Ein tödliches Feuer in einem russischen Forschungsinstitut, weitere Brände in einer Munitionsfabrik und in zwei Ölanlagen. In Russland schienen sich derartige Vorfälle in den vergangenen Wochen zu häufen. Sind es Zufälle oder gezielte Racheakte der Ukraine für den Angriffskrieg?
In einem riesigen Land wie Russland wird einem Feuer in einer abgelegenen Gegend normalerweise keine besondere Beachtung zuteil. In Zeiten des Krieges jedoch erregen solche Ereignisse grosse Aufmerksamkeit. So auch jüngst am Mittwoch vergangener Woche, als es in einer Chemiefabrik in Dserschinsk östlich von Moskau brannte.
Bislang bekannte sich niemand
Spätestens seit dem Feuer in einem militärischen Forschungsinstitut in Twer nordwestlich von Moskau am 21. April, bei dem mindestens 17 Menschen ums Leben kamen, wird in den Online-Netzwerken jede Meldung über einen Brand irgendwo in Russland als ukrainischer Sabotageakt gewertet. Mehr als ein Dutzend dieser Brände sind es mittlerweile.
Bislang bekannte sich in keinem der Fälle jemand als Brandstifter. Beobachter sehen aber durchaus Hinweise für den Versuch Kiews, den Krieg auf diese Weise ins Land der Angreifer zu tragen – etwa bei Bränden in Briansk nahe Belarus, die in Anlagen für den Öl-Export nach Europa ausbrachen. Ihnen lägen «zuverlässige» Informationen vor, dass diese Feuer durch einen Angriff ukrainischer Bayraktar-Drohnen entfacht wurden, schrieben die anonymen Analysten von «Ukraine Weapons Tracker».
Ukraine: «Göttliches Eigreifen»
Auf ihrem Twitter-Account veröffentlichen die Analysten regelmässig detaillierte Berichte und Videos von Angriffen beider Seiten. «Wenn das stimmt, dann beweist diese Geschichte erneut die Fähigkeit der ukrainischen Streitkräfte, Angriffe auf russischem Territorium durchzuführen», schrieben sie. «Es war wahrscheinlich ein ukrainischer Angriff, aber wir können nicht sicher sein», sagte seinerseits der Militärexperte Rob Lee der britischen Zeitung «The Guardian» zu den Bränden in Briansk.
Mychailo Podoljak, ein wichtiger Berater des ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenski, gab sich bedeckt: Er bezeichnete die Brände in Briansk als göttliches Eingreifen. «Grosse Treibstofflager brennen regelmässig – aus verschiedenen Gründen», fügte er hinzu.
«Russische Saboteure gegen Putin setzen ihre heroische Arbeit fort», kommentierte seinerseits der ukrainische Rennfahrer Igor Suschko Fotos von den Feuern auf Twitter. Beweise für eine politisch motivierte Brandstiftung legte er jedoch nicht vor. Selenski-Berater Oleksij Arestowytsch äusserte sich gegenüber der US-Zeitung «New York Times» vieldeutig: «Wir bestätigen nicht, und wir leugnen nicht», sagte er. Und er fügte hinzu, dass Israel seine verdeckten Angriffe und Attentate nie zugebe.
Teil der ukrainischen Strategie
Die Gouverneure der russischen Oblaste Kursk und Belgorod nahe der Grenze berichten von weiteren Drohnen- und Helikopterangriffen sowie Sabotageakten unter anderem an Eisenbahnbrücken. Zwei Hubschrauber der ukrainischen Streitkräfte hätten am 1. April ein Treibstoffdepot in Belgorod angegriffen, schrieb Gouverneur Wjatscheslaw Gladkow auf seinem Telegram-Kanal.
«Es gibt keine Bestätigung für ukrainische Sabotage - ausser der Tatsache, dass viele der Feuer militärische Ziele trafen», sagt Phillips O'Brien, Professor für strategische Studien an der Universität von St. Andrews in Schottland. Es scheine, als seien solche Angriffe Teil der ukrainischen Strategie im Kampf gegen Russland. (AFP)