Alles Wissenswerte rund um E-Fuels
Geht der Zukunft doch nicht der Sprit aus?

Fossile Energieträger wie Benzin, Diesel oder Kerosin könnten in Zukunft durch sogenannte E-Fuels ersetzt werden. Dies würde entscheidend zum Klimaschutz beitragen. Wir analysieren, wie viel Potenzial im Zukunftssprit steckt – und wo seine Grenzen liegen.
Publiziert: 23.11.2024 um 06:45 Uhr
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Aktualisiert: 23.11.2024 um 17:58 Uhr
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Das Jahr 2024 wird als wärmstes seit Beginn der Temperaturaufzeichnungen ein gehen. Hauptverursacher der globalen Erwärmung ist dabei laut UNO-Weltklimarat IPCC zweifelsfrei der Mensch. (Symbolbild)
Foto: Getty Images

Auf einen Blick

  • Synthetische Kraftstoffe als CO2-freie Alternative zu Benzin, Diesel und Kerosin
  • Hoher Energiebedarf und geringer Wirkungsgrad sind Hauptnachteile von E-Fuels
  • E-Fuels dürften vorerst für Schiffe und Flugzeuge eingesetzt werden, nicht für Autos
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Andreas EngelRedaktor Auto & Mobilität

Neuer Monat, neuer Temperaturrekord: Der Oktober 2024 geht als wärmster in die Geschichte ein – wie im Vergleich auch alle 16 Monate davor. Die Temperaturen lagen jeweils mehr als 1,5 Grad über dem Schnitt der vorindustriellen Referenzperiode von 1850 bis 1900. Laut UNO-Weltklimarat IPCC sei es dabei zweifelsfrei erwiesen, dass der Mensch Hauptverursacher dieser globalen Erwärmung ist – respektive der vom Menschen verursachte Ausstoss von Treibhausgasen wie Kohlendioxid (CO₂) oder Methan. 

Um die drohende Klimakrise abzuwenden, hat sich die Weltgemeinschaft 2017 im Pariser Klimaabkommen ambitionierte Ziel gesetzt. So soll bis im Jahr 2050 globale Klimaneutralität erreicht werden, also der Ausstoss von CO₂ und anderen Treibhausgasen auf null reduziert werden. Dazu müssen zwingend fossile Energieträger durch regenerative ersetzt werden. Konkret bedeutet das: Schiffe dürfen nicht mehr mit Schweröl fahren. Flugzeuge nicht mehr mit Kerosin fliegen. Und Lastwagen und Autos nicht mehr mit Benzin oder Diesel betrieben werden. Für PWs halten die meisten Fachleute den Elektroantrieb als derzeit effizienteste klimaneutrale Lösung. Doch auch sogenannte E-Fuels werden in den letzten Jahren als Alternative zum Strom beworben. Doch was sind E-Fuels überhaupt – und welches Potenzial haben sie? 

Der Sprit der Zukunft?

Der Name E-Fuels hat sich als Sammelbegriff für synthetisch erzeugte Kraftstoffe etabliert. Das Besondere: E-Fuels verzichten auf fossile Ausgangsstoffe wie Rohöl und basieren stattdessen, vereinfacht gesagt, auf nachhaltig erzeugtem Strom – deshalb das «E» im Namen. In einem ersten Schritt wird Wasser in seine Bestandteile Wasserstoff (H₂) und Sauerstoff (O) zerlegt – dafür werden allerdings grosse Mengen elektrischer Energie benötigt. Anschliessend wird der erzeugte Wasserstoff mit klimaschädlichem CO₂ zu einem flüssigen Rohöl synthetisiert. Der Clou: Das nötige CO₂ kann im besten Fall aus der Umgebungsluft gefiltert werden – entsprechende Anlagen, etwa vom ETH-Spin-off Climeworks, gibt es bereits. Aus dem künstlich hergestellten Rohöl lassen sich dann Treibstoffe destillieren, ohne dass zusätzliches CO₂ in die Atmosphäre gelangt.

Was sind die Vorteile?

Alle auf H₂ basierenden E-Fuels können im Prinzip in beliebiger Menge produziert werden, wenn genügend grüner Strom vorhanden ist. Ausserdem kann der künstlich hergestellte Sprit in nahezu jedem Verbrennungsmotor eingesetzt werden, solange die E-Fuels innerhalb der Normen für den jeweiligen Treibstoff-Typ liegen. Sprich: Eine Umrüstung der Motoren ist nicht nötig – selbst ein alter VW Käfer kann mit E-Fuels betrieben werden (Ausnahme: Zweitakter wie der Trabant). Weiterer Vorteil: E-Fuels können wie Benzin oder Diesel nahezu verlustfrei transportiert und über das bestehende Tankstellennetz verteilt werden – auch ein Mix aus normalem Sprit und E-Fuels ist möglich. 

Was sind die Nachteile?

Klingt alles fast zu schön, um wahr zu sein – und ist es leider auch. Denn bis E-Fuels tatsächlich aus den Zapfhähnen sprudeln, werden enorme Mengen elektrischer Energie benötigt. Liegt der Wirkungsgrad – also der Anteil der Energie, die am Ende tatsächlich in den Vortrieb der Fahrzeuge umgewandelt wird – eines heutigen Elektroautos bei 70 bis 80 Prozent, sind es bei einem mit E-Fuels betanktem Auto nur 10 bis 15 Prozent. Ein mit Wasserstoff betriebenes Brennstoffzellenauto kommt immerhin auf einen fast doppelt so hohen Wirkungsgrad. Warum? Während bei E-Fuels erst verlustreich elektrische in chemische Energie umgewandelt werden muss, bis der Sprit danach im Verbrenner mit weiteren hohen Verlusten in Antriebsenergie umgesetzt wird, wandelt ein E-Motor die zugeführte Energie direkt in Vortrieb um. Konkret bedeutet das: Ein mit E-Fuels betanktes Auto braucht für die gleiche Strecke drei- bis fünfmal mehr Strom als ein E-Auto (siehe Grafik). Bei der Nutzung von E-Fuels wird das vorher gebundene CO₂ ausserdem wieder freigesetzt, während E-Autos (und H₂-Autos) zumindest lokal emissionsfrei fahren. 

Foto: Blick Grafik

Was ist der Stand bei der Produktion?

Heute gibt es weder genügend grünen Strom für die Produktion von E-Fuels noch ausreichend grosse Produktionsanlagen, welche die benötigten Mengen des Zukunftssprits für Abermillionen von Autos herstellen könnten. Als erster Hersteller hat Porsche 2022 eine Versuchsanlage im Süden Chiles eröffnet, die mithilfe von Windenergie E-Fuels produziert. Bis 2026 soll die Jahresproduktion auf 426’000 Tonnen E-Fuels steigen. Aber: Allein die Schweiz verbrauchte 2021 mit 2,13 Millionen Tonnen Benzin ziemlich genau das Fünffache. Nicht hinzugerechnet der Dieselverbrauch von weiteren rund 2,72 Millionen Tonnen!

Prädestiniert – und oft diskutiert – wären Anlagen beispielsweise in Wüstenstaaten: Beim grün gewonnenen Solarstrom, etwa in der Sahara, der unter Einrechnung aller Kosten derzeit zwischen ein und zwei Rappen pro Kilowattstunde liegen dürfte, liesse sich auch gleich vor Ort die chemische Umwandlung zum Öko-Kraftstoff vornehmen. Die so besonders günstig hergestellten E-Fuels könnten danach annähernd verlustfrei via Pipeline oder Tankschiff nach Europa transportiert werden. Auch Anlagen in sehr windreichen Regionen wie der Nordsee oder entlang der Atlantikküste kämen infrage. 

Auch ein Schweizer Unternehmen mischt bereits auf dem E-Fuels-Markt mit: Das ETH-Spin-off Synhelion, an dem u.a. Swiss und die Amag beteiligt sind, hat dieses Frühjahr seine erste Produktionsanlage im deutschen Jülich eröffnet, die für die Stromerzeugung Sonnenenergie nutzt. Unzählige Spiegel reflektieren das Sonnenlicht so, dass es gebündelt auf einen Empfänger genannten Turm trifft. Die dabei entstehende Hitze von rund 1500 Grad Celsius wird gespeichert und als Reaktionswärme zur E-Fuel-Produktion in einem Reaktor verwendet. Bis 2030 will Synhelion pro Jahr 700'000 Tonnen synthetischen Treibstoff produzieren. Diese Menge würde reichen, um etwa die Hälfte der heutigen Swiss-Flugzeugflotte CO₂-neutral zu betreiben. 

Wo könnten E-Fuels eingesetzt werden?

Flugzeuge, ein gutes Stichwort: Während Batterien als Energiespeicher in PWs problemlos einsetzbar sind, ist dies in anderen Transportbereichen praktisch nicht möglich: allen voran in der Luft- und im Schiffsfahrt, aber auch bei schweren Baumaschinen oder grossen LKW. Umweltexperten fordern deshalb, E-Fuels zuerst in diesen nicht-elektrifizierbaren Sparten einzusetzen.

Doch selbst bei Flugzeugen und Schiffen wird es in absehbarer Zeit unmöglich, die globalen Riesen-Flotten komplett mit E-Fuels zu betanken. Laut einer Studie des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) würden die E-Fuels, die 2035 global zur Verfügung stehen, nicht einmal ausreichen, um die Nachfrage in nicht-elektrifizierbaren Sektoren wie dem Flug- und Schiffsverkehr, aber auch der Chemieindustrie zu decken – und das nur schon in Deutschland! Für PWs bliebe dem PIK zufolge am Ende schlicht nichts übrig. Selbst im Best-Case-Szenario mit deutlichen Fortschritten bei den Produktionsvolumen könne in Deutschland bis 2035 gerade einmal die Hälfte der Nachfrage in den nicht-elektrifizierbaren Sektoren gedeckt werden.

Wie geht es in Zukunft weiter?

Dass E-Fuels in absehbarer Zeit als Treibstoff für unsere Autos verwendet werden können, gilt nach heutigem Erkenntnisstand als äusserst unwahrscheinlich. Zwar fordern insbesondere bürgerliche Politiker wie der deutsche Verkehrsminister Volker Wissing «Technologieoffenheit» und haben mit der Aussicht, Benzin und Diesel einst durch E-Fuels ersetzen zu können, gar das längst vom EU-Parlament beschlossene Verbrenner-Aus ab 2035 gekippt. Es ist sogar eine neue «E-Fuels only»-Kategorie für Neuwagen mit Verbrennungsmotor geplant. Doch bis der CO₂-neutrale Sprit in genug grossen Mengen produziert werden kann, um damit nicht nur die Luft- und Schifffahrt, sondern auch alle bestehenden und sogar neue Autos versorgen zu können, wird es noch weit länger als bis ins Jahr 2035 dauern. 

Was ausserdem nicht vergessen werden darf: Nicht nur viele europäische Autohersteller haben sich längst Ausstiegsfristen vom Verbrenner gesetzt. E-Fuels dürften deshalb vor allem für den auch übers Jahr 2035 hinaus grossen Bestand von schon in Verkehr gesetzten Verbrennerautos verwendet werden. Realistisch und auch von der EU vorgesehen ist, dass bis zum Jahr 2030 eine verpflichtende Quote von 2,6 bis 5,7 Prozent grünem Wasserstoff und E-Fuels im europäischen Verkehrssektor eingeführt wird.

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