Raser-Schreck im Postkarten-Idyll
Mini-Bergdorf nimmt mit Blitzer Millionen ein!

Italien ist Blitzer-Europameister. In keinem anderen EU-Land stehen mehr Radaranlagen. Selbst kleine Gemeinden verdienen Millionen – wie das 350-Seelen-Dörfchen Colle Santa Lucia in den Dolomiten. Doch mit dem Geldsegen dürfte es schon bald vorbei sein.
Publiziert: 20.06.2024 um 07:05 Uhr
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Aktualisiert: 20.06.2024 um 11:03 Uhr
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Das italienische Bergdörfchen Colle Santa Lucia (im Vordergrund: Selva di Cardore) hat in den vergangenen drei Jahren fast 1,3 Millionen Euro mit einer einzigen Radaranlage eingestrichen.
Foto: imago/robertharding
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Andreas EngelRedaktor Auto & Mobilität

3600 Euro hat das winzige italienische Bergdorf Colle Santa Lucia in den vergangenen drei Jahren mit seiner Blitzer-Anlage verdient. Unspektakulär? Nur auf den ersten Blick. Denn die 3600 Euro sind nicht etwa die Gesamteinnahmen der Radaranlage – sondern pro Kopf auf die 353 Einwohnerinnen und Einwohner hochgerechnet: Total belaufen sich die eingestrichenen Bussgelder in den Jahren 2021 bis 2023 auf fast 1,3 Millionen Euro!

Wer nach Colle Santa Lucia im Web sucht, dürfte allerdings Zweifel hegen. Die Strassen eng und kurvig, das Örtchen dicht bebaut. Wo bitte soll sich hier ein Millionen-Blitzer befinden? Des Rätsels Lösung: Die Gelddruckmaschine steht nicht im idyllisch auf einem Hügel inmitten der Dolomiten gelegene Dörfchen selbst, sondern auf dem besonders bei Touristen beliebten Passo di Giau, der Cortina d'Ampezzo im Valle del Boite mit Selva di Cadore verbindet. Das letzte Stück des 2236 Meter hohen Gebirgspasses verläuft dabei über das Gemeindegebiet von Colle Santa Lucia – und sorgt dort für den Geldsegen. Denn auf dem Pass sind anders als auf vielen anderen Alpenübergängen durchgehend nur maximal 50 km/h erlaubt, was besonders Töff-Touristen in ihren Portemonnaies spüren.

Strengere Blitzer-Regeln kommen

Allerdings könnte es mit den für die Gemeinde willkommenen Mehreinnahmen bald vorbei sein: Bereits im Frühjahr hatte Italiens Verkehrsminister Matteo Salvini (51) der rechtsgerichteten Lega-Partei neue gesetzliche Regelungen angekündigt, die jetzt offiziell verabschiedet wurden. So dürfen in Zukunft keine getarnte oder hinter Bäumen versteckte Blitzer aufgestellt werden. Neu gilt ausserdem ein Mindestabstand zwischen einzelnen Radaranlagen, um die bei Behörden beliebte Variante zweier kurz hintereinander positionierter Blitzer einen Riegel zu schieben.

Zudem dürfen die Messgeräte erst ab bestimmten Geschwindigkeiten eingesetzt werden: Ausserorts darf neu erst geblitzt werden, wenn das vorgeschriebene Tempo nicht mehr als 20 km/h unter der zulässigen Geschwindigkeit des Strassentyps liegt. Im Falle des Passo di Giau dürfte demnach erst bei einer geltenden Spitze von 70 km/h kontrolliert werden, da auf italienischen Landtrassen Tempolimit 90 gilt. Ob die Gemeinde die Höchstgeschwindigkeit anpasst, um die Auflage zu erfüllen und auch in Zukunft Geld durch Tempobussen zu kassieren, werden Touristen und Einwohnerinnen spätestens 2025 sehen. Dann nämlich müssen Radaranlagen den neuen Vorschriften entsprechen.

Florenz ist Blitzer-Hauptstadt

In Italien säumen mehr als 11'000 fest installierte Blitzer die Strassen – Europarekord! Zum Vergleich: Im weitaus grösseren Deutschland stehen nur rund 4500 fix verbaute Radaranlagen. 2023 beliefen sich die Einnahmen durch Verkehrsbussen allein in den 20 grössten italienischen Städten auf stolze 585 Millionen Euro – mehr als je zuvor in der Geschichte Italiens. So verdiente die Hauptstadt Rom allein durch Radarfallen 7,5 Millionen Euro, Mailand 8,5 Millionen und Florenz als italienischer Blitzer-Hotspot gar 18,7 Millionen. Ab kommendem Jahr dürften diese Einnahmen dann aber deutlich zurückgehen.

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