«Zivilisten brutal hingerichtet»
Wagner-Söldner packt in Den Haag über Verbrechen aus

Sie töteten Zivilisten, entführten Kinder und manipulierten Wahlen – der ehemalige Söldner Igor Salikow packt in einem Brief an den Internationalen Gerichtshof in Den Haag über die grausamen Kriegsverbrechen der Russen aus.
Publiziert: 21.12.2023 um 11:29 Uhr
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Aktualisiert: 21.12.2023 um 12:56 Uhr
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Igor Salikow kämpfte für die Wagner-Gruppe und war Oberbefehlshaber der Redut-Gruppe.
Foto: Telegram
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Jenny WagnerRedaktorin News

Am 18. Dezember flog Flug KL598 von Kapstadt nach Amsterdam. An Bord: Der ehemalige Wagner-Söldner Igor Salikow (60) auf dem Weg nach Den Haag, um vor dem Internationalen Gerichtshof über die Kriegsverbrechen der Russen auszusagen.

Salikow war 2014 bis 2015 in der Ukraine. 2017 gehörte er zu den Auszubildenden der Wagner-Gruppe. Unter Leitung von Ex-Wagner-Boss Jewgeni Prigoschin (1961-2023) kämpfte er in Syrien und einigen afrikanischen Ländern. 2022 befehligte er in der Ukraine eine Einheit der Privatarmee Redut – neben Wagner eine der bekanntesten Söldnertruppen, die unter dem Deckmantel des Verteidigungsministeriums operiert.

Insgesamt war Salikow 25 Jahre Soldat, dann flüchtete er. Er ist der erste Oberbefehlshaber, der beim Internationalen Gerichtshof aussagt – auf freiwilliger Basis. Seine Geständnisse zeigen, mit welcher Grausamkeit die Soldaten vorgingen. Der niederländischen Sendung «EenVandaag» hat er nun ein Interview gegeben.

«Nichts davon war wahr»

2014 begab er sich für das erzwungene «Volksreferendum» nach Donezk. Am 11. Mai hatte die selbsternannte Volksrepublik Donezk ihre Unabhängigkeit vom Resten des Ukraine erklärt. Allerdings hatte damals nicht mal Russland diese Unabhängigkeit anerkannt. 

«Ich habe dort die ‹Separatisten› unterstützt und war Zeuge der durchdachten Propagandakampagne», sagt er. «Wir sind unwissentlich zu Teilnehmern eines von Russland durchgeführten Staatsstreichs in der Ukraine geworden.» 

Am 27. Mai 2014 kam es am Flughafen in Donezk zu heftigen Kämpfen zwischen dem ukrainischen Militär und Separatisten sowie russischen Freiwilligen. «Die russische Präsidialverwaltung gab den geheimen Befehl, die Situation eskalieren zu lassen. Dies sorgte für eine blutige Schlacht.» Bei einem zweiten grossen Angriff auf den Flughafen im September starben zwischen 200 und 800 Menschen.

Der russische Präsident Wladimir Putin (71) behauptet seit 2014 immer wieder, dass im Donbass die russische Sprache verboten und Russen gefoltert würden. Das Ziel des Kriegs sei «die Befreiung des Volks von ukrainischen Nationalisten». Salikow glaubte daran. «Aber nach zwei Jahren dort wurde mir klar, dass nichts davon wahr war.»

Russland soll 6000 ukrainische Kinder entführt haben

«Ich habe Leute vom Geheimdienst gesehen, die eine grosse Zahl elternloser Kinder über die Grenze nach Belarus gebracht haben», so der Ex-Söldner. Es kamen «ganze Konvois von FSB-Agenten, in Personenkraftwagen und Kleintransportern». Gegen Putin und die russische Kinderrechtsbeauftragte Maria Lwowa-Bielowa liegt ein internationaler Haftbefehl wegen Kindesentführung vor. Untersuchungen der amerikanischen Universität Yale zeigen, dass 6000 Kinder zur «Umerziehung» nach Russland gebracht wurden.

CH Media liegt eine Kopie von Salikows Brief an Karim Ahmad Khan (53), Chefankläger des Internationalen Gerichtshofs, vor. Darin beschreibt er, wie Prigoschin und Wagner-Gründer Dmitri Utkin (1970-2023) ein System des Vergeltungsterrors aufbauten. Zivilisten seien von russischen Söldnern «gefoltert und brutal hingerichtet» worden. Man habe sie «lebend zerstückelt oder mit Panzern überrollt».

Den Haag bestätigt Mithilfe von Salikow

2022 wurde Salikow Zeuge davon, wie in Kiew Streumunition genutzt wurde. «Überall lagen Leichen mit abgerissenen Gliedmassen» erinnert er sich im Brief. «Ich sah einen Hund, der nicht eine Puppe, sondern den halben Körper eines Kindes schleppte.» Salikow behauptet, dass er sich irgendwann geweigert hatte, unschuldige Zivilisten zu töten und deswegen vor das Kriegsgericht in Russland gestellt werden sollte. Ihm gelang jedoch die Flucht. Mit Unterstützung der niederländischen Behörden konnte er jetzt in die Niederlande einreisen.

Staatsanwalt Jurij Belousow bestätigt gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters, dass Salikow in Kontakt mit den niederländischen Behörden stehe. Er schreibt: «Er hat wichtige Aussagen über den Angriff am 24. Februar 2022 gemacht, von denen einige bereits bestätigt worden sind. Er hat über Kriegsverbrechen berichtet, die wir untersuchen und von denen einige bereits bestätigt wurden.» Salikow beantragt in den Niederlanden politisches Asyl.

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