Der vielleicht längste 2CV der Welt
4:42
Platz für vier Kinder:Der vielleicht längste 2CV der Welt

24. Welttreffen der Döschwo-Freunde in Delsberg JU
Viel mehr als nur ein Auto

Vom letzten Dienstag bis gestern Sonntagabend war Delsberg JU im Enten-Fieber. Aus aller Welt tuckerten rund 3500 Döschwos zum 2CV-Welttreffen in den Jura, um gemeinsam die Leidenschaft Döschwo zu leben. Auch SonntagsBlick.
Publiziert: 31.07.2023 um 01:42 Uhr
|
Aktualisiert: 19.12.2023 um 16:30 Uhr
1/31
Seit Dienstag – und noch bis heute Abend – findet auf einem 53 Hektaren grossen Feld bei Delsberg das 24. Döschwo-Welttreffen statt. Der grösste je im Jura organisierte Anlass.
Foto: Raoul Schwinnen
RMS_Portrait_948.JPG
Raoul SchwinnenRedaktor Auto & Mobilität

Döschwos, wohin das Auge reicht. Auf einem 53 Hektaren grossen Feld (rund 75 Fussballfelder!) ausserhalb des malerischen Jura-Städtchens Delsberg wurde das Camp für die erwarteten 3500 Döschwos und total knapp 25’000 Besucherinnen und Besucher aufgebaut. «Der grösste je im Jura organisierte Anlass», sagt OK-Mitglied und kantonaler Tourismusdirektor Guillaume Lachat (43) stolz.

Obwohl heftige Gewitter und Regenfälle das Gelände schon am ersten Tag in eine Schlammlandschaft verwandeln, lassen sich weder Organisatoren noch Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus der Ruhe bringen. «Wir haben Urlaub», lautet der Tenor bei den meisten. Angereist sind sie aus der Schweiz und ganz Europa, selbst aus Australien und von der französischen Antilleninsel Martinique. Die meisten campieren auch gleich auf dem Gelände.

Kein Wunder erinnert das Camp mehr an ein riesiges Pfadilager als an einen klassischen Oldtimer-Event. Es wird denn auch kaum über PS und Fahrleistungen gefachsimpelt. Vielmehr freut man sich, andere Döschwo-Fans zu treffen. Man spricht über Länder, Kulturen und Reisen – und versteht sich als eine grosse Familie. Ein Döschwo oder eine Ente, wie der kleine 2CV aus Frankreich auch genannt wird, ist eben nicht nur Auto, sondern eine Lebensart.

Der längste Döschwo der Welt

Das erklärt uns Nils Donat (56), Mathelehrer aus der Hochschulstadt Lemgo bei Bielefeld (D) und begeisterter Döschwo-Fahrer. Er ist mit seiner Frau und vier Töchtern in der sechsplätzigen Stretch-Ente angereist. «Seit ich 18 bin, fahre ich Döschwo. Mit meiner Frau und der ersten Tochter ging das problemlos. Doch dann wurde meine Frau mit Drillingen schwanger. Und da hatten wir ein Problem: Sechs Personen können nicht in einem Döschwo fahren.» Beim 2CV-Welttreff in Frankreich 2011 suchte Donat nach einer Lösung. Er fragte bei Franzosen, Engländern, Tschechen – doch niemand konnte ihm helfen. «Ein halbes Jahr später erhielt ich eine Mail aus Holland. Da stand nur ein Satz geschrieben: ‹Dein Auto für deine Familie!› Und angehängt ein Bild vom umgebauten Stretch-Döschwo. Das war meine Rettung.» Schnell wurde Donat mit dem kreativen Holländer handelseinig. Nur: Was in Holland geht, funktioniert in Deutschland noch lange nicht. «Ein Jahr dauerte es, bis ich endlich die offizielle TÜV-Abnahme für den wohl längsten Döschwo für sechs Personen erhielt. Wie lautet das Sprichwort? ‹Wo ein Wille ist, …›»

61'000 Kilometer Weltreise

Das trifft auch auf Comiczeichner Maximilien Hohler (28) und seinen Bruder Clément (29) zu. Sie brachen am 17. Juli 2019 in Paris mit ihrem roten Döschwo Cocotte zu einer knapp dreijährigen Weltreise auf. In 301 Tagen reiner Fahrzeit fuhren sie von Paris zum Nordkap, dann durch Russland, die Mongolei, China, Thailand, Myanmar und Indien zum Südkap – und von dort via Pakistan und Iran wieder zurück nach Frankreich, wo sie am 25. Mai 2022 beim nationalen Enten-Treff in Saint-Dizier ankamen.

Total legten die beiden mit ihrem Döschwo über 61’000 Kilometer zurück, durchquerten während der Corona-Pandemie 28 Länder und wurden alleine in China 31-mal durch die Polizei kontrolliert. «Für unseren Trip brauchten wir 9800 Liter Benzin, passierten 49 Polizeikontrollen, mussten neunmal ein Rad wechseln, hatten aber glücklicherweise nur einen glimpflich verlaufenen Unfall, als wir in Indien einen Felsbrocken auf der Strasse übersahen», erinnert sich Maximilien Hohler. Wieder zu Hause fasste der Zeichner den Abenteuer-Trip in einem Comic mit dem Titel «Rodéo en 2CV» zusammen. Und bietet diesen jetzt auch im Camp in Delsberg zum Verkauf an.

Dölüügs-Anhänger für 2CV

Verkauf ist ein gutes Stichwort, wenn wir die Kreationen von Bernd Geldmacher (63) bewundern. Der Appenzeller Informatiker mit deutschen Wurzeln konstruierte für seinen wunderschönen, bronzefarbenen Döschwo gleich mehrere Anhänger. Trotz seines Namens will er damit aber kein Geld verdienen. «Das ist Hobby. Meine Hänger sind alles Einzelstücke und werden nicht verkauft», sagt Geldmacher. Die grösste Herausforderung neben der Technik sei, beim kantonalen Strassenverkehrsamt eine offizielle Zulassung für die kreativen Konstruktionen zu erhalten. «Das ist zwar aufwendig, hat aber bislang noch jedes Mal geklappt, sagt er schmunzelnd. Und so hat der Tüftler für sein Döschwo-Zugfahrzeug inzwischen einen kleinen Einachser, einen luxuriösen «Dölüggs»-Wohnanhänger, ein Kran- und Kipperaufsatz und – als jüngstes Werk – einen Anhänger für eine Bierzapfstation kreiert. Die ist am Döschwo-Treff dann auch gut besucht.

Der französische Volkswagen

Der einfach konstruierte Citroën 2CV mit luftgekühltem Zweizylinder-Viertakt-Boxermotor und Frontantrieb wurde zwischen 1948 und der Einführung des Katalysators im Jahr 1990 über fünf Millionen Mal gebaut. Schnell entwickelte sich der Deux Cheveaux zum Auto der «kleinen Leute», sozusagen zum französischen Volkswagen. Heute geniesst er Kultstatus und hat, wie das Treffen in Delsberg JU zeigt, eine riesige Fangemeinde. Ob Arbeiter, Studentin, Intellektueller oder Filmschaffende – alle mochten und mögen den unkonventionellen Nonkonformisten mit aufrollbarem Vinylverdeck, viel Platz und weicher Federung.

Der einfach konstruierte Citroën 2CV mit luftgekühltem Zweizylinder-Viertakt-Boxermotor und Frontantrieb wurde zwischen 1948 und der Einführung des Katalysators im Jahr 1990 über fünf Millionen Mal gebaut. Schnell entwickelte sich der Deux Cheveaux zum Auto der «kleinen Leute», sozusagen zum französischen Volkswagen. Heute geniesst er Kultstatus und hat, wie das Treffen in Delsberg JU zeigt, eine riesige Fangemeinde. Ob Arbeiter, Studentin, Intellektueller oder Filmschaffende – alle mochten und mögen den unkonventionellen Nonkonformisten mit aufrollbarem Vinylverdeck, viel Platz und weicher Federung.

2025 nach Slowenien

Wurde früher jeweils am Ende eines Citroën-2CV-Welttreffs festgelegt, in welchem Land zwei Jahre später das nächste Treffen stattfinden soll (unter anderen 1977 in Avenches VD, 1991 im Haslital BE), hat das seit 1975 zum ersten Mal in Finnland durchgeführte Meeting inzwischen so grosse Dimensionen angenommen, dass jeweils vier Jahre im Voraus ein fertiges Konzept der nächsten Veranstaltung vorliegen muss. So wird das 25. World Meeting of 2CV Friends 2025 in Slowenien stattfinden. Und gestern Sonntagabend stach in Delsberg das Bewerberkonzept der Niederlande jenes von Australien für die Austragung 2027 aus. Wetten, dass Nils Donat, Maximilien Hohler und Bernd Geldmacher in vier Jahren auch in Holland wieder vor Ort sein werden?

Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?