Die USA haben ein Waffen-Problem. Immer wieder kommt es zu Amokläufen – auch an Schulen. So erschoss im vergangenen Mai ein 18-Jähriger an einer Grundschule in der texanischen Kleinstadt Uvalde 19 Kinder und zwei Lehrerinnen.
Nach dem Blutbad von Uvalde konnten sich die Demokraten von US-Präsident Joe Biden (80) und die oppositionellen Republikaner im Kongress nur auf eine minimale Verschärfung des Waffenrechts einigen. Darum hat nun ein Schulbezirk im Bundesstaat Texas sich etwas einfallen lassen, um die Schüler auf einen Amoklauf wenigstens gut vorzubereiten. Sie haben ein Buch mit der beliebten Bären-Figur Winnie Puh lanciert. Der Titel lautet: «Bleib sicher: Renne, verstecke dich, kämpfe».
Cindy Campos war fassungslos, als sie das Buch im Schulranzen ihres sechsjährigen Sohnes entdeckte. Denn in der Geschichte erklären der Bär und seine Freunde Ferkel, der Esel I-Aah und die Kängurumutter Känga mit ihrem Jungen Klein-Ruh, was Schüler bei einem Amoklauf in der Schule tun sollten. «Ich hatte keine Ahnung, worum es geht und habe es meinem Sohn vorgelesen. Es war wie ein Schlag in die Magengrube, als ich es kapiert habe», sagt sie zum TV-Sender Fox4.
«Bleibt nicht stehen. Rennt weg!»
So versteckt sich Puh der Bär in seinem Honigfass und erklärt dazu: «Wir sollten uns alle, ohne einen Pieps von uns zu geben, dort verstecken, wo uns keiner findet.» Er rät dazu, das Handy leise zu stellen. Und weiter heisst es: «Wenn die Gefahr uns findet, bleibt nicht stehen. Rennt weg!». Als dritte Option tragen Känga, Klein-Ruh und Ferkel Boxhandschuhe und haben folgenden Ratschlag für die Kids: «Wenn wir nicht entkommen können, dann müssen wir uns mit allen Kräften wehren.»
Der Dallas Independent School District wurde deswegen von allen Seiten kritisiert. Die Waffenliebhaber unter den Eltern wetterten, dass den Kindern unnötig Angst gemacht wird und man das Geld lieber in die Sicherung der Schulen und bewaffnete Sicherheitsleute investieren sollte. Waffengegner unter den Eltern schimpften, dass Amokläufe in Schulen durch das Buch normalisiert würde.
Copyright ist ausgelaufen
Auch Gavin Newsom, der Gouverneur von Kalifornien, äusserte sich kritisch auf Twitter zu dem Buch. «Winnie Puh unterrichtet jetzt texanische Kinder über aktive Schützen, weil die gewählten Beamten nicht den Mut haben, unsere Kinder zu schützen und vernünftige Waffensicherheitsgesetze zu erlassen.»
Der Schulbehörde entschuldigte sich daraufhin und reagierte auf die Kritik. «Leider haben wir den Eltern keinen Leitfaden oder Kontext zur Verfügung gestellt. Wir entschuldigen uns für die Verwirrung und sind den Eltern dankbar, die sich gemeldet haben, um uns zu helfen, bessere Partner zu sein.»
Die Kinderfigur Winnie Puh und seine Freunde können mittlerweile ohne Kosten genutzt werden. Das US-Copyright besagt, dass die Werke von Autoren 70 Jahre nach dem Tod des Autors – oder 95 Jahre nach der Veröffentlichung – von jederm genutzt werden können. Erfunden hat die Figur der Brite Alan Alexander Milne (1882-1920), um seinem Sohn Geschichten von dem tapsigen Bären zu erzählen. (jmh)