Interview mit Iveco-Chef Riccardo Virga
«Viel Überzeugungs- und Vertrauensarbeit ist notwendig»

Seit März lenkt Riccardo Virga (46) als Managing Director die Geschicke der Iveco Schweiz AG. Wir sprechen mit dem gelernten Automechaniker über Veränderungen der Branche und was die italienische Marke in Bern an Alternativantrieben zeigt.
Publiziert: 09.11.2023 um 14:16 Uhr
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Riccardo Virga (46) ist seit März Managing Director bei Iveco Schweiz AG.
Foto: zVg
Jürg A. Stettler

Herr Virga, warum sollen neben dem Nutzfahrzeuggewerbe auch alle Garagisten zur Transport-CH nach Bern kommen?
Riccardo Virga: Weil man hier einen Vorgeschmack erhält, was in den nächsten 24 Monaten passiert. Das Umfeld und die Entwicklung in unserer Branche haben sich in den letzten Jahren stark verändert. Diese Messe ist ein Feuerwerk an Innovationen, welche die Entscheidungsgrundlagen des Zielpublikums wesentlich beeinflussen.

Was gibts auf dem Iveco-Stand zu sehen?
Iveco stellt im Zeichen der Zukunft aus. Dieses Jahr bringen wir nebst grosser «Italianità» beim Essen und Trinken auch Schweizer Ingenieurskunst aus Arbon auf den Stand. Unsere Kompetenz im Fahrzeugbau und elektrischem Antrieb ist ebenfalls zu sehen.

Sie führen seit März als Managing Director die Schweizer Geschicke von Iveco. Wie haben Sie sich nach dem Abstecher zu einem der schwedischen Wettbewerber wieder eingelebt?
Sehr gut. Es fühlt sich richtig an, wieder bei Iveco zu sein. Die Pandemiejahre haben in der Organisation zwar ihre Spuren hinterlassen. Dennoch sind Freude und Leidenschaft für die Marke bei den Mitarbeitenden nach wie vor ungebrochen. Wir haben ein grossartiges Team!

Wie richten Sie Iveco Schweiz auf Herausforderungen und Transformationen am Markt, aber auch innerhalb der Iveco-Gruppe aus?
Iveco ist vor allem im Bereich der schweren Nutzfahrzeuge neu zu positionieren. Dies wird uns mit der neuen Generation und einer Reorganisation in der Verkaufsabteilung gelingen. Viel Überzeugungs- und Vertrauensarbeit ist notwendig, damit die technologischen Neuerungen getestet und akzeptiert werden.

Aktuell bauen Sie eine neue Filiale in Eclépens VD. Läuft dort alles nach Plan?
Iveco hat in der Westschweiz seit Beginn eine sehr gute Ausgangslage. Es ist nun an der Zeit, sich der Moderne und den neuen Produkten und deren Bedürfnissen wie beispielsweise Service, Wartung, Telematik etc. anzupassen und die Infrastruktur dafür zu modernisieren. Alles läuft nach Plan, die Filiale wird bereits im ersten Halbjahr 2024 eröffnet. Eclépens wird im Zeichen der derzeitigen Mobilität ein wichtiger Standort für unsere Kunden und Interessenten werden. Wir verfügen über die neusten Einrichtungen sowie elektrische Lademöglichkeiten mit 350 kW Ladeleistung.

Im Frühling haben Sie die erste öffentliche LNG-Tankstelle (Flüssigerdgas) der Schweiz auf dem Areal der Iveco-Filiale in Muttenz BL eröffnet. Wie läuft der Betrieb?
Erfreulich gut. Aufgrund der grossen Nachfrage durften wir bereits auf eine grössere Tankanlage wechseln. Der grosse Fuhrpark im Ausland mit über 55'000 Gas-Fahrzeugen allein von Iveco und unser strategischer Standort in Muttenz BL haben die Grundlage für diesen Entscheid gelegt. Aktuell beobachten wir die politische Entwicklung in der Schweiz. Abhängig davon treffen wir unsere Entscheidung, ob wir den LNG-Infrastrukturausbau weiter vorantreiben.

Persönlich: Riccardo Virga

Riccardo Virga ist gelernter Automobil-Mechaniker und hat diverse Weiterbildungen und einen Master in Business Engineering abgeschlossen. Seit März 2023 ist er Managing Director der Iveco Schweiz AG. Zuvor war er Sales Director bei Scania und früher Filialleiter verschiedenster Iveco Standorte. Der 46-Jährige spricht fliessend Deutsch, Englisch, Französisch und Italienisch. Er ist verheiratet und hat einen Sohn.

Riccardo Virga ist gelernter Automobil-Mechaniker und hat diverse Weiterbildungen und einen Master in Business Engineering abgeschlossen. Seit März 2023 ist er Managing Director der Iveco Schweiz AG. Zuvor war er Sales Director bei Scania und früher Filialleiter verschiedenster Iveco Standorte. Der 46-Jährige spricht fliessend Deutsch, Englisch, Französisch und Italienisch. Er ist verheiratet und hat einen Sohn.

Die LNG-Technologie sei eines der strategischen Geschäftsfelder für die Zukunft, sagten Sie bei der Einweihung. Auf welche alternativen Antriebe setzt Iveco noch?
Die Gas-Technologie ist und bleibt ein wichtiges, strategisches Geschäftsfeld für Iveco. Selbstverständlich gehört die batterieelektrische Kompetenz ebenfalls zu unseren Stärken. Dafür haben wir ein breites Know-how im Bereich Batterien und E-Motoren aufgebaut. Unsere FPT-Motorenforschung in Arbon ist da vorne mit dabei und im Bereich der Brennstoffzellen fahren wir bereits im Jahr 2024 auf Schweizer Strassen.

Früher war Iveco ein Nutzfahrzeughersteller und -importeur, heute werden Sie zunehmend zum Dienstleister. Wie läuft diese Transformation, und welche Geschäftsfelder wollen Sie noch erobern?
Ein Dienstleister sollte die Bedürfnisse der Kunden verstehen und ihnen ihre Sorgen abnehmen. Die spezifischen Bedürfnisse dazu haben wir aufgenommen. Die Erkenntnisse daraus sind, dass wir an zwei wichtigen Projekten der flexiblen Mobilität arbeiten, die in naher Zukunft Einzug halten und die Kostensenkung für unsere Kunden zum Ziel haben.

Für einen Full-Range-Anbieter von 3,5 bis 80 Tonnen ist die von der Politik angestrebte Energiewende eine riesige Herausforderung. Passen die Rahmenbedingungen, oder was müsste man noch ändern, damit die Wende im Schwerverkehr zu schaffen ist?
Wir sind gut aufgestellt und werden dank einer erweiterten Produktpalette in naher Zukunft noch besser auf die Herausforderungen der Nachhaltigkeit eingehen können. Dabei spielen nicht nur unsere Produkte eine Rolle, sondern auch die Ladeinfrastruktur auf Schweizer Strassen. Da gilt es genauso gut zu planen und die Anforderungen umzusetzen. Denn nebst der Möglichkeit, im eigenen Areal zu laden, benötigen unsere Kunden auch flexible Gelegenheiten für einen Ladestopp oder Mittagspausenüberbrückung.

Aus dem einstigen Joint Venture namens Nikola Iveco Europe ist nun die Evco (Electric Vehicles Company) geworden. Wann sehen wir erste Modelle auf Schweizer Strassen?
Einen Vorgeschmack darauf sehen Sie bereits auf unserem Stand. Erste Testfahrten mit einer batterieelektrischen Reichweite von über 500 Kilometern können bereits Anfang 2024 gebucht werden. Unsere Fuel-Cell-Version wird ebenfalls auf die Schweizer Strassen rollen.

Sind Ihr Netz und vor allem die Infrastruktur hierzulande schon reif für Elektro-LKW?
Im Bereich der leichten Nutzfahrzeuge, insbesondere dem eDaily, ist das Händlernetz bereit. Bei der schweren Baureihe laufen aktuell die Schulungen und der Bau von Ladeinfrastruktur auf Hochtouren.

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