24 Stunden von Le Mans: Regen, Crashs und Schweizer vorne
Hammer-Rennen zum Hundertsten

Nach fünf ungefährdeten Toyota-Triumphen in Serie seit 2018 gabs in der 100. Auflage des Langstrecken-Autorennens endlich wieder echte Konkurrenz, ein vor allem im ersten Drittel irres Rennen – und einen altbekannten Sieger.
Publiziert: 12.06.2023 um 07:09 Uhr
|
Aktualisiert: 12.06.2023 um 10:16 Uhr
1/31
Das 24-Stunden-Rennen von Le Mans (F) gilt als eine der härtesten Motorsport-Veranstaltungen der Welt.
Foto: Dppi
RMS_Portrait_AUTOR_433.JPG
Andreas FaustLeitung Auto & Mobilität

Nach dem Rennen gabs kein Halten: Kaum war die Paraderunde nach dem Zieleinlauf der 24 Stunden von Le Mans (F) absolviert, stürmten die Fans mit Fahnen die Boxengasse. Genau 50 Jahre hatte sich Ferrari geziert und sich aus der Topklasse der Prototypen herausgehalten. Pünktlich zum 100. Geburtstags des wohl härtesten Langstreckenrennens der Welt am 10. und 11. Juni kehrte die Scuderia nun 2023 zurück – und holte auf Anhieb den Titel.

Damit endeten fünf Jahre Vormachtstellung des Toyota-Werksteams Gazoo Racing – seit 2018 gings mangels echter Konkurrenz in der Prototypen-Kategorie immer nur um die Frage, welcher der Hybrid-Toyotas am Schluss oben auf dem Podium steht. Langeweile zog ein bei der Drama-Queen unter den Motorsport-Events.

Die Drama-Queen unter den Autorennen

Selbst wen sonst Rallyesport oder die Formel 1 nicht vom Hocker hauen, schliesst das Rennen mitten im französischen Niemandsland in sein Herz. Seit 1923 macht es in der Provinz für ein Wochenende die Nacht zum Tage. Über eine halbe Million Menschen drängen sich jedes Jahr an der Strecke. Hitze, immer wieder launisches Wetter und die extremen Belastungen für Mensch und Maschine sorgten immer wieder für irre Wendungen im Rennen. Bis Toyota eindrucksvoll, aber vorhersehbar für Jahre die Krone auf dem 13,6 Kilometer langen Rundkurs an sich riss.

Mit den Werks-Rückkehrern Cadillac, Ferrari, Peugeot und Porsche und ambitionierten Privatteams wie Glickenhaus oder Floyd Vanwall spürte Toyota in diesem Jahr in der sogenannten Hypercar-Klasse nun endlich wieder echten Druck. Und wie: Mit Rundenzeiten unter 3:23 Minuten holte sich Ferrari in der Qualifikation die Startplätze 1 und 2 für seine beiden Hybrid-Boliden 499P mit den Startnummern 50 und 51.

Crashs im Regen

Sieg mit Ansage? Natürlich hatte Ferrari darauf gehofft – was für eine Geschichte wäre das! Aber in den ersten zehn Stunden ab Start sah es nicht danach aus. Plötzliche Regengüsse machten den Staub auf dem Asphalt zur Schmierseife. Eine vernünftige Reifenstrategie war unmöglich – an einem Streckenende goss es, am anderen knallte die Sonne. Reihenweise kreiselten die Boliden hilflos in die Banden und crashten gar in den Auslaufzonen. In zwei der ersten vier Stunden dreht das Feld hinter dem Safety Car im Bummeltempo Runden, bis wieder aufgeräumt war. Selbst Ferraris Nummer 51 erwischte es. Von 62 gestarteten Autos schafften es bloss 40 am Schluss ins Ziel – glücklicherweise gabs keine Verletzten.

In der Nacht trumpften dann die Schweizer Fahrerinnen und Fahrer gross auf. Der Thuner Nico Müller (31) machte im Peugeot-Hypercar 9X8 mit der Nummer 94 Druck und setzte sich für rund vier Stunden an die Spitze des Feldes. Bis kurz nach dem Fahrerwechsel auf Teamkollege Gustavo Menezes (28) dieser den Peugeot in die Leitplanke setzte, die rechte Seite demolierte und mit blockiertem Vorderrad zur Reparatur in die Boxengasse kroch. Aus der Traum.

Das musst du zu Le Mans 2023 wissen

So geht Le Mans seit 100 Jahren: Das Rennen dauert 24 Stunden – und wer die meisten Runden fährt, gewinnt. Doch seit 2021 gibts neue Regeln in der World Endurance Championship (WEC), zu der Le Mans gehört. In insgesamt drei Klassen gehen 62 Autos an den Start. Topklasse sind die Le-Mans-Hypercars (LMH), dahinter rangieren die Le-Mans-Prototypen 2 (LMP2). Erstere können mit zusätzlichem E-Motor unterwegs sein, letztere haben einen Einheits-V8.

Dritte Klasse sind die GT-Boliden. Mit dem Gesamtsieg haben sie nur bei Ausfall der Top-Boliden zu tun – je Runde sind sie 40 und mehr Sekunden langsamer als die LMH-Autos. Mit Cool Racing sind ein LMP2-Team und mit Kessel Racing aus dem Tessin auch ein GT-Team aus der Schweiz am Start.

Dazu kommen die Schweizer Fahrer Sébastien Buemi (34, Toyota, LMH), Nico Müller (31, Peugeot, LMH), Mathias Beche (36, Nielsen Racing, LMP2), Louis Delétraz (26, WRT, LMP2), Fabio Scherer (23, Inter Europol Competition, LMP2), Neel Jani (39, Duqueine, LMP2, gewann bereits 2016 auf Porsche) und Thomas Flohr (63, Ferrari, GT). Die Schweizerin Rahel Frey (37) startet mit zwei Kolleginnen in einem rein weiblichen Team auf Porsche. Ausser Konkurrenz mit dabei ist ein Chevrolet Camaro aus der US-Nascar-Serie.

So geht Le Mans seit 100 Jahren: Das Rennen dauert 24 Stunden – und wer die meisten Runden fährt, gewinnt. Doch seit 2021 gibts neue Regeln in der World Endurance Championship (WEC), zu der Le Mans gehört. In insgesamt drei Klassen gehen 62 Autos an den Start. Topklasse sind die Le-Mans-Hypercars (LMH), dahinter rangieren die Le-Mans-Prototypen 2 (LMP2). Erstere können mit zusätzlichem E-Motor unterwegs sein, letztere haben einen Einheits-V8.

Dritte Klasse sind die GT-Boliden. Mit dem Gesamtsieg haben sie nur bei Ausfall der Top-Boliden zu tun – je Runde sind sie 40 und mehr Sekunden langsamer als die LMH-Autos. Mit Cool Racing sind ein LMP2-Team und mit Kessel Racing aus dem Tessin auch ein GT-Team aus der Schweiz am Start.

Dazu kommen die Schweizer Fahrer Sébastien Buemi (34, Toyota, LMH), Nico Müller (31, Peugeot, LMH), Mathias Beche (36, Nielsen Racing, LMP2), Louis Delétraz (26, WRT, LMP2), Fabio Scherer (23, Inter Europol Competition, LMP2), Neel Jani (39, Duqueine, LMP2, gewann bereits 2016 auf Porsche) und Thomas Flohr (63, Ferrari, GT). Die Schweizerin Rahel Frey (37) startet mit zwei Kolleginnen in einem rein weiblichen Team auf Porsche. Ausser Konkurrenz mit dabei ist ein Chevrolet Camaro aus der US-Nascar-Serie.

In der zweistärksten Klasse LMP2 erkämpfte der Engelberger Fabio Scherer (23) die Führung für sein polnisches Team Inter Europol Competition – und brachte sie zum Klassensieg gemeinsam mit Albert Costa (33, Sp) und Jakub Smiechowski (31, Pol) auch ins Ziel. Dabei biss er die Zähne zusammen: Gleich zu Beginn war ihm in der Boxengasse ein Bolide über den linken Fuss gefahren. Rahel Frey (37) aus Niederbipp AG brachte die Führung in der GTE-Klasse für das Team Iron Dames durch die Nacht: Der nur mit Pilotinnen besetzte und in wohl ironisch gemeintem Pink lackierte Porsche 911 RSR schaffte es bei Tageslicht dennoch nur auf den undankbaren vierten Platz in der Klasse.

Druck machen, Fehler provozieren

Den Sieg machten ab der Morgendämmerung schliesslich Toyotas Nummer 8 und Ferraris Nummer 51 unter sich aus. Obwohl einen Tick schneller in den Rundenzeiten, konnte sich der 499P nicht entscheidend absetzen. Erst als Toyota-Fahrer Ryo Hirakawa (29, Jap) in der letzten Stunden zu schnell in die Arnage-Kurve ging und drehte, war der Weg für Ferrari frei: Erster Ferrari-Gesamtsieg nach 58 Jahren für Alessandro Pier Guidi (39, It), James Calado (29, Gb) und Antonio Giovinazzi (33, It). Buemi und seinen Teamkollegen Hirakawa und Brendon Hartley (33) aus Neusseland bliebt nur Platz zwei. Nico Müller schaffte im Peugeot nach Reparaturpausen noch Rang 27.

Ferraris Geheimnis für den Sieg? Mit der sensationellen Qualifikationszeit Druck aufbauen und dann warten, bis Toyota Fehler macht, erklärte Giovinazzi. Die Strategie ging auf: Schon in der Nacht war der erste Toyota ausgefallen. Kamui Kobayashi (36, Jap) geriet im Regen in einen Crash zu viert und hatte die Wahl, in einen Konkurrenten oder die Bande zu fahren. Er entschied sich für letzteres und konnte den Toyota danach nicht mehr starten. Wie vom Teamchef gefordert, riskierte Hirakawa dann in der Schlussstunde zu viel – und hin waren die Toyota-Chancen. Dabei hätte es für Toyota reichen können, hätte sich der japanische Pilot nicht verbremst: Kurz darauf vertändelte Ferrari beim letzten Boxenstopp mit Startproblemen fast 90 Sekunden.

2024 wirds noch heftiger

Schon 2024 dürfte sich der Konkurrenzdruck noch verschärfen: Statt der GTE AM-Klasse werden neu GT3-Autos zugelassen: Damit können Privatteams mit verhältnismässig kleinem Budget einsteigen und für eine volle Piste sorgen – Ford hat bereits die Teilnahme mit dem Mustang GT3 angekündigt. Ausserdem wird die LMP2-Klasse gestrichen. Künftig gibts mit den Hypercars mit streng reglementierten Hybridantrieben nur noch eine Prototypen-Klasse.

Das dürfte die Teams noch näher zusammenrücken lassen und lockt Neueinsteiger: Alpine, BMW und Lamborghini werden in der Hypercar-Klasse ab 2024 mitmischen. Wo sonst könnte man Betriebsstrategien und Batteriemanagement für elektrifizierte Grossserien-Antriebe besser testen, als bei 24 Stunden des Im-Kreis-Fahrens? Und Ruhm und eine gute Geschichte wie im Fall Ferrari gibts schliesslich auch zu gewinnen.

Pilot crasht in Leitplanke und wird von Gegner erfasst
0:43
Schock-Moment in Le Mans:Pilot crasht in Leitplanke und wird von Gegner erfasst
Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?