Gen-Event enthüllt. Vielleicht passte sie nicht in die Show der Elektro-Zukunft.