Darum gehts
Manche Analysten nennen den Börsencrash «historisch», andere sprechen von einem «schwarzen Tag»: Die Kurse rauschen wegen der von US-Präsident Donald Trump (78) verhängten Zöllen weltweit nach unten. Der Schweizer Leitindex SMI sackte allein am Montag zeitweise um bis zu 7,5 Prozent ab!
Der Börsen-Crash kam für viele unerwartet – für einige aber nicht. Denn schon seit Monaten – also lange vor dem Kollaps – kursiert im Netz die Theorie, dass Trump die Börsen absichtlich zusammenstürzen lässt. Auch einige Medien haben über die Theorie schon vor längerem berichtet. Grund: Durch den Crash müssten die USA weniger Zinsen für die überbordenden Staatsschulden zahlen. Ist die vermeintliche Kamikaze-Aktion des US-Präsidenten in Wahrheit ein verkappter Geniestreich?
Trump hat mehrfach erklärt, dass er die Staatsverschuldung in den Griff bekommen will. Seine Regierung werde «dazu beitragen, die unhaltbare Entwicklung der Bundesverschuldung zu bremsen», versprach Trump etwa nach seiner Wahl zum Präsidenten.
Die Aufwendungen für die Zinsen sind sehr hoch. Die US-Regierung hat im letzten Jahr rund 880 Milliarden Dollar für Zinszahlungen ausgegeben. In diesem Jahr sollen die Zinsaufwendungen erstmals die Ausgaben für Verteidigung übertreffen.
«Wilder Schachzug»
Hat Trump einen ausgefeilten Plan, um diese Belastungen zu reduzieren? Am Freitag teilte er auf Truth Social ein Video eines Tiktok-Users. Darin wird erklärt, Trump lasse den Aktienmarkt absichtlich abstürzen. Ziel seines «geheimen Spiels» sei, Bargeld in Staatsanleihen zu treiben. Dies zwinge die Notenbank, im Mai die Zinssätze zu senken. Tiefere Zinssätze wiederum würden es möglich machen, Schulden in Billionenhöhe günstig zu refinanzieren. «Es ist ein wilder Schachzug, aber er funktioniert», heisst es im Video.
Ebenfalls am Freitag forderte Trump den Notenbankchef in einem Social-Media-Post direkt dazu auf, den Leitzins zu senken, und schrieb: «Dies wäre ein PERFEKTER Zeitpunkt für den Fed-Vorsitzenden Jerome Powell, die Zinsen zu senken.»
Was sagen Schweizer Wirtschaftsprofessoren zur Theorie, dass es Trump letztlich um die Staatsverschuldung geht?
Brunetti: «Abwegige Theorie»
«Ich halte die Theorie für abwegig», sagt Aymo Brunetti, Volkswirtschaftsprofessor der Uni Bern. «Wegen der Zinskosten der Staatsverschuldung eine Depression zu riskieren, geht viel zu weit.» Brunetti ist überzeugt, dass Trump absurderweise wirklich glaube, dass Zölle der Industrie helfen. «Er hat sämtliche Ökonominnen und Ökonomen, die ihm da widersprechen könnten, aus seiner Entourage entfernt», betont Brunetti.
Föllmi: «Völlig absurde Vorstellung»
«Langfristig funktioniert das nicht», sagt auch Reto Föllmi, Volkswirtschaftsprofessor der Uni St. Gallen. Vielleicht könne es Trump gelingen, durch einen Börsenschock die Zinsen für einige Monate nach unten zu bringen. «Mit seiner Politik schafft Trump aber viel Unsicherheit, und das erhöht die Risikoprämien», sagt Föllmi. «Anleger wollen für Unsicherheit entschädigt werden.» Somit würden die Zinsen steigen. Die USA müssten ja laufend neue Schulden aufnehmen, wenn Anleihen auslaufen. Daher sei ein kurzfristiges Denken wenig erfolgversprechend. Insgesamt würden die USA gerade zu einem weniger zuverlässigen Partner, was ihnen gerade in der Rolle als Schuldner schade.
«Es ist eine völlig absurde Vorstellung», sagt Föllmi. Es sei wahrscheinlich, dass die Zölle zu einem inflationären Druck führen könnten, was die Notenbank zu Zinserhöhungen drängen könnte. Bei Inflation – Geldentwertung – wollten die Käufer von neuen US-Staatsanleihen besser entschädigt werden, verlangten also wiederum höhere Zinsen, erklärt Föllmi. «Deshalb macht diese Theorie wenig Sinn.»
Brülhart: «Ziemlich abenteuerlich»
«Was sich in den Köpfen der Leute im Oval Office abspielt, weiss ich nicht besser als andere», sagt Marius Brülhart, Wirtschaftsprofessor an der Universität Lausanne. Jedoch erscheint ihm die Theorie, dass die US-Regierung den Plan verfolge, mit Chaos auf den Aktienmärkten tiefere Zinsen zu erwirken, «ziemlich abenteuerlich». Brülhart sagt: «Das wäre, als würde ich mir absichtlich eine Kugel ins Bein jagen, damit ich ein paar Wochen bezahlten Urlaub bekomme.» Der Wirtschaftsprofessor betont, dass Kosten und Langzeitrisiken im Verhältnis zum erwarteten Nutzen viel zu hoch sind.