Ami-Elektromarke Lucid startet in Europa
Der Anti-Tesla für 199'000 Franken

Lucid legt los: Die Ami-Elektromarke will ab sofort auch Europäer bezirzen. Der Air startet in Topversion ab 199'000 Franken – und will bitte eben kein Tesla-Jäger sein, wie uns Ex-Tesla-Mann und Chefentwickler Eric Bach (49) erklärt.
Publiziert: 16.05.2022 um 16:50 Uhr
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Aktualisiert: 17.05.2022 um 16:13 Uhr
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In Europa angekommen: Das «Studio» – wie es Lucid nennt – in München ist der erste europäische Showroom der Elektromarke.
Foto: Lucid
Timothy Pfannkuchen

«Location, Location, Location», sagen Immobilien-Makler: Gute Lage ist alles. Ginge es danach, hätte Lucid in Europa schon gewonnen: Die kalifornische US-Elektromarke hat in München (D) das erste Europa-«Studio» eröffnet. Direkt am Odeonsplatz: Viel besser kann Lage nicht sein. Noch 2022 folgen Showrooms in Genf und in Zürich.

Wer ist Lucid Motors?

Bereits 2007 startete Lucid Motors – damals noch unter dem Namen Atieva – als Zulieferer für Elektroantriebe. Sieben Jahre später ging es los mit der Entwicklung des ersten eigenen Modells namens Air. Seit 2016 trägt die Firma den Namen Lucid Motors und residiert seit 2019 im kalifornischen Newark (USA). Gebaut wird der Air im Werk in Casa Grande (Arizona, USA, Bild), ein weiteres Werk entsteht in Saudi-Arabien. Im Endausbau sollen 300'000 Autos pro Jahr vom Band laufen.

Lucid Motors, wesentlich mitfinanziert vom saudi-arabischen Staatsfonds, hat ein sehr erfahrenes Führungsteam angeheuert: CEO Peter Rawlinson gilt als Vater des Tesla-Erfolgs, weil er als Entwicklungschef einst das Model S anschob. Der Hardware-Technikchef Eric Bach kam ebenfalls von Tesla. Die Finanzchefin Sherry House ist von General Motors zu Lucid gestossen, Designer Derek Jenkins stylte vorher Audis, Mazdas und VWs.

Lucid

Bereits 2007 startete Lucid Motors – damals noch unter dem Namen Atieva – als Zulieferer für Elektroantriebe. Sieben Jahre später ging es los mit der Entwicklung des ersten eigenen Modells namens Air. Seit 2016 trägt die Firma den Namen Lucid Motors und residiert seit 2019 im kalifornischen Newark (USA). Gebaut wird der Air im Werk in Casa Grande (Arizona, USA, Bild), ein weiteres Werk entsteht in Saudi-Arabien. Im Endausbau sollen 300'000 Autos pro Jahr vom Band laufen.

Lucid Motors, wesentlich mitfinanziert vom saudi-arabischen Staatsfonds, hat ein sehr erfahrenes Führungsteam angeheuert: CEO Peter Rawlinson gilt als Vater des Tesla-Erfolgs, weil er als Entwicklungschef einst das Model S anschob. Der Hardware-Technikchef Eric Bach kam ebenfalls von Tesla. Die Finanzchefin Sherry House ist von General Motors zu Lucid gestossen, Designer Derek Jenkins stylte vorher Audis, Mazdas und VWs.

Lucid ist bei alledem längst keine Vision mehr, sondern bereits ein echter Autobauer: In den USA rollen seit Ende 2021 erste Exemplare der E-Luxuslimousine Air, dieses Jahr sollen 12'000 bis 14'000 das Werk im US-Bundesstaat Arizona verlassen. Hier geht es Ende 2022 los, ordern kann man schon. Der Air kostet anfangs ab 199'000 Franken.

900 Kilometer weit

Echt jetzt? Ja, denn zum Start gibt es nur die limitierten «Dream-Edition»-Topmodelle mit den Kürzeln P und E. In den 520 Stück ist dafür alles drin, samt – kein Schreibfehler – irren 947 bis 1126 Elektro-PS und – wieder kein Schreibfehler – bis zu rund 900 Kilometer Reichweite (geschätzter WLTP-Wert, Homologation steht noch aus). Die kleineren Modelle der 100'000-Franken-Liga mit etwa 480 bis 620 PS sowie mit Heck- oder Allradantrieb sollen bereits auf nächstes Jahr folgen.

Lucid Air Dream Edition P/R

Antrieb 2 E-Motoren, R/P 947/1126 PS (696/828 kW), je 1390 Nm, Automat, 4x4, Akku 118 kWh
Fahrleistungen 0–100 km/h 2,9/2,7 s, Spitze je 270 km/h, Reichweite ca. 900/830 km (geschätzt, WLTP noch offen)
Masse L/B/H 4,98/1,94/1,41 m, ca. 2300 kg, Laderaum v./h. 202/459 l
Umwelt ca. 13 kWh/100 km (R), 0 g/km CO2, Energie A
Preis
ab 199'000 Franken

Antrieb 2 E-Motoren, R/P 947/1126 PS (696/828 kW), je 1390 Nm, Automat, 4x4, Akku 118 kWh
Fahrleistungen 0–100 km/h 2,9/2,7 s, Spitze je 270 km/h, Reichweite ca. 900/830 km (geschätzt, WLTP noch offen)
Masse L/B/H 4,98/1,94/1,41 m, ca. 2300 kg, Laderaum v./h. 202/459 l
Umwelt ca. 13 kWh/100 km (R), 0 g/km CO2, Energie A
Preis
ab 199'000 Franken

Im dezent edlen Studio konfigurieren wir mit 3D-Rundumbrille auf dem Kopf einen Air – cool, wie in den Entwicklungsabteilungen der Autobauer. Man kann gar virtuell ums Auto laufen! Dann Sitzprobe in dem einen realen Auto im Showroom. Tesla in Grün? Nö: Der Fünf-Meter-Flachmann bleibt beim Monitor dezenter (der mittlere Screen ist gar voll versenkbar) und ist dafür bei den Materialien eine Welt nobler. Als hätten BMW oder Mercedes mitentwickelt: sehr luxuriös und erstaunlich europäisch.

«Wie ein Lotus»

Das Platzangebot in der Alu-Karosserie hinter um 90 Grad öffnenden Türen ist hinten an den Knien exzellent und am Kopf gut. Unter der Alu-Karosserie steckt Luftfederung. Hoch komfortabel solls sein, und Eric Bach (49) ist zudem sicher: «Das Fahrzeug lenkt ein wie ein Lotus!» Der deutsche Ex-VW- und Ex-Tesla-Entwickler ist seit sieben Jahren bei Lucid und verantwortet als Chefentwickler die Hardware. Bach sprüht vor Begeisterung (siehe Kurzinterview). «Sein» Air steckt in der Tat voll spannender Details.

Interview mit Lucid-Chefentwickler Eric Bach

Herr Bach, Lucid wird oft als Start-up bezeichnet. Heute hat Lucid über 4000 Mitarbeiter und plant ein zweites Werk. Ist das noch ein Start-up?
Eric Bach:
Wir sind noch immer ein Start-up! Als wir die Finanzierung bekommen haben, waren wir 140 Leute. Wir fahren jetzt gerade das erste Projekt hoch und schalten nun erst langsam auf eine Multiprojekt-Organisation um.

Der Lucid Air ist in den Medien meist ein «Tesla-Jäger», ein «Tesla-Gegner» oder «Tesla-Schläger», ...
... was wir nicht mehr hören können, zumal viele von uns ja bei Tesla waren: Ich habe mit meinen eigenen Händen das Model S mit entwickelt und gebaut. Und Elon ist halt Elon. Aber er hat die Elektromobilität salonfähig gemacht und uns alle auf diesen Pfad mitgenommen. Wir wollen keine Tesla-Jäger sein. Wir sind Eiszeit-Jäger: Wir schaffen die Auto-Eiszeit ab – den Verbrennungsmotor, Abgase, Treibhausgase.

Wieso legt Lucid Wert darauf, fast alle Komponenten selbst zu entwickeln?
Wir entwickeln 99 Prozent selbst zugunsten maximaler Effizienz, ob beim Antrieb oder beim Raumkonzept. Schliesslich wollen wir Reichweiten-Angst in Reichweiten-Zuversicht verwandeln. Ein Beispiel: Unser selbst entwickelter, technisch völlig neuartiger Scheinwerfer ist 20 bis 30 Prozent kleiner und leichter als üblich. Weil wir einen Schritt mehr gegangen sind, hat unser Scheinwerfer nun deutlich mehr Leuchtkraft, ohne teurer zu sein.

Wenn Sie den Lucid Air auf ein Wort bringen müssten. Was ist er?
EV 3.0! Tesla war EV 1.0, die anderen sind jetzt bei 2.0, wir sind die 3.0.

Der Air ist bereits in Produktion. Was kommt als nächster Lucid?
Das zweite Produkt ist ein SUV in einer ähnlichen Klasse, der Gravity. Und wir arbeiten parallel bereits an unserer Mittelklasse-Plattform, die natürlich im Preis günstiger wird und im Volumen auch eine deutlich grössere Bandbreite hat.

Der Deutsche Eric Bach (49) war bei VW und Tesla, ehe er vor sieben Jahren als Chefentwickler zu Lucid Motors kam.
Timothy Pfannkuchen

Herr Bach, Lucid wird oft als Start-up bezeichnet. Heute hat Lucid über 4000 Mitarbeiter und plant ein zweites Werk. Ist das noch ein Start-up?
Eric Bach:
Wir sind noch immer ein Start-up! Als wir die Finanzierung bekommen haben, waren wir 140 Leute. Wir fahren jetzt gerade das erste Projekt hoch und schalten nun erst langsam auf eine Multiprojekt-Organisation um.

Der Lucid Air ist in den Medien meist ein «Tesla-Jäger», ein «Tesla-Gegner» oder «Tesla-Schläger», ...
... was wir nicht mehr hören können, zumal viele von uns ja bei Tesla waren: Ich habe mit meinen eigenen Händen das Model S mit entwickelt und gebaut. Und Elon ist halt Elon. Aber er hat die Elektromobilität salonfähig gemacht und uns alle auf diesen Pfad mitgenommen. Wir wollen keine Tesla-Jäger sein. Wir sind Eiszeit-Jäger: Wir schaffen die Auto-Eiszeit ab – den Verbrennungsmotor, Abgase, Treibhausgase.

Wieso legt Lucid Wert darauf, fast alle Komponenten selbst zu entwickeln?
Wir entwickeln 99 Prozent selbst zugunsten maximaler Effizienz, ob beim Antrieb oder beim Raumkonzept. Schliesslich wollen wir Reichweiten-Angst in Reichweiten-Zuversicht verwandeln. Ein Beispiel: Unser selbst entwickelter, technisch völlig neuartiger Scheinwerfer ist 20 bis 30 Prozent kleiner und leichter als üblich. Weil wir einen Schritt mehr gegangen sind, hat unser Scheinwerfer nun deutlich mehr Leuchtkraft, ohne teurer zu sein.

Wenn Sie den Lucid Air auf ein Wort bringen müssten. Was ist er?
EV 3.0! Tesla war EV 1.0, die anderen sind jetzt bei 2.0, wir sind die 3.0.

Der Air ist bereits in Produktion. Was kommt als nächster Lucid?
Das zweite Produkt ist ein SUV in einer ähnlichen Klasse, der Gravity. Und wir arbeiten parallel bereits an unserer Mittelklasse-Plattform, die natürlich im Preis günstiger wird und im Volumen auch eine deutlich grössere Bandbreite hat.

Niemand sonst bietet derzeit beispielsweise ein System mit 924 Volt Spannung: Der Air soll auch deshalb mit 300 kW in 13 Minuten Strom für rund 400 Kilometer laden können. Oder der E-Motor: Er ist eine Lucid-Eigenentwicklung, damit er möglichst effizient ist – und aus 74 Kilo Motorgewicht bis zu 680 PS (500 kW) holt. Man darf gespannt sein auf diesen – ja, was ist der Lucid Air eigentlich? Ein Tesla-Jäger? Nein, eher ein Anti-Tesla: stärker, weiter, edler. Und eine Kampfansage an E-Luxuslimousinen wie Mercedes EQS und Co.

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