China öffnet sich nach der Corona-Pandemie langsam – und die Autowelt strömt nach Shanghai, wo mit der Auto China nach mehr als drei Jahren erstmals wieder die inzwischen bedeutendste Automesse der Welt stattfindet.
Unser Besuch zeigt: Stärker als von vielen erwartet, hat sich China mittlerweile auf die Elektromobilität eingeschworen. Rund ein Drittel aller neu im Land zugelassenen Fahrzeuge sind elektrifizierte Plug-in-Hybride oder reine Elektroautos – also sogenannte Steckerfahrzeuge. Die chinesischen Grosskonzerne wie SAIC, BYD, Great Wall oder Geely haben neue Marken und Autos unterschiedlichster Ausrichtung kreiert, die mit gefälligem Design und modernster Technik bei der heimischen Bevölkerung punkten, aber auch fit für den Export in die weite Welt sind.
Auf der Tour durch die Messehallen entdecken wir kaum noch Fahrzeuge mit Benzin- oder Dieselmotoren. Der Blick in die automobile Zukunft an den mächtigen Messeständen von Zeekr, Roewe, MG, Haval oder Nio ist rein elektrisch. Waren die einst dreisten Kopien westlicher Autos schon vor der Pandemie weitgehend verschwunden, lehnt sich zwar heute noch immer das eine oder andere Design an europäischen Vorbildern an – inzwischen aber gekonnt und durchaus gefällig. Zudem stimmt bei den chinesischen Produkten jetzt auch die Qualität im Fahrzeuginnern. Und bei modernen Fahrerassistenzsystemen, gigantischen Touchscreens und anderen Elektronik-Innovationen macht man den chinesischen Herstellern sowieso so schnell nichts vor. Wir entdecken Türen, die sich auf Gesichtserkennung wie von Geisterhand öffnen, massenhaft verarbeitete Lidar-Lasersensoren, Massagesessel und innovative Lichttechnik.
Chinesen sind innovativer und mutiger
Während in Europa und Amerika weiterhin in siebenjährigen Modellzyklen geplant wird, und die Fahrzeuge zur Mitte der Laufzeit mit einem dezenten Facelift aufgefrischt werden, handeln chinesische Marken viel schneller und mutiger. Natürlich, sie können oder müssen sich nicht auf Tradition und Markenhistorie berufen. Doch beides interessiert chinesische Kundinnen und Kunden sowieso nicht. Sie wollen einen möglichst guten Deal – sprich: viel Auto für möglichst wenig Geld, erklärt uns ein einheimischer Analyst. Wichtig sind dagegen eine perfekte Vernetzung für WeChat-Integration (das chinesische Whatsapp), damit während der Fahrt bezahlt oder mit der Community diskutiert werden kann, grosse Bildschirme im Cockpit, Gesten- und Sprachsteuerung und natürlich künstliche Intelligenz.
Mit der europäischen Dominanz auf dem chinesischen Markt ist es also vorbei. Hersteller wie BMW und Mercedes, vor allem aber auch Volkswagen mit Tochter Audi sehen ihre Absatzzahlen auf dem grössten Automarkt der Welt einbrechen. Die chinesischen Autobauer setzen die europäische Konkurrenz aber nicht nur in China massiv unter Druck, sondern auch bei uns. Obwohl viele der zahllosen chinesischen Automarken nicht nach Europa kommen werden, haben Hersteller wie Geely, Great Wall, MG oder Nio unseren Kontinent längst im Fokus. Und mit Zeekr, dem Premiumableger von Geely, macht sich bereits die nächste China-Marke auf, um Europa zu erobern. «Vor zwei Jahren präsentierten wir unser erstes, hochmodernes Elektrofahrzeug Zeekr 001. Dann kam der Zeekr 009 und jetzt der Zeekr X», erklärt uns Zeekr-CEO Andy An stolz. «Und wir freuen uns, als weiteren wichtigen Schritt unserer Wachstumsstrategie unsere Marke bald in Europa vorstellen zu dürfen.» Was in unseren Ohren charmant klingt, dürfte auf die grossen europäischen Autobauer eher wie eine Drohung wirken.