Helikopter-Taxis von FlyNow aus Salzburg
Wie ein Ösi-Start-up die Lüfte erobern will

Die Idee, fahrende Taxis durch fliegende Drohnen zu ersetzen, ist zukunftsweisend. Doch bisher scheitert es an der Umsetzung. Deshalb schlägt das österreichische Start-up FlyNow einen radikal anderen, viel simpleren Weg ein, um die Lüfte zu erobern.
Publiziert: 19.12.2024 um 11:10 Uhr
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Aktualisiert: 19.12.2024 um 11:14 Uhr
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Österreich geht in die Luft: Mit dem eCopter will das Salzburger Start-up FlyNow künftig Fracht und Personen kostengünstig von A nach B befördern.
Foto: zVg

Auf einen Blick

  • Elektrische Flugtaxis: FlyNow entwickelt neuartige Mini-Helikopter
  • Vorteil des eCopter: Einfache Konstruktion, günstigerer Betrieb und geringere Lärmbelastung
  • Ein eCopter soll zehn Autos ersetzen, erste bemannte Flüge 2029
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
Andreas Engel und Wolfgang Gomoll

Die Pläne sind ambitioniert und spannend zugleich: Mit elektrischen Flugtaxis versuchen Unternehmen wie Lilium oder Volocopter schon länger, die Mobilität der Zukunft mitzugestalten. Doch mittlerweile sind dunkle Wolken am Himmel der beiden deutschen Start-ups aufgezogen. Lilium musste bereits einen Insolvenzantrag stellen, während sie bei Volocopter noch darauf hoffen, dass China-Autobauer Geely für kolportierte 95 Millionen Euro einsteigt. Für die «NZZ» ist zumindest Konkurrent Lilium kaum noch vor dem Absturz zu retten: «Der siebensitzige Lilium-Jet hat bisher nicht bewiesen, dass er tatsächlich eines Tages die vollmundig versprochenen Flugleistungen liefern kann. Zudem hat das Unternehmen bis heute nicht belegen können, dass es ein tragfähiges Geschäftsmodell für den Flugtaxi-Betrieb geben kann.»

Trotz des harten Urteils ist die Idee der elektrischen Flugdrohnen zu wichtig, um sie abzuschreiben. Davon ist auch Jürgen Greil, CEO und Mitbegründer des Start-ups FlyNow, überzeugt. «Allerdings muss der Ansatz der Richtige sein.» Während Lilium und Volocopter die bekannten elektrischen Kameradrohnen zu kleinen Passagier-Flugzeugen hochskalierten, beschreitet Greil genau den entgegengesetzten Weg. Er geht vom Hubschrauber aus und «schrumpft» diesen zu Fluggeräten, die ein bis maximal zwei Passagiere oder Frachtgut transportieren.

Luftverkehr günstiger als Auto oder Zug

In einem schmucklosen Bürogebäude im Salzburger Stadtteil Itzling tüfteln Jürgen Greil und sein 15-köpfiges Team an den elektrischen Helikopter-Taxis namens eCopter. Für den studierten Luft- und Raumfahrttechniker ist der Blick über den Tellerrand essenziell. Das betrifft vor allem den Transport durch die Luft, der laut dem Journal of Aviation/Aerospace Education & Research (JAAER) mit durchschnittlich 1,6 Cent Infrastrukturkosten pro Personenkilometer leicht günstiger ist als das Auto (2,1 Cent) und sogar deutlich günstiger als der Zug (13,4 Cent). «Die Chinesen haben das verstanden und investieren deshalb in Flughäfen», erklärt Greil.

Der gebürtige Oberösterreicher hat für verschiedene Autohersteller wie Porsche oder BMW gearbeitet und war einer der führenden Köpfe hinter dem visionären Elektro-Kleinwagen BMW i3. Deswegen bringt er bei seinem FlyNow-Projekt auch Automobil-Ingenieure und Flugzeugtechniker zusammen. «Die einen sind effizient und achten auf die Kosten, während die anderen das Gewicht und die Aerodynamik im Blick haben.» Die bisherigen Senkrechtstarter-Fluggeräte seien vor allem an der Komplexität der Konstruktion gescheitert.

Simpel und sicher

Deswegen greift FlyNow neben einer schnörkellosen Aerodynamik auch auf die Koaxialrotor-Technik zurück, bei der zwei sich gegenläufig drehende Rotoren einen weiteren am Heck überflüssig machen. Der Rotorkopf samt Rotorblättern eines klassischen Helikopters besteht aus etwa 100 Teilen – beim FlyNow eCopter sind es gerade einmal 18. Die beiden E-Motoren sitzen übereinander und drehen die Blätter mit einer Geschwindigkeit von 650 und 750 Umdrehungen pro Minute. Was langsam scheint, ist kräftig genug, um die rund 360 Kilogramm schweren Karbon-Körper nach oben zu bewegen.

Um die Sicherheit der Passagiere im Falle eines Falles zu gewährleisten, ist jeder der beiden E-Motoren durch jeweils vier unabhängige Statoren, Leistungselektroniken und Stromversorgungen gesichert. Die Wahrscheinlichkeit, dass eine Maschine ausfällt, bewegt sich laut Greil auf dem Niveau von Passagierflugzeugen. Aber selbst wenn das der Fall ist, kann der eCopter noch zum nächsten Notlandeplatz fliegen.

Helis sollen Taxis ersetzen – ohne KI

Im Gegensatz zu bisherigen Konzepten soll der eCopter nicht Hunderte Kilometer am Stück zurücklegen. Die bisher verbaute 38-Kilowattstunden-Batterie ermöglicht eine Flugstrecke von etwa 50 Kilometern. Die Mini-Helis sollen im Grunde Taxifahrten ersetzen – zu einem ähnlichen Preis. Das gilt für das Fluggerät, das deutlich unter 100'000 Franken kosten soll, genauso wie für die Fahrt. Jürgen Greil peilt als ultimatives Ziel zwei Euro pro Minute an, also 160 Euro pro Flugstunde. «Eine Hubschrauberstunde kostet heute rund 2000 Euro. Wenn wir unseren Preis auf 200 Euro drücken können, wirds bereits interessant».

Der Flug vom Münchner Hauptbahnhof zum Flughafen dauert bei einer Reisegeschwindigkeit von 115 km/h inklusive Start und Landung rund 16 Minuten. Ein Pilot ist nicht nötig. Auch keiner, der durch künstliche Intelligenz (KI) erschaffen wird. Ein KI-System wäre zu aufwendig und koste viel Energie – bis zu einem Drittel der Reichweite. «Für eine vorgegebene Route, die immer wieder abgeflogen wird, braucht man keine KI.» Stattdessen übernimmt wie bei einem Flugzeug ein Autopilot die Steuerung.

Uber für die Lüfte

Geleitet werden die eCopter von mehreren unabhängigen Satellitensystemen, sodass immer ein Lotse vorhanden ist, auch wenn einer ausfällt. Natürlich läuft die Reise mit der Flugsicherung ab und der Passagier kann per Knopfdruck jederzeit mit einem FlyNow-Experten Kontakt aufnehmen. Während des Fluges bewegt sich der Mini-Heli in vorgegebenen Korridoren in einer Höhe von 150 bis 300 Metern. Durch das besondere Design sind die Fluggeräte extrem leise und verursachen einen Lärmpegel von lediglich 55 Dezibel – weniger als das Hintergrundgeräusch der meisten deutschen Grossstädte. Das Prinzip der Flugtaxis ähnelt dem von Uber: Fluggäste buchen per App einen Flug, die Software sucht im Hintergrund die passende Drohne aus.

Das Aufladen der Akkus erfolgt kabellos während des Passagierwechsels. Da dieser mindestens acht Minuten dauert, genügt eine Ladegeschwindigkeit von 33 Kilowatt. So werden die Batterien nicht zu sehr gestresst, da der Ladezustand stets zwischen 45 und 85 Prozent pendelt. Jeder FlyNow eCopter soll rund fünf Stunden pro Tag im Einsatz sein und dabei rund 400 Kilometer zurücklegen.

Ein eCopter ersetzt zehn Autos

Seit Juli 2023 laufen die Tests auf dem Flughafen Salzburg. Der erste Flug, bei dem Fracht transportiert wird, soll 2027 stattfinden. Erst wenn dieses System zuverlässig funktioniert, steigen Menschen in die kleinen Helikopter – spätestens 2029 soll es so weit sein. Das Ziel sei jedoch nicht, die gesamte Mobilität zu revolutionieren und alle Autos in die Luft zu bringen – zehn Prozent weniger PW-Verkehr wäre schon ein spürbarer Fortschritt. Ein eCopter ersetzt zehn PWs, was für verkehrsgeplagte mitteleuropäische Städte ein Segen wäre. Doch die Offenheit für neue Technologien ist in unseren Breitengraden nicht so ausgeprägt wie etwa in Riad. Deshalb steht Jürgen Greil bereits in Kontakt mit saudischen Entscheidungsträgern.

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