Zu grosse Zugeständnisse – Gaza-Deal kommt bei Israel-Nationalisten schlecht an
Wars das für Netanyahu?

Lange hatte sich der israelische Ministerpräsident gegen einen Deal mit der Hamas gewehrt. Mit der plötzlichen Zustimmung erfreut er zwar Freund Donald Trump, bringt jedoch die israelischen Hardliner auf die Palme. Für sie hat er aber ein Zückerchen parat.
Publiziert: 17:12 Uhr
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Aktualisiert: 17:29 Uhr
Lange wehrte sich Benjamin Netanyahu gegen den Deal, jetzt hat er auf Druck der USA eingelenkt.
Foto: imago/UPI Photo

Auf einen Blick

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Guido FelderAusland-Redaktor

Nach 15 Monaten Gazakrieg stehen die Zeichen in Nahost auf Frieden. Israel und die Hamas haben sich dank der Vermittlung der USA, Katars und Ägyptens auf einen Waffenstillstand geeinigt, der vorerst 42 Tage gelten und in diesen Tagen unterzeichnet werden soll. Zudem sollen die Islamisten die restlichen israelischen Geiseln etappenweise freilassen.

Brisant: Der von ultrakonservativen Juden unterstützte israelische Ministerpräsident Benjamin Netanyahu (75) hat in den Deal eingewilligt, obwohl er sein Ziel, die Hamas komplett auszulöschen, nicht erreicht hat. Bringt ihn die Angelegenheit nun zu Fall?

Der Krieg im Gazastreifen begann, nachdem am 7. Oktober 2023 Hamas-Kämpfer in Israel eingedrungen waren, rund 1200 Menschen niedergemetzelt und rund 250 in den Gazastreifen verschleppt hatten. Netanyahu blies mit seiner Armee zur Gegenoffensive und sagte: «Wir haben überhaupt keine Wahl, als die Hamas zu vernichten.»

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Der neue US-Präsident Donald Trump ist ein Freund von Benjamin Netanyahu und hat zugunsten eines Deals massiven Druck ausgeübt.
Foto: keystone-sda.ch

Durch den seither wütenden Krieg sind nach palästinensischen Angaben im Gazastreifen über 46'600 Menschen ums Leben gekommen und über 110'000 verletzt worden. Im November 2023 kam es zu einer Waffenruhe. Sie dauerte mehrere Tage und führte zu einem Austausch von Geiseln gegen palästinensische Gefangene.

Trump machte Druck

Weitere Verhandlungen waren seither gescheitert – nicht nur wegen der Hamas, sondern auch wegen Netanyahu, der unter dem Druck der Nationalisten steht. Diese wollen von Frieden nichts wissen, solange die Hamas noch existiert.

Bisher ist Netanyahu dem Kurs der Hardliner gefolgt und hat dem Druck der Gegenseite, zu der die Angehörigen der Geiseln gehören, standgehalten. Warum lenkt er nun auf den Friedenskurs ein? Eckart Woertz (55), Direktor des Giga-Instituts für Nahost-Studien in Hamburg, erklärt gegenüber Blick: «Der Druck von Donald Trump war wohl entscheidend.»

Donald Trump (78), der am Montag ins Weisse Haus einzieht, hat grossen Einfluss auf Netanyahu. Und dieser weiss genau, wie wichtig die USA als Schutzmacht sind. Zudem will sich Trump als Friedensstifter ein Denkmal setzen. So hat er auch angekündigt, den Krieg in der Ukraine schnell beenden zu wollen.

Wut bei den Ultrarechten

Mit dem Deal zieht Netanyahu nun aber die Wut der ultrarechten Hardliner auf sich. Sicherheitsminister Itamar Ben-Gvir (48) und Finanzminister Bezalel Smotrich (44) haben schon mit dem Sturz der Regierung gedroht. Ben-Gvir bezeichnet das Abkommen auf X als «schrecklich» und wirft Netanyahu vor, mit der Freilassung von «Hunderten mordenden Terroristen» die militärischen Erfolge im Gazastreifen zunichtezumachen. Der Deal sieht vor, dass auch palästinensische Häftlinge freigelassen werden. «Das ist eine Kapitulation Israels vor der Hamas», meint Ben-Gvir.

Mit dem Deal verliert Netanyahu bei den Ultrakonservativen an Rückhalt. Die Frage bleibt: Nimmt er für den Friedensdeal seinen Sturz in Kauf? Nahost-Experte Woertz relativiert: «Die Rechtsextremisten zetern zwar und machen Druck, aber ihr Einfluss ist nicht mehr so gross, seit Netanyahu Gideon Saar in seine Koalition geholt hat.»

Aussenminister Saar ist Chef der konservativen Partei Neue Hoffnung, die er 2020 gegründet hat, nachdem er Netanyahus Likud im Streit verlassen hatte. Der gemässigte Saar gilt als Puffer und Vermittler zwischen den Fronten.

Der Deal ist in Gefahr

Über das Schicksal von Netanyahu zu spekulieren, ist für Woertz zum jetzigen Zeitpunkt zu früh. Sicher aber ist: Um seine Haut zu retten, muss Netanyahu die Hardliner vom Sinn des Deals überzeugen und ihnen klarmachen, dass der wichtige Israel-Freund Trump persönlich dahintersteckt.

Als ob er die Hardliner besänftigen wollte, liess Netanyahu nach der Einigung über die Waffenruhe erneut Ziele im Gazastreifen angreifen. Laut palästinensischen Angaben sollen seither mindestens 71 Personen getötet worden sein.

Netanyahu wirft der Hamas vor, dass sie ihre Zustimmung zu allen Teilen des Deals verweigere und «in letzter Minute Zugeständnisse erpressen» wolle. So soll die Hamas bei den Detailgesprächen die Freilassung auch von Häftlingen fordern, die Israel wegen der Schwere ihrer Delikte nicht übergeben will.

Eine auf gestern Morgen anberaumte Sitzung, an der das israelische Kabinett über den Deal abstimmen wollte, ist daher kurzfristig verschoben worden. Der Deal, der so grosse Hoffnung ausgelöst hat, steht also noch auf sehr wackligen Beinen.

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